USA: Vereitelter Anschlag:Der göttliche Krieg der Hutaree

Der Fall "Hutaree" zeigt das explosive Potential radikaler US-Christen, mit dem auch die politische Rechte um Sarah Palin spielt.

Corinna Nohn und Oliver Das Gupta

Die Männer tragen Camouflage, ihre khakifarbenen Rucksäcke sind schwer bepackt, alle sind mit automatischen Waffen ausgerüstet. In voller Montur robben sie über den Waldboden, hetzen mit gebeugtem Oberkörper über eine Lichtung, zünden Sprengsätze, feuern auf den imaginären Feind.

Am Ende sieht man, wie eine blaue UN-Fahne verbrennt, dann hissen die Kämpfer ihre eigene Flagge: dunkelgrün-schwarzer Hintergrund, darauf ein kleines braunes Kreuz - die Fahne der Colonial Christian Republic (CCR). Das Ganze untermalt ein düsterer Song mit rhythmisch stampfenden Bässen.

Das Video, abrufbar auf dem Internetportal Youtube, wirkt teilweise wie Werbung für die Armee. Das Land CCR existiert nicht, aber die Männer in Flecktarn sind keine Schauspieler: Sie gehören einer paramilitärischen christlichen Gruppe mit dem Namen "Hutaree" an; ein erfundener Name, der "christlicher Krieger" bedeuten soll.

350 Freunde bei MySpace

Die Milizionäre haben mehrere solcher Videos ins Netz gestellt, mit denen sie Anhänger gewinnen und zum Kampf für ihre Sache mobilisieren wollen. Fans haben die rabiaten Christen offenbar: Rund 350 Freunde soll die MySpace-Seite von Huteree verzeichnen.

Was die selbsternannten Gotteskrieger im Sinn haben, lassen die Vorwürfe erahnen, die nun die Detroiter Staatsanwaltschaft gegen neun Angehörige der Hutaree erhoben hat: Sie sollen einen Mord an einem Polizisten geplant haben. Und später, bei dessen Beisetzung, Bomben zünden und so einen "Aufstand gegen die Regierung" anzetteln wollen. Unter den Angeklagten sind auch der 45-jährige Chef der Miliz, David Brian Stone, seine Frau und seine beiden Söhne.

Auf ihrer Homepage machen die Hutaree bereitwillig Angaben zu ihren Ansichten und ihrem Ziel, eine neue Weltordnung zu schaffen. Die Gruppe zeigt ihr Wappen und ihre Flagge, gewährt Einblick in ihr Rangordnungssystem und versucht, mit ihrer Doktrin und ihren Kampfvideos "jene zu erreichen, die das Wort Gottes verloren haben".

Warten auf die Endzeitschlachten

Über alledem steht das Motto "Preparing for the end time battles to keep the testimony of Jesus Christ alive", sie bereiten sich also vor "auf die Endzeitschlachten, um das Zeugnis Jesu Christi aufrechtzuerhalten".

Die Doktrin der paramilitärischen Truppe, die sich für den Weltuntergang rüstet, ist gespickt mit Bibelzitaten, kaum ein Satz, in dem nicht das Wort christlich oder der Name Jesus vorkommt. Doch die Verschwörungstheorien haben nichts mit christlichen Tugenden zu tun: "Wir glauben, dass eines Tages (...) der Antichrist kommt." Den gelte es zu bekämpfen und zu vertreiben.

Laut Chip Berlet vom Forschungsinstitut Political Research Associates gehen sie Verschwörungstheorien der Gruppe noch weiter: Die Hutaree haben seiner Meinung nach Angst vor einem die ganze Welt umfassenden Regime. Auch Europa sei eine Bedrohung, zeitweise vermuteten die Hutaree sogar im damaligen Hohen Repräsentanten der EU-Außenpolitik, Javier Solana, den Antichrist.

Hutaree hat den satanischen Feind im eigenen Land ausgemacht, genauer: Er sitzt im Weißen Haus und heißt Barack Obama. In der US-Regierung sähen Stone und seine Leute den Antichrist, den es zu vernichten gelte, sagte Michael Barkun, Extremismusexperte der Syracuse University im Bundestaat New York, der Detroit Free Press.

"Es begann als christliche Sache"

Alle Christen müssten sich auf den Kampf vorbereiten, schreibt die Gruppe beschwörend auf ihrer Homepage, so habe es Christus - er wird als "Top General" bezeichnet - angeordnet. "Eines Tags werden die Hutaree ihren Feind erkennen und, so Gott will, auf dem Schlachtfeld treffen."

Donna Stone, die Exfrau des Hutaree-Chefs Brian Stone, hat sich inzwischen zu der Causa zu Wort gemeldet. Sie versucht zu erklären, wie die Gruppierung immer radikaler wurde: "Es begann als christliche Sache", zitiert sie der Christian Science Monitor. "Du gehst zur Kirche. Du betest. Du kümmerst dich um deine Familie." Irgendwann habe David Stone aufgerüstet: von Handfeuerwaffen zu "big guns", großen Waffen; und dauernd habe er vom Jüngsten Tag gesprochen, so wie er in der Bibel beschrieben wird.

