Vatikan:Papst warnt: Erde wird zu riesiger Müllhalde

Franziskus fordert in seiner neuen Enzyklika zur Umwelt ein Ende der Wegwerfkultur und einen neuen Lebensstil, der die Ressourcen besser schützt - das alles sehr zum Ärger konservativer Kirchenkreise.

Von Stefan Ulrich

Papst Franziskus prangert in seiner neuen Enzyklika die Ausbeutung der Natur zum Schaden von Milliarden Menschen an und fordert ein Ende der Wegwerfkultur und einen neuen Lebensstil, der auf mehr Mäßigung statt mehr Wachstum setzt. "Die Erde, unser Haus, verwandelt sich immer mehr in eine riesige Müllhalde", heißt es in einem Entwurf der Umwelt-Enzyklika. Sie wurde jetzt vorab und gegen den Willen des Vatikans auf der Internet-Seite des italienischen Magazins Espresso veröffentlicht - offenbar stecken Franziskus-Gegner dahinter.

Der Papst betont in dem Lehrschreiben namens "Laudato si - Über die Sorge für das gemeinsame Haus" die sozialen Folgen der Umweltzerstörung. Die Armen hätten darunter besonders zu leiden. So löse die vom Menschen bewirkte Erderwärmung Flüchtlingskatastrophen mit aus. Die Leiden unzähliger, vom Wohlstand ausgeschlossener Menschen würden als "Kollateralschaden" abgetan. Trinkwasser werde als Ware den Marktgesetzen unterworfen. Leider würden auch gläubige Menschen all diese Probleme leugnen oder blind auf technische Lösungen vertrauen.

Das päpstliche Rundschreiben zur Umwelt, das erst an diesem Donnerstag offiziell vom Vatikan in Rom vorgestellt wird, wendet sich nicht nur an die katholische Kirche, sondern an "alle Menschen guten Willens", wie der Papst laut Entwurf schreibt. Franziskus wirft den Menschen vor, sie handelten so, als seien sie "Besitzer und Herrscher" der Natur. Statt die Umwelt als Schöpfung Gottes zu schützen, werde sie der Technologie und der Finanzwelt untergeordnet. Die Menschheit müsse endlich ihre Art zu leben, zu produzieren und zu konsumieren, verändern. Sonst werde es in diesem Jahrhundert zu einer beispiellosen Zerstörung der Ökosysteme kommen.

Die vorzeitige Veröffentlichung des Entwurfs im Magazin Espresso löste im Vatikan Empörung aus. Bernd Hagenkord, einer der Leiter von Radio Vatikan, sprach von "Sabotage", die offenbar ein Vatikan-Mitarbeiter begangen habe, um dem Papst zu schaden und die Botschaft der Enzyklika zu verwässern. Hagenkord sagte der Süddeutschen Zeitung, die Reformfreude des Papstes mache viele Leute nervös. "Die wehren sich jetzt." Ein anderer Vatikan-Bediensteter sagte, ein Teil der Kirchenhierarchie habe Probleme mit diesem Papst und wolle ihn bremsen. Auch habe es bei den Arbeiten an der Enzyklika viel Widerstand von Gruppen in den USA gegeben, die den Aufruf des Papstes zu Klimaschutz und Konsumverzicht ablehnten.

Papst-Sprecher Federico Lombardi kritisierte in Rom die unautorisierte und vorzeitige Veröffentlichung des Entwurfs scharf. Zugleich verbannte er den dafür verantwortlichen Journalisten, einen der bekanntesten Vatikanisten Italiens, auf unbestimmte Zeit aus dem Pressesaal. Der Vatikan befürchtet, durch die vorzeitige Publikation könnte die Wirkung der Enzyklika verpuffen. Dem Papst werde dadurch die Möglichkeit genommen, seinen Text bei der Vorstellung richtig erläutern zu lassen.

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