Vatikan:Das unbekannte Wesen

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Als Frau unter lauter Bischöfen: Die Vatikan-Journalistin Lucetta Scaraffia durfte an der Familiensynode teilnehmen - und zieht ätzend Bilanz.

Sie war eine von 32 - eine von 32 Frauen, unter den 300 Männern, die drei Wochen lang in Rom darüber berieten, was die katholische Kirche künftig über Ehe, Familie und Sexualität sagen sollte. Die meisten dieser Beobachterinnen äußerten sich hinterher dankbar, eingeladen worden zu sein - doch so etwas ist nichts für Lucetta Scaraffia, die sozusagen die Feminismus-Beauftragte im Vatikan ist: Die 67-jährige Historikerin ist verantwortlich für die Frauenbeilage der Zeitung O sservatore Romano.

Ihre Synoden-Bilanz hat sie allerdings in der französischen Zeitung Le Monde veröffentlicht; es ist ein ziemlich frecher Text darüber geworden, wie das ist, wenn Kirchenmänner Frauen begegnen. Radio Vatikan nennt den Text eine "teilweise ätzende Bilanz". Für eine Frau wie sie, die an einer staatlichen Universität "den Mai '68 und den Feminismus mitgemacht hat", seien die drei Synoden-Wochen schon "eine ungewöhnliche Erfahrung gewesen", schreibt sie. "Was mich bei den Kardinälen, Bischöfen und Priestern am meisten erstaunt hat, war ihre vollkommene Unkenntnis des Weiblichen, ihr unsensibler Umgang mit Frauen, die sie offenbar für minderwertig halten."

Viele Synodenväter hätten ein "deutliches Unbehagen" gegenüber Frauen verspürt, sie habe sich bestenfalls geduldet gefühlt: "Jede meiner Wortmeldungen ging ins Leere", schreibt sie. Als sie andere Frauen darauf angesprochen habe, habe sie gemerkt, dass die sich darüber wenig wunderten: "Für die war es offenbar normal, so behandelt zu werden". Immerhin sei das im Verlauf der Synode besser geworden. Die Geistlichen hätten sich an sie gewöhnt - am Ende sei sie "eine Art Maskottchen" gewesen.

32 Frauen unter 300 Männern - wahrgenommen fühlten sie sich als "Maskottchen"

Eher amüsiert hat sie die Sprache vieler Synodenväter, die bunt und blumig von den Freuden der christliche Ehe sprachen oder tapfer vermieden, das Wort "Sexualität" in den Mund zu nehmen und stattdessen von "Affektivität" redeten. Trotz allem klingt sie am Ende aber nicht mehr so negativ: Auf der Synode habe sich "ein tiefer Wandel" vollzogen. "Zu akzeptieren, dass die Ehe ebenso eine Berufung ist wie etwa das Ordensleben, ist ein großer Schritt nach vorn."

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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