Vatikan:Denn sie wissen nicht, was sie tun

Papst Franziskus kritisiert, dass viele kirchliche Ehen leichtfertig oder wegen einer Schwangerschaft geschlossen werden. Ein Vorwurf, der sich auch an die Kirche selbst richtet.

Von Oliver Meiler, Rom

Papst Franziskus hat mit einer Aussage zur "Kultur des Provisorischen" im Allgemeinen und zum Umgang mit der Ehe im Besonderen für Aufregung gesorgt - auch im Vatikan selbst. Bei einer Konferenz des Bistums Rom, dem er vorsteht, sagte er am Donnerstagabend in der Basilika San Giovanni in Laterano, "eine große Mehrheit" der kirchlich geschlossenen Ehen sei ungültig. Es gibt eine Videoaufnahme der Passage, Franziskus sagt darin deutlich "grande maggioranza". Er begleitete die Äußerung mit einem sanften Seufzer, der wohl sein Bedauern darüber unterstreichen sollte, dass viele Ehen hastig geschlossen würden, etwa infolge einer Schwangerschaft, und dass die Eheleute nicht genügend beraten seien.

"Sie sagen, sie hätten einen guten Willen, haben aber nicht das Bewusstsein dafür."

Es war nicht das erste Mal, dass Jorge Mario Bergoglio den Umgang mit dem Sakrament der Ehe kritisierte. Schon zu seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires kam das Thema immer wieder auf. Erstaunlich aber war seine quantitative Einschätzung der nichtigen Ehen. In der transkribierten Fassung seines Vortrags und der Antworten auf Fragen der Kongressteilnehmer, die der Heilige Stuhl am Freitag verbreitete, stand dann auch nicht mehr "große Mehrheit", sondern nur noch: "ein Teil". Und wie immer, wenn der Vatikan eine frei vorgetragene und viel beachtete Aussage dieses Papstes relativiert, bleibt die Frage, ob es nur ein Versprecher war oder ob Franziskus es genau so meinte, wie er es sagte.

Papst Franziskus

Spricht gerne frei: Jorge Mario Bergoglio.

(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Viele Partner, argumentierte der Papst, wüssten nicht, was sie sagten, wenn sie einander "Ja, mein ganzes Leben" versprächen. "Sie haben eine andere Kultur. Sie sagen, sie hätten einen guten Willen, haben aber nicht das Bewusstsein dafür." Daher sei das Versprechen, das sich viele junge Paare gäben, nur vorläufig. "Es gibt eine Krise der Ehe, weil sie nicht wissen, was das Sakrament ist, die Schönheit dieses Sakraments. Es ist ihnen nicht bekannt, dass es unauflöslich ist, dass es für das ganze Leben gilt."

Die Kritik richtete sich also nicht nur an leichtfertige Eheleute, sondern auch an das Kirchenpersonal, an die Priester, die junge Partner oftmals zur Ehe drängten, "wenn ein Baby kommt". Als Bischof habe er solche "Trauungen in Eile" verboten: "Weil dann sind sie (die Partner) nicht frei, sie sind nicht frei." Er habe die Erfahrung gemacht, dass die Chancen auf Eheglück größer seien, wenn Vater, Mutter und Kind nach zwei, drei Jahren mit dem Heiratswunsch in die Kirche kämen. "Dann wussten sie, was sie taten", sagte Franziskus. Es sei deshalb wichtig, dass die Priester die Paare in Kursen geduldig auf das Eheleben vorbereiten würden, statt sie zu drängen. So könnten sie reifen, und so könne die Treue wachsen. Der Papst räumte aber auch ein, dass die Ehe "das schwierigste Gebiet der Seelsorge" sei.

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