Venezuela:Freunde mit Geld

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Wenn die Staatspleite unmittelbar bevorsteht, kann sich Caracas immer noch auf Moskau verlassen: Dank einer Umschuldungsvereinbarung kann Präsident Maduro seinen Kopf noch mal aus der Schlinge ziehen.

Von Julian Hans und Boris Herrmann, Moskau/Santiago

Es hat schon eine gewisse Tradition, dass Analysten den Staatsbankrott Venezuelas prophezeien. Tatsächlich grenzt es an ein Wunder, dass dieser Staat immer noch irgendwie funktioniert. Trotz Hyperinflation, Devisenmangel und einer dramatischen Wirtschafts- und Versorgungskrise war es der Regierung von Nicolás Maduro immer gelungen, die Forderungen ihrer Gläubiger zu bedienen. Bis zu diesem Montag, als Venezuela erstmals eine Gnadenfrist für die Rückzahlung von 200 Millionen Dollar verstreichen ließ. Damit erhärtete sich der Verdacht, dass die Pleite unmittelbar bevorstehen könnte. Die Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch stuften das Land als zahlungsunfähig ein, nachdem ein Sondergipfel mit internationalen Gläubigern ergebnislos verlaufen war. Doch jetzt sieht es so aus, als könnte Maduro seinen Kopf im letzten Moment aus der Schlinge ziehen. Wenn nichts mehr geht, hilft nur noch Moskau. Auch das hat Tradition.

Venezuela und Russland haben sich auf eine Umschuldung geeinigt. Der venezolanische Finanzminister Simón Zerpa war am Mittwoch nach Moskau gereist, um die Vereinbarung zu unterzeichnen. Caracas bekommt demnach mehr Zeit, um einen Kredit aus dem Jahr 2011 zurückzuzahlen. Gemäß der neuen Vereinbarung können die 3,15 Milliarden Dollar in den kommenden zehn Jahren getilgt werden. Wobei die Raten in den ersten sechs Jahren minimal seien, hieß es in einer Mitteilung, aus der die russische Agentur Interfax zitierte. Die Absenkung des Schuldendrucks, die sich aus der Restrukturierung ergibt, erlaube, frei gewordene Mittel für die Entwicklung der Wirtschaft einzusetzen und die Zahlungsfähigkeit zu verbessern - und so die Chancen aller Kreditgeber zu erhöhen, ihr Geld zurückzubekommen.

Die Verhandlungsführer stehen auf der US-Sanktionsliste. Moskau hat da keine Berührungsängste

Auch die Regierung in Peking sprang Venezuela am Mittwoch bei: Zwar bot die Volksrepublik keine Umschuldung an. Allerdings erklärte das Außenministerium, dass die Zusammenarbeit mit Venezuela normal verlaufe. Die Regierung in Caracas könne mit den Schuldenproblemen angemessen umgehen. Diese Äußerungen gelten als Vertrauensbeweis, auch weil China Forderungen von 23 Milliarden Dollar an Venezuela hat. Ein Default Venezuelas wäre eine der größten Staatspleiten der Geschichte. Insgesamt geht es um Anleihen und Zinsen in Höhe von 170 Milliarden Dollar - fast doppelt so viel wie beim Zahlungsausfall Argentiniens vor 16 Jahren. Auch der jüngste Deal mit Russland wird den Niedergang des ölreichsten Staates der Erde wohl nicht dauerhaft stoppen können. Aber er zeigt erneut, dass Moskau offenbar fest entschlossen ist, das Regime Maduros zu stützen. Der venezolanische Halb- bis Dreivierteldiktator hat es sich mit nahezu der ganzen Welt verscherzt. Als Maduro im Juli das Parlament entmachtete, verhängten die USA Wirtschaftssanktionen. Russlands Präsident Wladimir Putin lobte den venezolanischen Kollegen und schickte Cash. Über den staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft versorgt Moskau Maduros Regierung mit dringend benötigten Devisen für den Schuldendienst. Dabei handelt es sich wohl nicht um Almosen, sondern um strategisches Investment. Allein in diesem Sommer überwies Rosneft sechs Milliarden Dollar an den staatlichen venezolanischen Ölkonzern PDVSA - als Vorauszahlung für künftige Öllieferungen. Schon heute handelt Rosneft mit 13 Prozent der Erdölproduktion Venezuelas und hält 49,5 Prozent an der PDVSA-Tochter Citgo, die ein Tankstellennetz in den USA betreibt. Russland sichert sich mit seinen Krediten aber auch Beteiligungen an künftigen Förderprojekten im Orinoco-Delta, im Maracaibo-See und im Golf von Paria, wo die mutmaßlich lukrativsten Öl- und Gasvorkommen Venezuelas liegen. Der Schuldengipfel mit den internationalen Anleihegläubigern war auch an der Auswahl der Verhandlungsführer gescheitert. Maduro hatte seinen Vizepräsidenten Tareck El Aissami sowie seinen Finanzminister Zerpa mit dieser Aufgabe betraut. Beide stehen auf einer US-Sanktionsliste. Einige nach Caracas angereiste Gläubiger blieben deshalb spontan vor der Tür. Geldgebern mit Sitz in den USA ist es verboten, mit El Aissami oder Zerpa zu verhandeln. Russland hat da weniger Berührungsängste, wie Zerpas Auftritt in Moskau zeigte.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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