Vatikan und Holocaust-Leugner:Der rätselhafte Papst

Ein Papst sollte die Kirche nicht nur nach innen einen, sondern auch nach außen Brücken bauen - Papst Benedikt XVI. jedoch widerlegt gerade seine ehemals programmatischen Werte.

Stefan Ulrich

"Wir können nicht in den Kopf des Papstes sehen", sagen die italienischen Rabbiner. Den Katholiken geht es genauso. Selbst Geistliche, die loyal zu ihrem Pontifex stehen, sprechen von Ernüchterung, Verunsicherung und Enttäuschung.

Vatikan und Holocaust-Leugner: Polarisiert, statt den Weg zu weisen: Papst Benedikt XVI.

Polarisiert, statt den Weg zu weisen: Papst Benedikt XVI.

(Foto: Foto: dpa)

Sie rätseln, warum Benedikt XVI. vier reaktionäre, seit langem exkommunizierte Bischöfe wieder in die Kirchengemeinschaft aufnimmt, darunter einen Mann, der den Holocaust leugnet. Wie schon einmal, nach der Regensburger Rede im September 2006 mit ihrem islamfeindlichen Zitat, fragt sich die Welt: Was treibt diesen Papst? Wohin führt er seine Kirche?

Altgediente Ratzinger-Kritiker antworten, der Papst sei eben ein verknöcherter Mann, der den Vatikan in einen dogmatischen Elfenbeinturm verwandele und die Öffnung der Kirche zur Welt verweigere. Wer das verkannt habe, sei naiv gewesen.

Tatsächlich müssen sich jetzt alle verunsichert fühlen, die Benedikt XVI. nach der Papstwahl vor vier Jahren freudig begrüßten - aller Bedenken zum Trotz. Viele glaubten, Joseph Ratzinger werde als Papst offener und großherziger agieren denn als "Panzer-Kardinal". Dieser Glaube wankt.

Vier Dinge sind es, die die Versöhnung mit den Lefebvre-Bischöfen so anstößig machen: Erstens kommt der Papst den Erzkonservativen entgegen, obwohl sie keine Vorleistungen erbringen.

Normalerweise verlangt die Kirche von Schismatikern Unterwerfung. Davon kann bei den Lefebvre-Bischöfen keine Rede sein. Es ist ungewiss, ob sie je den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils folgen werden, das die Kirche modernisiert und auf eine Verständigung mit den anderen Religionen eingeschworen hat.

Zweifel an der Treue Benedikts zum Konzil

Warum also verhält sich Benedikt so großzügig zu den vier Bischöfen? Das passt nicht zu der Strenge, mit der er sonst Menschen behandeln lässt, die anderer Meinung sind. So verweigerte seine Kirche vor zwei Jahren einem Italiener die Bestattung, weil der unheilbar kranke Mann um Sterbehilfe gebeten hatte.

Zweitens ließ Benedikt seine Aussöhnung mit den Feinden des Konzils exakt an dem Wochenende veröffentlichen, an dem sich die Ankündigung des Konzils zum 50. Mal jährte.

Das kann kein Zufall sein und weckt Zweifel an der Treue des Papstes zum Konzil. Drittens vergiftet der Beschluss so kurz vor dem Holocaust-Gedenken an diesem Dienstag das ohnehin schwierige Verhältnis der Kirche zum Judentum.

Der rätselhafte Papst

Denn die Lefebvristen hintertreiben traditionell die Aussöhnung. Am Schlimmsten aber wirkt, viertens: Einer der Bischöfe ist seit Jahren ein Holocaust-Leugner. Der Papst und seine Berater mussten das wissen. Benedikt hob die Exkommunikation also auf, obwohl klar war, welch schlimmes Zeichen er damit setzte.

Zwei Erklärungen bieten sich dafür an: Entweder kam es wieder mal zu einem Betriebsunfall im Vatikan, wie offenbar damals, als Benedikt in seiner Regensburger Rede die Muslime erzürnte. Sollte dem so sein, wäre der Papst miserabel beraten, was nicht von seinem Personalgespür zeugte. Die andere Erklärung ist noch schlimmer.

Danach wäre dem Papst die Eintracht mit einer erzkonservativen Splittergruppe wichtiger als das Verhältnis zum Judentum und zu den moderaten, der Moderne zugewandten Kräften in seiner eigenen Kirche.

Betriebsunfall oder bewusste Bevorzugung?

Knapp vier Jahre nach dem Antritt Benedikts bietet sich so ein verwirrendes Bild seines Pontifikats: Da sind positive, versöhnliche Gesten wie seine Begegnung mit dem Kirchenkritiker Hans Küng, sein Gedenken in der Blauen Moschee zu Istanbul und die Pläne für eine Reise im Mai nach Israel.

Und da sind rückwärtsgewandte Signale wie das Zitat in der Regensburger Rede, sein übertriebener Einsatz für die lateinische Messe und jetzt die Lefebvre-Versöhnungs-Aktion. Das Faible des Papstes für alte Hüte wie den Hermelin-besetzten Camauro, wirkt da programmatisch.

Joseph Ratzinger scheint sich immer noch schwerzutun, seine Rolle als Papst zu finden. Er war in seinem früheren Berufsleben zunächst ein Kirchenlehrer, dann, als Chef der Glaubenskongregation, ein Kirchenwächter. So wirkte er über Jahrzehnte vor allem nach Innen und versuchte, die katholische Kirche fest zusammenzuhalten und dogmatisch zu stärken. Darin sieht er bis heute seine Mission.

Von einem Kirchenführer wird aber mehr verlangt als von einem Lehrer und Wächter. Ein Papst wirkt mit dem, was er tut, in die ganze Welt. Er spielt eine globalpolitische Rolle, zumal nach einem großen Vorgänger wie Johannes Paul II. Es reicht daher nicht, wenn Benedikt den eigenen Weinberg hinter den vatikanischen Mauern bestellt. Er ist der Pontifex, er muss die Brücken bauen, zu anderen Konfessionen, anderen Religionen und zu denen, die nicht glauben.

Ab und an schien der Papst dies zu akzeptieren, in den Monaten nach der Regensburger Rede etwa, als er den Dialog mit dem Islam vorantrieb. Dann wieder zog er sich in seine alte Lieblingsrolle zurück. Mag sein, dass nun wieder eine Phase der Öffnung folgt, gekrönt von einer Reise nach Jerusalem.

Die spektakuläre Aufwertung der Erztraditionalisten aber kann Benedikt nicht mehr vergessen machen. Sie bestätigt die Kritiker, erschüttert viele Anhänger und legt sich als unheimlicher Schatten auf das Pontifikat.

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