USA warten auf Obama:Unerträglich langsamer Wechsel

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Wenn wie derzeit eine Krise der anderen folgt, kann sich die Weltmacht USA ein Interregnum von fast einem Vierteljahr nicht leisten.

R. Klüver

Es ist ein Wechsel auf die Zukunft, den Barack Obama Anfang der Woche ausstellte, ausstellen musste. Tagelang hatte der gewählte, aber noch nicht amtierende Präsident Amerikas geschwiegen zum blutigen Geschehen im Gaza-Streifen. Nun brach er, vorsichtig, sein Schweigen.

Der eine würde gerne, aber darf noch nicht, der andere will nicht mehr, muss aber noch: Obama und Bush bei ihrem Treffen im Weißen Haus. (Foto: Foto: AFP)

Die vielen zivilen Toten in Gaza gäben Anlass zur Sorge. Er werde sich "effektiv und nachdrücklich" in die Friedensbemühungen einschalten. Das indes erst, wenn er seinen Amtseid ablegt und offiziell zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt ist: "Nach dem 20. Januar werde ich viel zu dem Thema zu sagen haben", versprach er.

Tatsächlich konnte einem die 76 Tage währende Spanne zwischen der Wahl des Präsidenten am 4. November und seinem Amtsantritt am 20. Januar diesmal länger vorkommen denn je. Das hängt zum einen mit dem Überdruss an George W. Bush und den mitunter übermenschlichen Erwartungen an seinen Nachfolger zusammen.

Zum anderen folgte eine Krise der anderen: der Crash der Wall Street und der Autoindustrie, der Terroranschlag von Mumbai und nun der Konflikt in Gaza. Die Weltmacht kann sich ein Interregnum von fast einem Vierteljahr nicht mehr leisten, in dem der amtierende Präsident weitgehend seiner Fähigkeit zum Handeln beraubt ist, der neue aber die Autorität des Amtes noch nicht besitzt. Ursprünglich war die Zeitspanne zwischen Wahl und Amtsantritt noch länger. Als Tag der Inauguration war der 4.März festgesetzt - das Zeitmaß war dem Tempo der Postkutsche und den desolaten Straßenverhältnissen der jungen Nation angepasst.

In den Krisenzeiten der Großen Depression Anfang der 30er Jahre des 20.Jahrhunderts erwies sich dann das Interregnum erstmals als zu lang: Es gab einen amtierenden Präsidenten, der nichts gegen die Krise tat, und einen gewählten Präsidenten, der darauf brannte zu handeln, es aber nicht durfte. Franklin Roosevelt zog damals die Konsequenz und setzte die Vorverlegung der Inauguration auf den 20. Januar durch.

Zügel fest in der Hand

Im schnelllebigen 21. Jahrhundert erweist sich indes auch diese Spanne als ziemlich lang. Dabei hat Barack Obama wie kein anderer seiner unmittelbaren Vorgänger die Zeit genutzt - auch um Politik zu machen. Ende November, Anfang Dezember verging kaum ein Tag, an dem er nicht ein neues Mitglied seiner Regierungsmannschaft vorstellte und so täglich in den Nachrichten zu sehen war.

Er drängte die Regierung Bush, die Autoindustrie zu stützen, und seine Partei im Kongress, bis zu seinem Amtsantritt ein Konjunkturpaket zu schnüren. Mit den Spitzen beider Parteien im Kongress hat er bereits verhandelt, im Kapitol zwar und nicht im Weißen Haus.

Aber das war auch das einzige Zugeständnis an die Tatsache, dass er der gewählte, aber noch nicht amtierende erste Mann der Nation ist. Keinen Moment lässt er einen Zweifel daran, dass die Wirtschaftskrise seine erste Priorität sein wird und er die Zügel fest in der Hand hat.

In der Außenpolitik indes hält Obama sich eisern zurück. Immer wieder hat er sein Mantra wiederholt: "Es gibt nur einen Präsidenten zur selben Zeit." Formal ist das richtig, und es hilft, Streit mit der amtierenden Regierung zu vermeiden. Aber seine Äußerung zu Gaza lässt hoffen, dass sich auch in der Außenpolitik einiges ändern wird - nach dem 20. Januar.

© SZ vom 08.01.2009/woja/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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