Vereinte Nationen:Diplomatie mit Drohungen

Eifrig beim Kritisieren Israels, zurückhaltend bei der Verurteilung von Diktaturen: Die USA erwägen, aus dem UN-Menschenrechtsrat austreten.

Von Charlotte Theile, Zürich

Als der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2006 gegründet wurde, galt er als Symbol der Hoffnung. Die Vision hinter dem Gremium schien revolutionär zu sein: eine Welt, in der Mächtige zur Rechenschaft gezogen werden können. Eine Staatengemeinschaft, die hinschaut, wenn Menschenrechte verletzt werden, selbst dann, wenn sie damit wichtige Länder brüskiert, Geldgeber und Förderer bloßstellt. Es war eine Vision, die viele begeisterte - und andere erschreckte. Die USA unter Präsident Georg W. Bush konnten dem wenig abgewinnen, sie boykottierten das Treffen der Länder in Genf. Erst 2009, unter Barack Obama, traten die Vereinigten Staaten bei. Heute sind die Amerikaner für Deutschland und viele andere Staaten einer der wichtigsten Partner. Das könnte sich bald ändern.

Washington kritisiert, dass das Gremium einige Länder zu wenig, andere zu hart verurteilt

Als die Sitzung des Menschenrechtsrates am Montag in Genf begonnen hatte, gab es für Diplomaten und Aktivisten vor allem ein Thema: den bevorstehenden Austritt der Amerikaner. Schon vor einem Jahr hatte Nikki Haley, Donald Trumps Botschafterin bei den Vereinten Nationen, den Rat scharf kritisiert. Ihre Kritik ist eine, die auch Nichtregierungsorganisationen wie UN Watch vorbringen: Der Rat mache sich unglaubwürdig, indem er Staaten wie Kuba oder Venezuela zu wenig, Israel dagegen zu viel und zu scharf verurteile. Das Gremium in Genf rechnet seither mit einem Austritt der USA. Dafür spricht etwa die Ankündigung der Amerikaner, die Beiträge an die Vereinten Nationen um mehrere Hundert Millionen Dollar zu kürzen. Der britische Außenminister Boris Johnson stärkte dem Rat den Rücken: Obgleich er die Kritik an der Israel-Politik des Rates nachvollziehen könne, erkenne Großbritannien den Wert des Gremiums an.

Inhaltlich haben die Staaten in Genf zunehmend Schwierigkeiten mit der US-Delegation. Bei Themen wie Klimaschutz oder Frauenrechten ist es schwieriger geworden, gemeinsame Positionen zu entwickeln. Das jüngste Vorgehen der US-Regierung an ihrer Südgrenze, wo 2000 Kinder von ihren Eltern getrennt wurden, kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Ra'ad al-Hussein, scharf.

Doch noch sind die amerikanischen Diplomaten in der französischen Schweiz, verhandeln dort über syrische Chemiewaffen, die Verfolgung der Rohingya in Myanmar, über Weißrussland, Burundi und Eritrea. Es sind ungewisse Verhandlungen. Unklar ist nicht nur, ob die Amerikaner dem Rat bald den Rücken kehren. Unklar ist auch, wie ein solcher Rückzug aussehen würde. Denn das Forum, dem im Moment 47 Mitgliedstaaten angehören, kennt unterschiedliche Formen der Mitwirkung.

So ist etwa Russland seit 2016 nicht mehr Mitglied des Rates - die Vollversammlung der UN hatte dem Land damals überraschend die Wiederwahl verweigert. Trotzdem bringen sich die Diplomaten aus Moskau in Genf ein, stellen Anträge, nehmen inhaltlich Einfluss. Eine Rolle, wie sie vielleicht auch die Amerikaner in Zukunft haben könnten. Die "harte Variante", einen vollständigen Rückzug also, will sich in Genf noch keiner vorstellen. Doch vielleicht ist auch das nur eine Hoffnung der Diplomaten.

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