Vereinte Nationen:Kinnhaken und andere Treffer

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Premiere mit wilden Hieben: US-Präsident Donald Trump bei seinem ersten Auftritt von der Generalvollversammlung der Vereinten Nationen in New York. (Foto: Lucas Jackson/Reuters)

US-Präsident Donald Trump hält seine erste Rede vor der UN-Vollversammlung - und verblüfft die Zuhörer mit drastischen Drohungen gegen Nordkorea.

Von Thorsten Denkler, New York

Er schaut nach rechts, nach links. Dann reckt er sein Kinn vor. Wie ein Boxer, bevor er in den Ring steigt. Donald Trump steht vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Es ist der erste Auftritt des nicht mehr ganz neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Trump weiß, was jetzt kommt. Und er dürfte wissen, was er damit auslöst. Dann holt er aus für eine ganze Reihe von Kinnhaken und andere Arten von Wirkungstreffern.

Zuvor hat der ebenfalls neue Generalsekretär der UN gesprochen, António Guterres. Vor Wutreden hat er gewarnt, davor, dass solche Reden zu "tödlichen Missverständnissen" führen könnten. Trump war noch nicht da, als Guterres gesprochen hat. Aber was hätte das geändert?

Anfang August hat Trump dem Regime in Nordkorea gedroht, es mit "Feuer und Zorn" zu überziehen, sollte es die USA ernsthaft bedrohen. Es war der damalige Höhepunkt der verbalen Eskalation. Die Welt schien so nahe an einem neuen Atomkonflikt zu sein wie seit der Kubakrise nicht mehr. Staatschefs aus aller Welt mahnten Trump, es nicht zu übertreiben. So wie UN-Generalsekretär Guterres an diesem Dienstag, dem Eröffnungstag der Generaldebatte.

Trump hat die Kritik nicht beeindruckt. Im Gegenteil: Er sei wahrscheinlich nicht deutlich genug gewesen, was Nordkorea angeht. Darüber muss er sich künftig keine Gedanken mehr machen. Die USA, sagt Trump, stehen bereit, Nordkorea "vollständig zu vernichten". Ein Raunen geht durch die Versammlungshalle. Menschen schauen sich an. Hat er das wirklich gesagt? Vollständige Vernichtung? Wenn Trump nach der totalen verbalen Eskalation gesucht hat, er hat sie gefunden.

Sie passt zu den Überlegungen des US-Militärs und Trumps, Nordkorea notfalls auch mit taktischen Nuklearwaffen anzugreifen. Aber selbst das wäre noch etwas anderes als eine vollständige Vernichtung. Die Frage ist: Blufft Trump? Oder meint er es so? Er selbst schränkt sofort ein, dass das nicht nötig sei, wenn alle Staaten mitspielten. Oder wenn Nordkoreas Regimeführer Kim Jong-un einlenkt. Was er von Kim will, ist klar: ein sofortiges Ende des Atomprogramms. Was er aber von der Staatengemeinschaft will, das bleibt unklar. Die Wirtschaftssanktionen gegen das Land sind hart. China und Russland haben sie mitgetragen. Aber vor allem China hat kein Interesse daran, den Nachbarn politisch implodieren zu lassen. Staatspräsident Xi Jinping will Stabilität in der Region. Und keinen Konflikt, der nicht mehr zu beherrschen ist.

Trump hatte noch mehr im Gepäck. Es war klar, dass er das Atom-Abkommen mit Iran für falsch hält. Vor allem deshalb, weil es der israelische Premier Benjamin Netanjahu für falsch hält. Das Abkommen, unter anderen von Trumps Vorgänger Barack Obama ausgehandelt, hat Israel und die USA weit voneinander entfernt.

Netanjahu hatte keinen guten Draht zu Obama. Aber er weiß, wie er mit Trump umgehen muss. Er lobt ihn als großartigen Staatsmann. "Ich möchte sagen, dass unter Ihrer Führung die Allianz zwischen Amerika und Israel niemals stärker und niemals tiefer war", sagte Netanjahu nach einem Treffen mit Trump am Montag. Für Trump ist Iran jetzt nur noch ein "herabgewirtschafteter Schurkenstaat". Auch das sagt er in seiner Rede vor den Vereinten Nationen. Stellt sich die Frage, was das bedeutet: Will Trump das Atomabkommen mit Iran aufkündigen? Auf welcher Grundlage? Alle anderen an dem Abkommen beteiligten Staaten bescheinigen dem Land, sich an die Auflagen zu halten. Wenn Trump das Abkommen aber nicht aufkündigen will, dann laufen die Drohungen ins Leere.

Wie gut, dass sich in den UN nicht alle von Trumps Muskelspielen beeindrucken lassen. Montagnachmittag, Konferenzhalle 2. Die EU, Argentinien und die Mongolei stellen eine Initiative vor: "Free Torture trading", Folterfrei handeln. Dutzende Staaten haben sich ihr angeschlossen. Ihr Ziel ist, den Handel mit Produkten zu unterbinden oder zu erschweren, die für Folter oder den Vollzug der Todesstrafe eingesetzt werden. Wie wirksam es sein kann, zeigt, dass in den USA viele Todeskandidaten in den Haftanstalten nicht hingerichtet werden können, weil die Giftspritzen ausgehen. Viele Substanzen dafür werden in der EU hergestellt. Europäische Pharmahersteller aber wollen nichts damit zu tun haben, dass ihre Produkte eingesetzt werden, damit ein Staat seine Bürger umbringen kann. Nicht dabei sind - es verwundert nicht - China und die USA. Aber Trump hat gerade eben ganz andere Probleme.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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