Vereinbarkeit von Familie und Beruf:Das Kind hat einen Vater

Lesezeit: 4 min

Männer wollen sich um ihre Kinder kümmern - aber auch Vollzeit arbeiten. Was heißt das für die Politik? (Foto: dpa)

Kühn verspricht Familienministerin Schwesig in ihrer Antrittsrede eine "moderne Gesellschaftspolitik" - und erzählt dann doch nur Altbekanntes. Dabei ist offensichtlich, worauf die neue Ressortchefin ihren Blick richten sollte, wenn sie in den Familien wirklich etwas ändern will.

Von Barbara Galaktionow

Mit einer forschen Idee sorgte Manuela Schwesig Anfang Januar für Furore. Sie forderte eine 32-Stunden-Woche für Eltern kleiner Kinder. Von Familienverbänden und Gewerkschaften wurde die neue SPD-Familienministerin dafür gelobt. Andere waren weniger begeistert: Wirtschaftsvertreter watschten die Idee sofort ab, aber auch Kanzlerin Angela Merkel disqualifizierte den Vorschlag als "persönlichen Debattenbeitrag" Schwesigs.

Bei ihrem ersten Auftritt als Ressortchefin im Bundestag war von neuen Ideen dann auch nicht mehr die Rede. Artig stellte Schwesig am späten Donnerstagabend die Eckpunkte der Frauen- und Familienpolitik für die kommenden vier Jahre vor - verlesenes Koalitionsprogramm, vorgetragen ohne große Verve. Das mag allerdings auch der Uhrzeit geschuldet gewesen sein, kam Schwesig im Zuge der der Antrittsreden aller Minister doch erst um halb zehn Uhr abends zu Wort. Vielleicht auch ein Zeichen, wie viel Bedeutung der Familienpolitik eingeräumt wird.

Ihren Familienarbeitszeit-Vorstoß hatte Schwesig ohnehin zuvor schon in die Sphäre einer eher unbestimmten "Vision" abgeschoben. Dabei hätte die Idee der Ministerin durchaus einen wichtigen Anstoß geben können. Väter und Mütter wünschen sich nämlich oft eine gleichmäßige oder zumindest gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, aber nur wenige leben tatsächlich danach. Und dabei kann es nicht nur um die auch von Schwesig erneut beschworene "bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf" gehen - denn die zielt bislang fast ausschließlich auf die Frauen. Kinder sollen öfter und besser betreut werden, damit Mütter öfter und länger arbeiten können.

Väter mit Doppelbelastung

Damit sich in den Familien grundlegend etwas ändert, wäre es notwendig, auch die Väter mal in den Blick zu nehmen. Die arbeiten nach wie vor zumeist Vollzeit. Und die meisten wollen das auch so - wie gerade erst eine Forsa-Studie im Auftrag der Zeitschrift Eltern zeigte. Zugleich wünschen sich viele aber auch mehr Zeit für ihre Familien. Nur, wie soll das gehen?

Die in sich widersprüchlichen Aussagen zeigen das Dilemma, in dem viele heutige Väter stecken. "Das alte Leitbild vom Ernährer der Familie gilt nach wie vor. Es wurde durch die Vorstellung vom Vater als Betreuer nicht abgelöst, sondern nur um diesen Anspruch erweitert. Hier liegt der Hase im Pfeffer", sagt Johanna Possinger, die am Deutschen Jugendinstitut in München die Fachgruppe "Familienpolitik und Familienförderung" leitet.

Die harten Zahlen sähen zwar nicht danach aus, doch die meisten Väter reagierten sehr sensibel auf die von ihren Frauen, ihrem Arbeitgeber oder der weiteren Umgebung an sie herangetragenen Erwartungen. Und sie hätten auch selber eine andere Vorstellung von ihrem Leben als ihre eigene Vätergeneration, wollten "mehr sein als Ernährer und sich bei der Betreuung ihrer Kinder engagieren".

Veränderungen passierten im Moment vor allem im Kleinen, sagt Possinger. Oft gingen sie auf Kosten der Väter. Moderne Väter rissen sich ein Bein aus, um den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Erst Arbeit, dann Hausaufgabenbetreuung, Lesen mit den Kindern und Elternabende - "Väter haben heute oft noch eine zweite Schicht nach der Erwerbsarbeit", stellt die Familienforscherin fest.

