Venezuela:Luisa Ortega, Figur der Hoffnung für Venezuela

Luisa Ortega Diaz

Ortega bekämpft Maduro von links, mit Verweis auf die Verfassung von 1999.

(Foto: AP)

Die Generalstaatsanwältin ist erst seit Kurzem Regierungsgegnerin - kämpft aber nun umso vehementer gegen den zunehmend diktatorischen Maduro. Das könnte für sie gefährlich werden.

Von Boris Herrmann

Wenn im spätsozialistischen Krisenstaat Venezuela noch so etwas wie Hoffnung keimt, dann wird sie von einer 59-jährigen Frau symbolisiert, die mit ihrer blonden Scheitelfrisur, ihrer randlosen Brille und ihren Hosenanzügen nicht wie eine todesmutige Rebellin aussieht. Luisa Ortega Díaz aber hat zuletzt eine ganz besondere Form des Mutes bewiesen. Den Mut nämlich, einen großen Fehler einzugestehen.

Seit zehn Jahren ist sie die Generalstaatsanwältin Venezuelas. Sie hat in dieser Zeit Dutzende Regierungskritiker zu politischen Gefangenen gemacht und war auch für die Verurteilung des populären Oppositionsführers Leopoldo López zu 14 Jahren Haft verantwortlich. Jetzt hat sie sich mit dem Regime überworfen und bezichtigt den zunehmend diktatorischen Präsidenten Nicolás Maduro des "Staatsterrorismus". Sie hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Betrug bei der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung eingeleitet. "Ich habe zwei Staatsanwälte beauftragt, gegen die vier Direktoren des Nationalen Wahlrates wegen dieses sehr skandalösen Vorgangs zu ermitteln", sagte Ortega dem US-Fernsehsender CNN. Es ist eine erstaunliche Wandlung von der Chef-Inquisitorin zur gefährlichsten Gegnerin des Systems.

Gefährlich aus Sicht der Regierung ist Ortega vor allem deshalb, weil sie nicht zur etablierten, zum Teil streng rechtskonservativen Opposition gehört. Es ist schwierig, sie als Imperialistin oder CIA-Agentin zu brandmarken. Denn Ortega bekämpft Maduro von links, mit Verweis auf die Verfassung von 1999, die Maduros Vorgänger und Vorbild Hugo Chávez eingeführt hatte. Sie wirft dem Präsidenten einen "grotesken Bruch" mit dieser Verfassung vor. Das bringt die Regierungspropaganda in Erklärungsnot. Maduro ist umzingelt.

Die Juristin Ortega hat als glühende Sozialistin Karriere gemacht. In der Staatsanwaltschaft von Caracas kümmerte sie sich von 2002 an um die Durchsetzung der Bolivarischen Revolution. Chávez beförderte sie fünf Jahre später zur Generalstaatsanwältin, bei dessen Beerdigung 2013 saß sie in der ersten Reihe. Den Bruch mit Maduro wagte sie vor vier Monaten. Es war der Tag, als der regimetreue Oberste Gerichtshof die endgültige Entmachtung des Parlaments beschloss. Ortega verkündete daraufhin, es sei ihre "unvermeidbare historische Pflicht" als venezolanische Bürgerin, zu protestieren. Erstmals stellte sich damit eine Institution des Staates öffentlich gegen den Staat. Keine 48 Stunden später knickten Maduros Marionetten im Gericht ein und nahmen den Entmachtungsbeschluss zurück. Seither gilt Ortega als Verräterin. Zu den berühmtesten Dissidenten gehört auch ihr Ehemann Germán Ferrer, der für die Regierungspartei PSUV im Parlament sitzt und offen gegen Maduro wettert. Es bröckelt im Chavismus.

Kein Wunder, dass der wankende Staatschef nun zum Gegenschlag ausholt. Ortega darf das Land nicht mehr verlassen, ihre Konten wurden eingefroren. Der Oberste Gerichtshof bereitet gerade ihre Absetzung vor. Zur ihrer Vorladung ist sie aber nicht erschienen. Sie sagte, sie werde sich diesem Zirkus nicht unterwerfen. Falls Luisa Ortega ins Gefängnis kommt, wird sie dort womöglich auch Regierungsgegner treffen, die sie selbst hinter Gitter brachte.

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