USA:Zwischen Erlösung und nächster Prüfung

Für Hillary Clinton ist es ein Geschenk, dass Vizepräsident Biden nicht antritt. Genießen kann sie das aber erst mal nicht.

Von Sacha Batthyany, Washington

Obwohl sich US-Vizepräsident Joe Biden gar nie im Wahlkampf befand, weil er offiziell nie sagte, für die Nachfolge Barack Obamas zu kandidieren, fühlte es sich in den vergangenen sechs Monaten immer wieder so an. Ständig wurde in den Medien darüber spekuliert, welche Themen er besetzen könnte, in vielen Umfragen kam er regelmäßig auf mehr als zehn Prozent der Stimmen, ohne auch nur einmal in einer Schule in Ohio oder bei einer lokalen Feuerwehr in New Hampshire aufgetreten zu sein, so wie Hillary Clinton oder Bernie Sanders das seit Wochen tun. Es gab die Gruppe "Draft Biden", die für ihn ein Logo entwarf, es gab T-Shirts, eine Webseite, alles, was die anderen Kandidaten auch haben - und je länger er sich mit einer Antwort zierte, desto sicherer waren die meisten Experten, dass er sich am Ende eben doch für eine Kandidatur entscheiden werde. Nun, es kam anders.

Für Hillary Clinton muss die Nachricht am Mittwoch eine Erlösung gewesen sein, war Bidens mögliche Kandidatur doch eines ihrer größten Hindernisse auf dem Weg zur Nominierung. Ein Reporter von ABC meinte spaßeshalber, er könne die Jubelschreie aus Clintons Wahlkampfzentrale in Brooklyn bis in die Hauptstadt hören. Tatsächlich zeigen alle Umfragen, dass eine Kandidatur Bidens ihr mehr geschadet hätte als jene von Senator Bernie Sanders, weil sich Clinton und Biden politisch so nahestanden, dass "oftmals kein Blatt Papier zwischen ihnen Platz gehabt hätte", wie es die Washington Post ausdrückte. Clinton fuhr zwar in außenpolitischen Fragen jüngst eine etwas härtere Linie als Obama und Biden, vielleicht aber auch nur, um sich vom Vizepräsidenten abzugrenzen, was nun nicht mehr nötig ist.

Den Amerikanern bleibt nun voraussichtlich ein hässlicher Wahlkampf erspart

Während Sanders vor allem in weißen, eher besser gebildeten und progressiveren Kreisen gut abschneidet, ist Clinton beliebt bei Schwarzen, Latinos und Moderaten, so wie Vizepräsident Joe Biden auch. Eine CNN-Umfrage zeigt, dass Clintons Rückhalt bei schwarzen Wählern in South Carolina ohne Biden von 59 auf 84 Prozent hochschnellt. Beide sprechen ein ähnliches Wählersegment an; eines, das schon Barack Obama zur Präsidentschaft verhalf und das Hillary Clinton nun wieder alleine besetzt — hinzu kommt ihr großer Rückhalt bei Frauen. Das Nachrichtenportal Politico berichtet, dass sich direkt nach dem Rückzieher Bidens Spender bei Clinton meldeten, die sich sonst offenbar für den Vizepräsidenten entschieden hätten.

Joe Biden und Hillary Clinton

Joe Biden bewirbt sich nicht für die Demokraten um das Weiße Haus. Hillary Clinton hätte mit ihm um dieselben Wählerschichten kämpfen müssen.

(Foto: Kevin Dietsch/dpa)

Gerade weil Hillary Clinton und Joe Biden in vielen Fragen übereinstimmen, hatten einige Experten bereits einen hässlichen Wahlkampf vorausgesehen, in dem es weniger um Themen gegangen wäre als um die Personen, um Fehler und Versäumnisse. "Auch diese Abnützung bleibt Clinton nun erspart", sagt etwa Joe Trippi, ein politischer Berater, "denn Bernie Sanders ist nicht der Typ, der plötzlich die Ellbogen ausfährt." Wie Trippi sehen nun viele einen "relativ entspannten Zweikampf zweier erwachsener Politiker" voraus, während sich die Bewerber auf republikanischer Seite, Bush und Trump etwa, zunehmend in Ränkespiele auf Kinderniveau verstricken.

Hillary Clinton befindet sich diesen Herbst in einer der besten Phasen ihres Wahlkampfes. Das erste Fernsehduell vergangene Woche in Las Vegas gab ihr Auftrieb, und Bidens Verzicht wird dies verstärken. Mit Spannung wurde deshalb ihr Auftritt vor dem Bengasi-Sonderausschuss am Donnerstag erwartet, der von amerikanischen Medien als Wendepunkt ihres Wahlkampfes hochstilisiert wurde. Mehrere Stunden lang wurde sie reihum von den zwölf Ausschussmitgliedern zu den Ereignissen am 11. September 2012 befragt, als vier Amerikaner in Libyen von einem Mob militanter Islamisten ermordet wurden, unter den Opfern Botschafter Chris Stevens. Im Vorfeld der Befragung war dem Ausschuss mehrmals vorgeworfen worden, die ganze Untersuchung hätte einzig zum Ziel, Clinton zu schaden. Nicht die Sicherheitsvorkehrungen rund um das US-Konsulat in Bengasi stünden im Vordergrund, wurde behauptet, sondern Clintons Fehlverhalten hinsichtlich des Gebrauchs eines privaten E-Mail-Servers. Ein Vorwurf an den Ausschuss, der sich allerdings im Laufe der Anhörung nicht bewahrheiten sollte. Vieles, womit man Clinton konfrontierte, war bekannt, insofern waren auch ihre Antworten nicht neu. Ja, sie habe von der Gefahr in Libyen gewusst, sagte sie, "die Fragen nach der Sicherheit der Menschen vor Ort aber überließ ich Profis, die sich seit Jahren um unsere Diplomaten in Krisengebieten kümmern". Abschließend erklären, warum sie auf die warnenden Depeschen von Chris Stevens, ihrem Freund, wie sie wiederholte, nicht einging, konnte Clinton nicht. Mike Pompeo, Abgeordneter aus Kansas, fragte sie, warum bis heute niemand für die Versäumnisse zur Rechenschaft gezogen wurde. Clinton antwortete wenig überzeugend, dass sich in Sicherheitsfragen sehr wohl Dinge verändert hätten; weiter ging sie nicht auf die Frage ein. Der Kritik, Clinton hätte wichtige Informationen über einen privaten Server verschickt, begegnete sie mit den Worten: "Auf meinem Tisch im Außenministerium stand nicht mal ein Computer." Als Außenministerin habe sie jeden Tag in Sitzungen mit den wichtigsten Leuten gesessen, E-Mails seien da Nebensache. Adam Smith, demokratischer Abgeordneter aus Washington DC, bezeichnete das Verhältnis seiner republikanischen Kollegen zu Clintons E-Mails als "Obsession". Viele der Kommentatoren bewerteten Clintons Auftritt vor dem Ausschuss als Erfolg. Sie habe Sachkenntnis bewiesen und sich "staatsmännisch" gezeigt. Die Kontroverse um ihre E-Mails aber habe sie nicht beenden können.

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