V-Mann berichtet:Verfassungsschutz kaufte Spiele von Zwickauer Neonazi-Zelle

Der Staat spielt mit: Der Verfassungschutz hat "Pogromly"-Spiele, eine "Monopoly"-Version mit Nazi-Emblemen, von dem Zwickauer Neonazi-Trio gekauft. Mit dem Spiel hat die Gruppe ihr Leben im Untergrund finanziert. Und das war offenbar nicht die einzige Unterstützung des Staats für die Terrorzelle.

Christiane Kohl und Hans Leyendecker, Erfurt

Geschmacklos ist gar kein Ausdruck für das Spielbrett, mit dem die Rechtsterroristen den Spiele-Klassiker "Monopoly" kopierten: Ein Totenkopf in NS-Uniform ziert das Spielfeld, Embleme von SS und SA kennzeichnen die Ereigniskarten, die Bahnhöfe tragen Namen von Konzentrationslagern. Die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nannten das Spiel "Pogromly". Mit dem Verkauf des selbstgebastelten Brettspiels, das etwa 100 Mark pro Stück kostete, finanzierte das Trio Ende der neunziger Jahre, während der ersten Zeit im Untergrund, einen Teil seiner Lebenshaltungskosten - und der Thüringer Verfassungsschutz finanzierte das Trio anscheinend mit.

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Demonstrierende Neonazis (Archivfoto): Immer mehr Details zur Zwickauer Neonazi-Zelle werden bekannt.

(Foto: dapd)

"Etwa zehn Spiele habe ich seinerzeit gekauft", erinnert sich ein ehemaliger V- Mann des Verfassungsschutzes. Mindestens vier Spiele, das bestätigte der Spitzel jetzt der Süddeutschen Zeitung, habe er seinerzeit an seinen Kontaktmann "beim Dienst" verkauft - "der hat mir einige abgenommen", berichtete der Mann der SZ, der jahrelang unter dem Decknamen "Otto" in der rechtsradikalen Szene für den Verfassungsschutz spionierte. Schon vor ihrem Untertauchen hätten die drei einen ersten Prototyp des Spiels entworfen, erinnert er sich.

Tatsächlich findet sich auch ein solches Spielbrett unter den Utensilien, welche die Ermittler bei der Durchsuchung in der Jenaer Garage am 28. Januar 1998 entdeckt hatten - dem Tag, als das Trio von der Bildfläche verschwand. Erst danach legten die drei offenbar eine kleine Serienproduktion des geschmacklosen Spiel auf. "Sie hatten ja genug Zeit dazu im Untergrund", meint "Otto", der von 1994 bis 2001 für den Thüringer Dienst tätig war.

2000 Mark für falsche Pässe

In seinem Wohnort in Südthüringen hat der einstige V-Mann in den vergangenen Wochen allerlei Besucher empfangen, die ihn über einstige Verbindungen zwischen der rechtsradikalen Thüringer Szene und dem untergetauchten Terror-Trio befragten. Dort dient ein eiskalter Wintergarten mit Wachstischdecke und Gummipalme als Besprechungsraum. Vertreter des Verfassungsschutzes sowie der jetzt ermittelnden Behörden sind hier bislang noch nicht erschienen. Doch man kann sicher sein, dass sie derzeit genauestens untersuchen, was "Otto" damals über mögliche Kontakte zwischen einzelnen Vertretern der rechtsradikalen Szene und dem Terror-Trio berichtete. Da ist zum Beispiel die Geschichte mit den falschen Pässen, die angeblich für die drei im Untergrund besorgt wurden. Sie taucht in alten Vermerken des Verfassungsschutzes und in den Erinnerungen einiger damals Beteiligter auf - freilich in etwas unterschiedlichen Versionen.

Nach einem Bericht der Bild am Sonntag soll ein Mitarbeiter des Thüringer Geheimdienstes mittlerweile eine direkte Geldzahlung der Behörde an das Neonazi-Trio eingeräumt haben: Demnach sollen im Jahr 2000 dem Spitzel "Otto" 2000 Mark übergeben worden sein; mit dem Geld sollten über einen oder mehrere Mittelsmänner falsche Pässe für das flüchtige Trio besorgt werden. Zuvor habe der Dienst Informationen bekommen, dass die drei Flüchtigen damals dringend Geld und neue Pässe bräuchten. Mit der Aktion habe man den Aufenthaltsort des Trios herausbekommen wollen. Letztlich sei die Aktion fehlgeschlagen, weil die Einwohnermeldeämter nicht eingebunden gewesen seien. All dies soll, laut Bild am Sonntag, ein Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes am 6. Dezember in einer Befragung durch Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Erfurter Landtag erklärt haben.

Die Aktion scheiterte

Was in der PKK geschieht, unterliegt der Geheimhaltung. Beim Thüringer Landesverfassungsschutz wollte man daher am Sonntag nicht direkt dazu Stellung nehmen. Allerdings erklärte ein Sprecher die Dinge etwas anders: So will der Dienst von einem ehemals hauptamtlichen Mitarbeiter erfahren haben, dass in 1998 oder 1999 tatsächlich der Versuch unternommen worden sei, "Kenntnis über Tarnidentitäten zum Zwecke der Ergreifung des Trios zu erlangen". Entsprechend habe das Amt über einen V-Mann 2000 Mark zur Beschaffung von Ausweispapieren an einen weiteren Mittelsmann geleitet. Die Sache sei gescheitert, weil dieser Dritte das Geld für sich selbst behalten habe.

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Die Doppelhaushälfte in der Zwickauer Frühlingsstraße, in dem die mutmaßlichen Serienmörder lebten, wurde Ende November abgerissen.

(Foto: dapd)

Mit dem V-Mann ist "Otto" gemeint. Dieser will die Version aus der PKK heute zwar "nicht explizit ausschließen". Seinen Erinnerungen zufolge verhielt sich die Sache allerdings anders. Demnach soll ein alter Kumpan des Terror-Trios aus Jenaer Tagen den Auftrag bekommen haben, Papiere für die drei zu besorgen: Die Rede ist von André K., der einst Mitglied der Jenaer Kameradschaft war, welcher auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe angehört hatten.

Der heute 36-jährige K. galt als enger Vertrauter des Jenaers Ralf Wohlleben, der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzt wegen des Verdachts, das Terror-Trio unterstützt zu haben. Ihm will der V-Mann "Otto" vor Jahren tatsächlich einige tausend Mark übergeben haben, um Pässe zu besorgen. Die Sache sei jedoch schief gegangen, K. habe behauptet, das Geld sei ihm aus dem Auto gestohlen worden.

Das wiederum soll Ralf Wohlleben, der als Kopf der Unterstützer des Trios galt, damals nicht geglaubt haben: Er verdächtigte offenbar André K., das Geld selbst eingesteckt zu haben. Wo auch immer welche Summe verschwand, sicher an der Geschichte scheint nur eins zu sein: Das Geld stammte offensichtlich vom Verfassungsschutz.

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