Vereinte Nationen:Gesucht: ein stiller Arbeiter

Vereinte Nationen: Seit Januar 2007 ist Ban Ki Moon Chef der Weltorganisation. Der Südkoreaner gilt als eher brav.

Seit Januar 2007 ist Ban Ki Moon Chef der Weltorganisation. Der Südkoreaner gilt als eher brav.

(Foto: Bebeto Matthews/AP)

Bald scheidet UN-Chef Ban Ki Moon aus dem Amt. Der Nachfolger wird wohl keine Führungsfigur - zu unbequeme Kandidaten scheitern wohl an den Vetomächten.

Von Stefan Ulrich

Die Vereinten Nationen bräuchten jetzt einen Tausendsassa an ihrer Spitze, der sie nach trüben Jahren aufmuntert und vorantreibt: Ein hervorragender Verwaltungsmanager sollte dies sein, der Programme streicht oder zusammenlegt, Skandale bei den Blauhelm-Soldaten aufarbeitet und ausstehende Beiträge der Mitgliedstaaten eintreibt. Daneben müsste der neue Generalsekretär ein gewiefter Diplomat sein, um zwischen den nationalen Interessen der Länder zu vermitteln. Auch ein charismatischer Politiker sollte in ihm stecken, der den Klimaschutz voranbringt, einen Frieden für Syrien erstreitet und sich nicht scheut, auch den mächtigsten Staaten wie Russland, China oder den USA ins Gewissen zu reden.

Selbst wenn eine solche Persönlichkeit zur Verfügung stünde - sie hätte kaum Chancen, gewählt zu werden. Denn die wichtigsten UN-Staaten wollen eher keinen General, der ihnen die Richtung weist, sondern einen Sekretär, der ihre Wünsche erfüllt. Eine Führungsfigur wie Kofi Annan, der von 1997 bis 2006 als Generalsekretär amtierte und sich mit den Vereinigten Staaten anlegte, ist nicht gefragt. Erwünscht ist ein freundlich-stiller Arbeiter hinter den Kulissen wie der Südkoreaner Ban Ki Moon, der Annan nachfolgte und zum 31. Dezember aus dem Amt scheiden wird. Wobei selbst der brave Ban derzeit den Russen auf die Nerven geht, weil er deren Taten in Syrien anprangert. Umso mehr wird Moskau darauf achten, einen ihnen genehmen neuen Generalsekretär zu bekommen.

Nun wären die Wünsche der Großmächte ziemlich unerheblich, wenn bei den UN das Prinzip "Ein Land, eine Stimme" herrschte. Dann könnten die 193 Mitgliedstaaten in der Generalversammlung den Nachfolger Bans per Mehrheit wählen. Das Votum Bhutans hätte genauso viel Gewicht wie dasjenige Russlands, Kiribati würde ebenso viel zählen wie die USA. Und gerade den kleineren Staaten ist oft daran gelegen, dass ein starker UN-Generalsekretär die Interessen der ganzen Welt vertritt.

In der Weltorganisation mit Sitz in Manhattan gilt jedoch das Prinzip: Fünf Staaten sind gleicher als die anderen 188. Die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich genießen aus historischen Gründen - sie waren Siegermächte im Zweiten Weltkrieg - ein Vetorecht im 15-köpfigen Sicherheitsrat. Da der Rat laut UN-Charta das Vorrecht hat, der Generalversammlung einen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs vorzuschlagen, können die fünf Veto-Bewährten jeden Bewerber stoppen, der ihnen nicht passt. In den vergangenen sieben Jahrzehnten lief die Wahl des Generalsekretärs denn auch immer so ab: Der Sicherheitsrat kungelte im Geheimen einen Favoriten aus, den die Generalversammlung dann abnickte.

Um der Kritik an diesem intransparenten und undemokratischen Verfahren zu begegnen, läuft der Auswahlprozess diesmal anders ab: Die Mitgliedstaaten schlugen insgesamt zwölf Kandidaten vor, sechs Frauen und sechs Männer. Diese mussten sich im Frühjahr einer Anhörung und einer live übertragenen Debatte in der Generalversammlung stellen, bei der sie auch auf ausgewählte Fragen von Bürgern aus aller Welt eingingen. Sodann wurde im Sicherheitsrat fünf Mal anonym über die Kandidaten abgestimmt, wobei die Sicherheitsratsmitglieder jeweils die Wahl zwischen Zustimmung, Enthaltung und Ablehnung hatten.

Der frühere Flüchtlingskommissar Guterres gilt bislang als Favorit - doch einiges spricht gegen ihn

Die Ergebnisse dieser Orientierungs-Voten, deren jüngste in der Nacht auf Dienstag stattfand, sollten geheim bleiben, wurden aber alle rasch bekannt. Demnach lag bei sämtlichen fünf Abstimmungen der portugiesische Kandidat António Guterres klar vorn. Diese Woche erhielt er zwölf Ja-Stimmen bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Dahinter folgten mit deutlichem Abstand der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák sowie der serbische Ex-Außenminister Vuk Jeremić mit jeweils acht Ja-Stimmen.

Damit könnte die Sache entschieden sein, zumal Guterres als früherer portugiesischer Premier (1995 bis 2002) und als langjähriger UN-Flüchtlingskommissar (2005 bis 20015) über viel Erfahrung in der Politik und mit den Vereinten Nationen verfügt und für viele der beste Kandidat ist. Auch hat der 67 Jahre alte Sozialist bei der Anhörung in der Generalversammlung einen guten Eindruck gemacht.

Dennoch sprechen drei Dinge gegen Guterres: Erstens war noch nie eine Frau UN-Generalsekretärin. Bei den UN wünschen sich viele, dass sich das jetzt ändert. Zweitens stand noch nie ein Osteuropäer an der Spitze der UN. Daher pocht unter anderem Russland darauf, dass jetzt Osteuropa zum Zuge kommt. Drittens war Guterres Regierungschef eines Nato-Landes, "und ich glaube daher nicht, dass die Russen ihn akzeptieren werden", sagt Sven Gareis, Politikprofessor an der Universität Münster, der ein Standardwerk über die Vereinten Nationen verfasst hat.

Verwirft Moskau Guterres, könnten die USA im Gegenzug eher Russland-genehme Kandidaten wie den Slowaken Lajčák ablehnen. Gleiches könnte für die Bulgarin Irina Bokova gelten, die die Welt-Kulturorganisation Unesco leitet. Die bulgarische Regierung scheint daher zu überlegen, ihre Kandidatin Bokova gegen Kristalina Georgiewa auszutauschen, eine derzeitige Vizepräsidentin der EU-Kommission. Angeblich macht sich auch die Bundesregierung in Berlin für sie stark. Moskau will von Georgiewa aber nichts wissen.

So könnte es im Sicherheitsrat mal wieder zur Blockade kommen - diesmal bei der Suche nach einem Generalsekretär. Das Amt kann aber schlecht länger vakant bleiben, schließlich leitet der höchste UN-Beamte die Verwaltung der Weltorganisation und vertritt sie nach außen. Gareis sagt daher: "Ich vermute, dass es am Ende im Sicherheitsrat einen Deal gibt. Wie immer. Damit würden alle enttäuscht, die hofften, ein transparentes Verfahren werde nun den besten Kandidaten ins Amt bringen." Die nächste Abstimmung im Rat ist für Dienstag kommender Woche angesetzt.

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