Das Schlagwort der Doppelbelastung scheint also mittlerweile auch für immer mehr Männer zu gelten. Doch warum will der überwiegende Teil der Väter dann trotzdem am liebsten zwischen 35 und 40 Stunden arbeiten - und nicht weniger? Sind die Männer vielleicht einfach selbst schuld an ihrer Misere, weil sie in den vorgegebenen Bahnen weitertraben, ohne sie zu hinterfragen?

Den Vorwurf lässt Georg Nelles vom Bundesforum Männer nicht gelten. "Mit der gleichen Argumentation könnte man auch sagen, dass Frauen keine Führungspositionen haben wollen", sagt er. Es ginge hier doch um die Frage: Wo bekomme ich Anerkennung und Wertschätzung? Und für eine Teilzeitstelle bekämen Männer diese eben nicht. Nelles folgert: "Väter brauchen eine Ermutigung." Und sie bräuchten auf sie zugeschnittene politische Regelungen.

Das zeigt sich ganz deutlich beim Elterngeld. Immer mehr Väter nehmen Elternzeit, doch fast alle nur die sogenannten "Vätermonate". Das heißt die zwei Monate, die Väter nehmen müssen, damit die Familie 14 und nicht nur 12 Monate Elterngeld bekommt. Und das, so Nelles, sei nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Island oder Schweden, wo es schon sehr viel länger Elternzeit-ähnliche Regelungen gebe. "Egal, wo ich die Grenze setze, das Verhalten in den Unternehmen orientiert sich immer daran", sagt Nelles, der selbst beruflich Firmen auf dem Weg zu einem väterfreundlichen Unternehmen berät.

Was daraus folgt, ist klar - zumindest, wenn man eine stärkere Beteiligung der Männer an der Kleinkinderbetreuung für wünschenswert erachtet: zusätzliche Vätermonate. Familienexpertin Possinger führt noch einen weiteren Aspekt an: "Man darf die neuen Väter nicht ohne die neuen Mütter denken." Denn die Sichtweise der Mütter sei ganz wesentlich dafür, ob und wie lange Väter in Elternzeit gingen. Doch der Spielraum sei nicht groß, da die meisten Mütter zwölf Monate für sich selbst beanspruchten.

Kritik an widersprüchlicher Politik

Neben passenden Regelungen wünschen sich viele Väter aber vor allem auch auch eine verlässliche und widerspruchsfreie Politik. "Von der Gesellschaft wird gefordert, dass Eltern sich Erwerbs- und Familienarbeit aufteilen. In der Realität wird aber gerade das Gegenteil gefördert, beispielsweise durch das Ehegattensplitting, das Alleinverdiener-Ehen bevorteilt", kritisiert Nelles. Aus Väterbefragungen wisse sie, dass es ein "großes Bewusstsein für staatliche Regelungen gebe, die für eine gleichmäßigere Aufteilung der Erwerbsarbeit zwischen Vätern und Müttern nicht optimal sind", sagt auch Possinger.

Bleibt also noch viel Raum für eine "moderne Gesellschaftspolitik des 21. Jahrhunderts", wie sie Ministerin Schwesig in ihrer Antrittsrede kühn ankündigte. Ein paar Mini-Veränderungen hin zu mehr Gleichstellung können Eltern auf alle Fälle schon in der jetzigen Legislaturperiode erwarten. Da ist zum einen das "Elterngeld plus". Danach sollen Väter und Mütter, die Teilzeit arbeiten, die Familienleistung künftig doppelt so lange in halber Höhe ausgezahlt bekommen. Wenn sich beide um die Betreuung kümmern und dafür in Teilzeit arbeiten, soll es einen Partnerschaftsbonus geben. Und auch das geplante Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit könnte vielleicht gerade auch für Männer interessant sein, die der Familie zuliebe zeitweilig ihr Arbeitsvolumen zurückschrauben. "Visionen" kommen dann später - vielleicht.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: