Verdacht gegen Wulffs Ex-Sprecher:Eine fast normale Durchsuchung

4,3 Millionen Ermittlungsverfahren werden jährlich in Deutschland eingeleitet. Insofern ist die Durchsuchung des Büros von Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker im Bundespräsidialamt keine Sensation. Und sie richtet sich nicht gegen den Bundespräsidenten selbst. Dennoch handelt es sich nicht um ein Allerweltsverfahren.

Hans Leyendecker

Jedes Jahr werden in der Republik etwa 4,3 Millionen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Hinweis auf die Unschuldsvermutung, die immer gelten muss, ist nicht nur wegen der Vielzahl der Verfahren keine Floskel, sondern ein Hinweis auf die Wirklichkeit. Die allermeisten Verfahren werden eingestellt. Darunter sind auch viele Verfahren, in denen Gerichte zuvor Durchsuchungsbeschlüsse erlassen hatten.

Insofern ist auch die Durchsuchung eines Dienstzimmers im Bundespräsidialamt zwar eine Aktion von Staats wegen, aber keine Staatsaktion. Eine solche Heimsuchung durch Strafverfolger ist keine Sensation, sondern gehört zur Normalität in einem Korruptionsverfahren.

Die Ermittler versuchen, an Unterlagen zu gelangen, um einen Verdacht besser prüfen zu können. Das Verfahren richtet sich nicht gegen Wulff, sondern gegen einen früheren Mitarbeiter. Und dennoch ist die Nachricht von einer solchen Durchsuchung ein Hinweis darauf, dass die Lage für den Bundespräsidenten unbehaglich bleibt. Er schafft es nicht, eine Brandmauer zu Glaeseker hochzuziehen. Die Vorwürfe, die am Ende - bei aller Unschuldsvermutung - seinen früheren besten Mann treffen könnten, würden auch den Präsidenten treffen.

Es wäre für Wulff verheerend, wenn sich sein früherer Staatssekretär qua Amt persönliche Vorteile verschafft haben sollte. Das System des Gebens und Nehmens, das bei Glaeseker zumindest in Umrissen zu ahnen ist, gehört zu der Sorte Kosten-Nutzen-Rechnung, die für alle im Umfeld brandgefährlich werden kann. Glaeseker war Wulffs Mann. Sie lebten in symbiotischer Beziehung. Auch deshalb handelt es sich hier nicht um ein Allerweltsverfahren.

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