Vattenfall und Krümmel:Hier trommelt der Chef: "Ich bin da! Basta!"

Auftritt mit Rumpelfaktor: Vattenfall-Europe-Chef Hatakka erklärt entnervt, warum die Atom-Panne in Krümmel ein "Null-Ereignis" sei.

Thorsten Denkler, Berlin

Die ganze Situation scheint ihm nicht zu gefallen. Hier zu sitzen, in einem übervollen Konferenzraum der Europa-Zentrale in Berlin. Vor sich lauter Journalisten, neugierig, mit bohrenden Fragen. Tuomo Hatakka nimmt erst mal einen großen Schluck Wasser.

Vattenfall-Europachef Tuomo Hatakka  AFP

Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka während seines Berliner Auftritts

(Foto: Foto: AFP)

Er ist Europachef des schwedischen Pannen-Energiekonzerns Vattenfall. Hatakka beginnt, nachhaltig mit den Fingerknöcheln auf den Tisch zu klopfen. Takka, takka, takka, takka macht es beständig. Und sein Kommunikationschef Andreas Breitsprecher lobt sehr breit die eigene Arbeit.

Kommunikative Schadensbegrenzung

PR im Stakkato: Der Vorfall im norddeutschen Atomkraftwerk Krümmel an der Elbe vom vergangen Samstag sei "umgehend und zügig" kommuniziert worden. Die Öffentlichkeit sei "kontinuierlich umfassend" informiert worden. "Wir wollen schonungslos aufklären, den Sachstand und die Fakten offenlegen", sagt Breitsprecher.

Er rückt dem Mikrofon gefährlich nahe. Hatakka klopft immer noch.

Wer dem Europachef dann zuhört, der kann den Eindruck gewinnen, der ganze Vorgang sei im Grunde nicht der Rede wert. Die Erklärung der technischen Vorgänge überlässt er ohnehin dem Chef der deutschen Vattenfall- Nuklearsparte, Ernst Michael Züfle. Der war in den vergangegen Tagen schon oft im Fernsehen zu bewundern.

Hatakka beschränkt sich, ganz Manager, auf eine Kernbotschaft: Ich und wir sind handlungsfähig.

Die Vorgänge im AKW Krümmel hätten "oberste Priorität"; er selbst habe sich "sofort persönlich um die ersten Schritte gekümmert". Das Unternehmen habe "schnell gehandelt" und "sofort mit der Aufklärung der Vorgänge begonnen", bilanziert Hatakka. Es ist die Bilanz eines Selbstgewissen, der meint, alles richtig zu machen.

Am kommenden Samstag sollen die Bürger des schleswig-holsteinischen Fleckens Geesthacht, dem Krümmel-Standort, zu einer Informationsveranstaltung eingeladen werden. Im Übrigen handele es sich bei dem Kurzschluss nach atomrechtlichen Vorgaben um ein "Null-Ereignis", so der Chef.

Im gut frequentierten, etwas stickigen Konferenzraum geht es Hatakka an diesem Vormittag vor allem um kommunikative Schadensbegrenzung. Natürlich sei die Beunruhigung der Bevölkerung berechtigt: "Ich kann mich dafür nur entschuldigen." Der Vorgang sei ein "herber Rückschlag" für das Unternehmen, der "negative Auswirkungen" auf das Image habe. Es bleibe ein langer Weg, diesen Imageschaden wieder zu beseitigen. Und noch einmal: Es bleibe "festzuhalten, dass Fehler gemacht wurden".

Eine Frage von "Leadership"

Entspannt wirkt Hatakka nach diesem Kotau nicht. Einer fragt, warum Vattenfall-Konzernchef Lars Göran Josefsson nicht zu dieser Pressekonferenz gekommen sei. Hatakka beugt sich vor und knetet seine Finger, als wolle er noch das letzte bisschen Blut aus den Adern pressen.

"Ich bin hier!", rumpelt er ins Mikrofon. "Wir sind verantwortlich!", setzt er nach. "Und Basta!" Es scheppert regelrecht in den aufgestellten Lautsprechern.

Andere Fragen, etwa nach der fachlichen Befähigung Vattenfalls als Betreiber von Atomkraftwerken, blockt Hatakka scharf ab. "In diesen Zeiten muss man Leadership, Führungsstärke beweisen", sagt er unwirsch - ganz so, als ließen sich damit alle Probleme lösen. Er jedenfalls sehe "keinen Grund, unsere Fähigkeiten in Frage zu stellen".

Genau das aber macht derzeit die schwedische Regierung: Sie verlangt vom Vattenfall-Konzern dessen nukleares Sicherheitssystem zu optimieren. Er sei damit einverstanden, sagt Hatakka - womit er indirekt eingesteht, dass es offenbar Optimierungsbedarf gibt.

