Venedig:Monster in der Lagune

Die italienische Stadt will Kreuzfahrtschiffe umleiten - aber nur ein bisschen.

Von THOMAS STEINFELD

Die Nachricht klingt, als sei Venedig etwas Gutes widerfahren: In drei oder vier Jahren, teilte der italienische Verkehrsminister Graziano Delrio nach einer Beratung mit Vertretern der Stadt und der Region Veneto am Dienstagabend mit, werden keine Kreuzfahrtschiffe mehr durch den Canale della Giudecca fahren - in einer schmalen Fahrrinne, die mitten durch die Altstadt führt.

Bald also sollen die Zeiten vorbei sein, in denen sich die "Grandi Navi" eng am zentralen Markusplatz vorbeischieben, in denen die Vibrationen der Schiffsschrauben die Fundamente der historischen Paläste bröseln lassen und die Abgase der riesigen Dieselmotoren die Luft permanent mit Feinstaub belasten, wie es das nur an besonders schlechten Tagen im Stuttgarter Kessel gibt. Ein Dutzend und mehr solcher Ungetüme durchqueren in der warmen Jahreszeit die Stadt, und ein jedes trägt bis zu 5000 Passagiere. Und hatte die UN-Kulturorganisation Unesco nicht damit gedroht, Venedig den Status des Weltkulturerbes zu entziehen, der monströsen Fahrzeuge wegen? Mit dieser Entscheidung sei nun sichergestellt, versicherte Luigi Brugnaro, der Bürgermeister Venedigs, "dass wir eine Lösung für die großen Schiffe haben".

Genau hingucken darf die Welt indessen nicht. Denn der Plan sieht zwar vor, die Route durch den Canale della Giudecca zu schließen - allerdings nur für Schiffe jenseits einer Größe von 55 000 Bruttoregistertonnen. Für die größeren Schiffe soll ein schon vorhandener, aber bislang hauptsächlich für kleinere Frachtschiffe genutzter Kanal ausgebaut werden, der vom südlichen Eingang der Lagune an der Küste des Festlands vorbei bis zum Industriegebiet von Marghera führt. Einige von ihnen sollen dann an die bisherigen Anlegestellen nördlich der Altstadt geleitet werden, für die allergrößten (und in Venedig bislang nicht zugelassenen) aber soll ein neuer Hafen "auf dem Festland" geschaffen werden. Deswegen bedeutet die Entscheidung nicht nur, dass Venedig in Zukunft auch von Schiffen angefahren werden kann, die bislang nicht durch den Kanal passten. Sie bedeutet zudem, dass sich das Volumen der Fahrrinne verdoppeln soll: auf zwölf Meter Tiefe und hundert Meter Breite, wodurch sich die ökologischen Verhältnisse in der Lagune weiter verschlechtern werden. Schon das bestehende System der Fahrrinnen hat bewirkt, dass es häufiger zu Überschwemmungen kommt und immer mehr Schlick ins Meer hinausgespült wird.

Eine Entscheidung der italienischen Regierung, die großen Schiffe aus Venedig zu verbannen, hat es schon einmal gegeben, im Jahr 2014. Dieser Beschluss wurde damals nach wenigen Monaten von einem Verwaltungsgericht für ungültig erklärt, angeblich weil er keine Alternativen aufzeigte. Und wer weiß, was in drei oder vier Jahren sein wird, wenn Minister Delrio vielleicht nicht mehr im Amt und "Mose", der hydraulische Damm an den Zufahrten zu Venedigs Lagune, dessen Fertigstellung ursprünglich für 2016 angesetzt worden war, womöglich immer noch nicht in Betrieb sein wird? Der Damm soll unter anderem die schlimmsten Überschwemmungen verhindern. Dafür, die Riesenschiffe von Venedig fernzuhalten, war er ohnehin nie vorgesehen.

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