Katholische Kirche:Bischöfe wenden in Rom Stopp der Reformdebatte ab

Katholische Kirche: Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (li.), beim Gespräch mit Franziskus am Donnerstag im Apostolischen Palast. Zum Treffen am Freitag war der Papst nicht mehr erschienen.

Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (li.), beim Gespräch mit Franziskus am Donnerstag im Apostolischen Palast. Zum Treffen am Freitag war der Papst nicht mehr erschienen.

(Foto: Matthias Kopp/dpa)

Kurienkardinäle wollten dem Synodalen Weg eine Auszeit verordnen. Die deutschen Bischöfe haben das gerade noch verhindert. Aber der Widerstand in Rom bleibt. Franziskus selbst war zu der Debatte nicht erschienen.

Von Annette Zoch

Das war knapp: Der Synodale Weg, die Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, stand wohl kurz vor dem faktischen Aus. Bei einem mehrstündigen Treffen zwischen den deutschen katholischen Bischöfen mit Vorsitzenden der Kurienbehörden im Vatikan war am Freitag über ein Moratorium für den Synodalen Weg diskutiert worden. Das teilten die Deutsche Bischofskonferenz und der Heilige Stuhl mit. Das geforderte Einfrieren hätte vermutlich das Ende bedeutet für den Reformprozess.

Doch die deutschen Bischöfe konnten das noch abwenden - und so war es rückblickend wohl sogar hilfreich, dass Papst Franziskus dem Treffen am Freitag ferngeblieben war. Als "Glücksfall" bezeichnete den Umstand sogar Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. So habe man offen und kontrovers diskutieren können.

Bereits am Donnerstag hatte der Papst zwei Stunden lang im Apostolischen Palast mit den deutschen Bischöfen gesprochen. Als Gastgeschenk hatten sie Schlafsäcke dabei - was aber nicht als Kritik an vatikanischer Verschnarchtheit zu werten war, sondern als symbolische Unterstützung des päpstlichen Engagements für Obdachlose gedacht war.

Offen und herzlich sei das Treffen gewesen, der Synodale Weg sei aber nur eines von vielen Themen gewesen. Mit seinem Kommen zum sogenannten interdikasterialen Treffen am Freitag war deshalb fest gerechnet worden, auch angesichts der Brisanz des Synodalen Wegs. Interdikasteriale Treffen sind generell sehr selten bei Ad-Limina-Besuchen. Doch dass Franziskus dann einfach nicht aufgetaucht war, hatte zunächst Irritationen ausgelöst.

Priesterweihe für Frauen ist eine rote Linie

"Der Papst ist ein schlauer Jesuit. Der hat uns mal untereinander als Brüder ringen lassen", sagte Bätzing am Samstagmorgen in Rom. Für den Bischof von Limburg und seine deutschen Mitbrüder war es eine anstrengende Woche. Von Montag bis Freitagabend waren sie im Vatikan, zur kirchenrechtlich alle fünf Jahre verpflichtenden "Visitatio ad limina apostolorum", dem "Besuch an den Türschwellen" der Apostelgräber, inklusive Berichterstattung an die Kurie über die Lage der katholischen Kirche in Deutschland. "Herausfordernd" sei es gewesen, sagt Bätzing.

Denn der Synodale Weg ist den Kurialen ein Dorn im Auge, der Vatikan fürchtet um die Einheit der Kirche und einen Sonderweg aus dem Land, das schon einmal eine Kirchenspaltung hervorgebracht hat. Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch hatte sich jüngst sogar zu einem Nazi-Vergleich verstiegen, auch Papst Franziskus steht dem Prozess ausgesprochen skeptisch gegenüber. Seitens der Kurie habe es "klare Ansagen" gegeben, die man ernst nehme, sagte Bätzing.

