Vatikan:Der Termin liegt allein in Gottes Hand

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Mehr oder weniger diskret positionieren sich Kardinäle für die Nachfolge des kranken Papstes.

Von Christiane Kohl

Es ging wohl doch nicht ohne den Papst. Zum ersten Mal in seinem nun schon über 26 Jahre währenden Pontifikat sollte Johannes Paul II. an diesem Sonntag nicht persönlich das Angelusgebet halten. Entsprechend war auf dem Vorplatz des Petersdoms um Punkt 12 Uhr auch Monsignor Leonardo Sandri ans Mikrofon getreten, um die Worte des Papstes vorzutragen.

Johannes Paul zeigt sich am Fenster seines Krankenzimmers in der Gemelli-Klinik. (Foto: Foto: Reuters)

Kaum hatte der 57-jährige Sandri, der im Vatikan als eine Art Innenminister fungiert, jedoch die Lesung beendet, da öffneten sich im zehnten Stock der Gemelli-Klinik, die ein paar Kilometer entfernt vom Vatikan liegt, die Jalousien. Wenig später war der Papst hinter dem Fensterglas zu sehen: Den Kopf hielt er etwas stärker nach rechts geneigt als sonst, doch er winkte ohne Mühen den Gläubigen zu, die ihn vom Parkplatz der Klinik oder via TV-Übertragung beobachten konnten.

So richteten sich mal wieder alle Augen auf den Heiligen Vater. Noch interessanter war freilich, wer neben ihm stand: Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, der zweite Mann im Vatikan. Auch er versuchte, wenn auch noch etwas unbeholfen, den Gläubigen zuzuwinken, und er achtete tunlichst darauf, stets mit im Bild zu bleiben.

Als Chef des Kardinalstaatsekretariats, das praktisch die Regierung des Kirchenstaates darstellt, ist der 77-jährige Piemonteser eine Art Premierminister im Vatikan. Er regiert das katholische Weltreich im administrativen Sinne, schreibt Briefe an Staatsmänner in aller Welt und empfängt politische Besucher. Wenn der Papst mal unpässlich ist, übernimmt er auch wichtige liturgische Zeremonien, wie die österliche Fußwaschung vor zwei Jahren.

Bislang wirkte Sodano stets sehr diskret. Seitdem es aber, bedingt durch die Krankheiten des Papstes, immer ungewisser wird, wer an der Spitze des Kirchenstaates gerade das Sagen hat, scheint der Kardinal, dem als Sohn eines Parlamentsabgeordneten einiges politisches Gespür nachgesagt wird, mehr und mehr darauf bedacht zu sein, auch sich selbst ins rechte Licht zu setzen.

Denn es gibt noch andere Herren, die in diesen Tagen bemüht sind, ihren Einfluss auszuweiten. Da ist beispielsweise Giovanni Battista Re, der die wichtige Bischofskongregation leitet, gleichsam die Personalabteilung der Weltkirche. Der 70-jährige Lombarde gilt als blitzgescheiter, sehr effektiver Kardinal. Seinen Ehrgeiz kann er freilich kaum verbergen.

Sodano und Re sind keine guten Freunde. Erst vor wenigen Wochen, während des ersten Klinikaufenthaltes von Johannes Paul, lieferten sie sich einen öffentlichen Zank. Sodano war durch eine missverständliche Bemerkung ins Gerede gekommen: Ob der Papst zurücktreten werde, solle man dem lieben Gott überlassen, hatte der Kardinal erklärt, was einige Pressevertreter prompt als Rücktrittsaufforderung interpretierten.

Daraufhin schimpfte Re über die unvorsichtigen Bemerkungen einiger Vatikankollegen, womit er zweifelsohne Sodano meinte. So gibt es immer mal wieder Reibereien zwischen den wichtigen Männern im Vatikan. Zwei, die sich aus solchem Gezänk heraushalten, und trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) größten Einfluss haben im Vatikan, sind die Kardinäle Camillo Ruini und Joseph Ratzinger.

Der Chef der italienischen Bischofskonferenz Ruini, der zugleich Generalvikar des Papstes in dessen Amt als Bischof von Rom ist, hat durch seine ruhige Art viele Sympathien gewonnen. Im Krankenzimmer des Papstes gehört er stets zu den Ersten, die empfangen werden. Noch zurückhaltender gibt sich Ratzinger in diesen Tagen.

Dabei kann man gewiss sein, dass er ganz nah am Ohr des Papstes ist. Als Dekan der Kardinäle wird ihm eine Schlüsselrolle zukommen, wenn die wichtigste Kardinalsversammlung der nächsten Jahre einberufen wird: das Konklave, in dem der neue Papst gewählt werden wird. Doch die Terminplanung, das hat der Papst immer wieder betont, liegt allein in Gottes Hand.

© SZ vom 28.02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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