Die Ereignisse, die Hatakka mit "Vorgängen" umschreibt, haben zumindest im Hamburger Raum für nicht unerhebliche Besorgnis gesorgt. Schließlich hatte sich der Reaktor des AKW Krümmel selbst abgeschaltet, weil es einen Kurzschluss in einem Transformator gab. Von jetzt auf gleich fehlten 1200 Megawatt Strom. Vor allem im Hamburger Raum hat es einen massiven Spannungsabfall gegeben. Ampeln fielen aus, Bänder standen still.

Ohne Transformator kann der produzierte Strom nicht in Netz geleitet werden. Darum schaltet sich der Reaktor umgehend ab, wenn ein Transformator ausfällt. Ziemlich genau der gleiche Vorfall hatte vor zwei Jahren Krümmel stillgelegt. Damals ist der Transformator AT01 nach einem Kurzschluss in Flammen aufgegangen. Diesmal traf es Transformator AT02. "Höhere Gewalt" sei das gewesen, sagt Hatakka.

Viele offene Fragen

Erst Mitte Juni diesen Jahres durfte Krümmel nach einer umfangreichen Sanierung wieder anfahren. Der Zwillings-Transformator wurde dabei nach mehreren Tests als voll einsatzfähig eingestuft. Was er wohl doch nicht war. Jetzt sollen neue Transformatoren für Krümmel angeschafft werden. Und Frank-Walter Steinmeier, SPD-Kanzlerkandidat, fordert die totale Abschaltung von Krümmel.

Viele Fragen bleiben offen. Hat es sich bald ausgekrümmelt? In dem jetzt beschädigten Transformator sollte schon längst ein Online-Überwachungssystem eingebaut werden. Das war der Plan. Er wurde nicht umgesetzt. Warum, das weiß Nuklear-Chef Züfle nicht zu sagen. Nur, dass der verantwortliche Kraftwerksleiter inzwischen seinen Hut nehmen musste.

Kostengründe seien es jedenfalls nicht gewesen. So ein System würde höchstens einige zehntausend Euro kosten. Aus Sicht eines Kraftwerksbetreibers wenig Geld, versichert Züfle. Es sei nicht mal klar, ob mit dem System der Kurzschluss hätte verhindert werden können.

Ebenso unklar ist, warum kaum zwei Wochen nach dem Hochfahren des Reaktors plötzlich schadhafte Brennelemente im Reaktor aufgetaucht sind, die zu leicht erhöhter Radioaktivität im Reaktorkern geführt haben. Mitte Juni seien sich die Verantwortlichen sicher gewesen, dass es keinen solchen Brennelementeschaden gegeben habe. Das werde jetzt geprüft, versichert Züfle.

Rätselhafter Ausfall des Kühlkreislaufs

Der planmäßige Druckabfall im Reaktor nach der Schnellabschaltung habe lediglich dazu geführt, dass der Schaden "detektierbar" geworden sei, sagt Züfle. Derzeit werde der Reaktorkern auf seine Öffnung vorbereitet. Dann werde jeder einzelne der gut 80.000 Brennstäbe untersucht und - falls schadhaft - ausgetauscht.

Rätselhaft bleibt auch der vierstündige Ausfall des Kühlkreislaufs nach der Schnellabschaltung. Der Grund sei eine "schwergängige Armatur" für das Reinigungssystem des Reaktorwassers gewesen, so Züfle. Und das nach angeblich intensivster zweijähriger Überprüfung der gesamten Anlage.

Die ganze Pannenserie kostet Geld, viel Geld. Allein der Stillstand von Krümmel verursacht Einnahmeausfälle von einer Million Euro pro Tag. Die weiteren Kosten für Reparatur, neue Transformatoren und für Untersuchungen will Hatakka nicht beziffern.

Es wird also weiter geschraubt in Krümmel. Wann der Chaos-Reaktor wieder ans Netz geht, kann Manager Züfle an diesem Tag nicht sagen. Entscheidend werde sein, wann die Transformatoren geliefert werden können. Das könne einige Monate dauern.

Für eine endgültige Abschaltung jedenfalls, so wie vom Bundesaußenminister aktuell gefordert, sieht Europa-Chef Hatakka keinen Grund: "Krümmel ist sicher", verkündet er. In der Politik wird das zunehmend anders gesehen.

Die Schleswig-Holsteiner wählen 2010 ihren Landtag: Kaum vorstellbar, dass sich in der Zeit ein Politiker der Kieler CDU-SPD-Koalition für Krümmel in Zeug legen wird.

Da kann der Vattenfall-Chef noch so viel trommeln.

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