Zu den roten Linien, die aus Sicht der Kurienchefs nicht überschritten werden dürften, zähle die Frage der Priesterweihe von Frauen. Kritisch gesehen werden Forderungen nach Veränderungen beim Zölibat oder der Sexuallehre. Keine offizielle Stellungnahme des Vatikans gab es zum in Deutschland geplanten "Synodalen Rat", einem dauerhaften Leitungsgremium zwischen Bischöfen und Laien - auch wenn dieses in Rom ebenfalls sehr skeptisch gesehen wird.

In seiner Rede vor den Kurienchefs kritisierte Bätzing, dass Laien in Rom nach wie vor nicht gehört würden: "Ehrlicherweise muss ich sagen: Bei diesem Gespräch fehlen wesentliche Personen und Träger des Synodalen Weges in unserem Land. Denn wir Bischöfe sind Teil einer Synodalversammlung mit 230 Personen - Gläubige, die sich mit großem Engagement für ihre Kirche einsetzen." Die Laien machten den größten Teil des Gottesvolkes aus, an der katholischen Basis in Deutschland sei der Druck groß. "Das Volk Gottes in Deutschland ist ungeduldig und drängt auf Veränderungen", sagte Bätzing.

Kritik übte er auch daran, dass Franziskus in seinem "Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland", den er zu Beginn des Synodalen Wegs veröffentlicht hatte, keinerlei Bezug nimmt auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.

Dieser sei Ausgangspunkt für den Synodalen Weg und "alle Bemühungen um Evangelisierung werden wenig fruchten, wenn nicht zuvor radikale Ehrlichkeit über Fehler und systemische Mängel in unserer Kirche dazu führen, konsequent, strukturell und bis hinein in die kirchliche Praxis und Lehre nach Umkehr und Erneuerung zu suchen", sagte Bätzing. Auch die bisherigen Strukturen in der katholischen Kirche hätten zum Missbrauch geführt. "Mich erstaunt schon der Eindruck aus einigen Gesprächen der vergangenen Tage, dass dies nicht alle unsere Gesprächspartner teilen."

Der Passauer Bischof Stefan Oster forderte nach dem Treffen, die "römischen Interventionen" müssten im Fortgang des Synodalen Wegs berücksichtigt werden, damit dieser weitergehen könne. Auch in den Debatten über den Fortgang der Ökumene habe man "deutlichen Widerspruch" zu jüngeren Vorschlägen aus Deutschland gehört -konkret zu dem katholisch-evangelischen Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" von 2020, in dem es um wechselseitige Einladungen zu Eucharistie und Abendmahl geht.

Es ging auch um Kardinal Woelki

Während ihres Besuchs sprachen die deutschen Bischöfe auch die Situation im Erzbistum Köln an, sowohl bei Papst Franziskus selbst als auch beim Präfekten der Bischofskongregation, Marc Ouellet. Man habe deutlich gemacht, dass die Situation zunehmend unerträglich werde, auch für Woelki selbst, sagte Bätzing. Woelki war bei dem Treffen dabei. Die Haltung des Papstes, nicht unter Druck zu entscheiden, führe letztendlich zu noch mehr Druck. Der Papst habe aber nicht gesagt, wann und wie er über Woelkis Zukunft entscheiden werde.

Franziskus liegt seit geraumer Zeit ein Rücktrittsgesuch Woelkis vor, das zu verfassen er den Kardinal selbst gebeten hatte - als Folge einer beispiellosen Vertrauenskrise im Erzbistum wegen Woelkis Umgangs mit der Missbrauchsaufarbeitung. Inzwischen ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft gegen den Erzbischof, es besteht der Verdacht, dass er in der Frage, wann er von Missbrauchsvorwürfen gegen einen prominenten Priester wusste, eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben soll.

Bätzing sagte, er fahre aus Rom dennoch "mit einer gewissen Erleichterung" nach Hause: "Weil wir Themen benannt haben und niemand sagen kann, er hätte davon nichts gehört oder sich nicht äußern können". Er fahre aber auch "mit einer gewissen Sorge, weil ich noch nicht abschätzen kann, welche Dynamik die synodalen Prozesse entfalten. Aber vielleicht ist diese Spannung gut: Erleichterung und Sorge."

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