Vaterschaftstest:Riskantes Recht auf Gewissheit

Zweifelnde Väter bekommen das Recht, ihre Vaterschaft zu klären. Gleichzeitig gehen sie das Risiko ein, mit der Gewissheit noch weniger leben zu können als mit der Ungewissheit.

Heribert Prantl

Das Bundesverfassungsgericht hat ein kluges Urteil verkündet: Es verweigert den heimlichen Vaterschaftstests jegliche rechtliche Wirksamkeit, akzeptiert aber das Recht zweifelnder Väter an der Klärung der Vaterschaft.

Das Grundgesetz gewährleistet dem Vater nicht nur ein Recht auf Kenntnis der wahren Vaterschaft, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts. Dieses Grundrecht des Vaters beinhaltet aber kein Recht auf Selbstjustiz, die er heimlich und verstohlen und nach eigenem Gusto im Genlabor durchsetzen kann.

Wenn er es bisher getan hat, dann auch deswegen, weil der Gesetzgeber es in verfassungswidriger Weise unterlassen hat, ein ordentliches Rechtsverfahren zur Verfügung zu stellen.

Bisher galt folgendes: Entweder der Mann ließ heimlich ein Gutachten erstellen, womit er den Rechten des Kindes zuwider handelte. Oder er schüttete das Kind mit dem Bade aus, indem er die Vaterschaft anfocht, und damit im Erfolgsfall die Verwandtschaft mit ihm beeendete.

Künftig finden die Zweifel einen ordentlichen Rechtsweg. Es muss nun ein "Vaterschafts-Feststellungsgesetz" gemacht werden, das den Vätern, die nach dem Gesetz als Vater gelten, aber an ihrer Vaterschaft zweifeln, einen neuen Rechtweg eröffnet.

Zweifelnde Väter können künftig also bei Gericht Gewissheit finden. Dieser Gewissheit folgt dann der viel schwierigere Umgang mit dieser Gewissheit. Wie soll, wie wird sich der Vater, der nun seine Nichtvaterschaft kennt, verhalten? Bei der Antwort hilft ihm weder das Gesetz noch das Bundesverfassungsgericht.

Das Risiko, mit der Gewissheit noch weniger leben zu können als mit der Ungewissheit, nimmt das Karlsruher Urteil dem Scheinvater nicht ab.

Wer ist echter Vater, wer ist falscher Vater? Es gehört zu den Urfragen des Rechts, hier, so gut es geht, für Rechtsfrieden und Rechtsklarheit zu sorgen. Die Vernunft der Beteiligten kann aber kein Gesetz der Welt ersetzen. Das Kind ging und geht im Streit zwischen Mann und Frau oft genug unter.

Das Märchen spiegelt, wie so oft, diese Wirklichkeit in besonderer Brutalität. Der ´Schwank vom Schneekind" stammt aus dem 11. Jahrhundert: Ein Ehemann, von langer Reise heimkehrend, wird von seiner Frau mit einem Kind überrascht, dessen Entstehen sie einer in ihren Mund geflogenen Schneeflocke zuschreibt. Jahre später kehrt der Mann von einer Reise, die er zusammen mit seinem Kind unternommen hat, allein zurück. Es sei, erklärt er seiner Frau, in der Hitze des Südens geschmolzen.

Dieses bittere Stück ist eine Chiffre dafür, was aus Enttäuschung, Eifersucht, Rache oder Furcht vor vermeintlicher Lächerlichkeit den Kindern angetan wird. Man wünscht sich, das höchste Gericht könnte auch hier mit einer klugen Entscheidung helfen. Aber diese Hilfe muss jeder selber leisten.

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