Das alles wurde Gattin Donna zu viel, die Ehe scheiterte. Milizenführer Stone nahm sich des gemeinsamen Sohnes Joshua an und zog ihn mit in seine Welt aus Waffen und Weltuntergang - nun wurden alle festgenommen.

Amerika, das neue Gelobte Land

Die Hutaree-Miliz ist nur eine unter vielen rechtsextremen Kampfgruppen in den USA, die Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center zählt 127 weitere Gruppierungen. Die meisten berufen sich darauf, das uramerikanische Erbe zu verteidigen, was in deren kruder Vorstellung bedeutet: weiße Christen gegen Unmoral, Schwarze, Linke, Liberale, Muslime, die Washingtoner Regierung und den Rest der Welt.

Ausgerechnet die puritanischen "Pilgerväter" haben den Keim für Amerikas Gotteskriegertum gelegt. Im 17. Jahrhundert waren mit der Mayflower die frömmelnden Männer und Frauen aus England in der Neuen Welt gelandet. Hier, fernab des verdorbenen Europas, wollten die Siedler ein strenges wie gottgefälliges Leben führen, was sie nicht daran hinderte, brutal gegen die indianischen Ureinwohner vorzugehen. Gods Own Country nannten sie ihre prosperierende Christenkolonie, inzwischen längst das Synonym vieler Amerikaner für ihren Staat.

Gut gegen Böse, Kolonialisten gegen den britischen Thron

Den Unabhängigkeitskrieg (1775 - 1783) stilisierten die amerikanischen Patrioten zum apokalyptischen Krieg von Gut gegen Böse, die tugendhaften Kolonialisten zum Kampf gegen den Satan auf dem britischen Thron.

Die Vereinigten Staaten als neues "gelobtes Land", als neues Israel: Trotz der Trennung von Staat und Religion und der in der Verfassung verankerten Glaubensfreiheit verweist die politische Rechte in den USA immer wieder auf dieses Bild. Wenn Sarah Palin davon spricht, Amerika solle eine "leuchtende Stadt auf dem Berg" sein, zitiert die Ikone der rechten US-Republikaner bewusst die Bergpredigt aus dem Matthäus-Evangelium.

In solchen Vorstellungen vom auserwählten Volk schwingt das Misstrauen gegen alles, was von außen kommt: progressive Europäer, die Vereinten Nationen, liberales Denken.

Oklahoma-Anschlag war Racheakt

Ins Extreme wuchsen sich diese Vorstellungen bei der nun ausgehobenen Hutaree-Miliz aus, mit ihrer Naherwartung des Weltendes. Der Fall hat in der jüngeren Vergangenheit ein blutiges Vorbild: Die Davidianer-Sekte hatte sich in eine ähnlich wirre Weltsicht verstiegen. 1993 stürmten Sicherheitskräfte das Zentrum der Branch Davidians im texanischen Waco, mehr als 80 Sektenmitglieder kamen um, darunter Frauen und Kinder. Zuvor hatten die Frömmler mehrere Beamte erschossen, die das Sekten-Hauptquartier durchsuchen wollten.

Der Vorfall wirkte bei militanten Ultrarechten wie ein Fanal: Zwei Jahre nach der Erstürmung zündete der Ex-Soldat Timothy McVeigh eine Lastwagenbombe vor einem Bundesgebäude in Oklahoma City, 168 Menschen starben. Das, sagte McVeigh später, sei die "Rache für Waco" gewesen.

Dass der Glaube an das nahende Weltende nicht nur unter Hinterwäldlern verbreitet ist, zeigt das Beispiel Ed Kalnins. Der Priester der Pfingstkirche im Örtchen Wasilla verkündete, Alaska werde in der kriegerischen Endzeit einer der letzten Zufluchtsorte für Gläubige sein.

"Zeit, durchzuladen"

Bis 2002 war auch Sarah Palin, Alaskas frühere Gouverneurin und gewesene Vizepräsidentschaftskandidatin Mitglied dieser Kirche. Inzwischen agitiert die forsche Erzkonservative kräftig gegen die Regierung von US-Präsident Barack Obama und setzt dabei auf die Tea-Party-Bewegung, eine Art rechtlastiger Apo.

Zuletzt giftete die Gläubige Sarah Palin gegen die durchgepaukte Gesundheitsreform Obamas und zeigte unverhohlen, wie nah sie am Abzug formuliert: "Es ist jetzt nicht die Zeit, sich zurückzuziehen," schrieb sie an ihre Fans auf Facebook, "sondern durchzuladen."

Diesen Satz würden wohl auch die Hutaree-Leute unterschreiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: