USA:US-Präsident Trump verurteilt erstmals antisemitische Drohungen

  • Das jüdische Amerika warnt vor zunehmendem Antisemitismus in den USA.
  • Die Trump-Regierung hat in dieser Frage bislang unglücklich bis problematisch agiert.
  • Nun verurteilt US-Präsident Trump die judenfeindlichen Drohungen erstmals öffentlich.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas unter Donald Trump macht vor allem Minderheiten Sorgen. In dieser Woche ist dabei auch das jüdische Amerika ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: Zunächst wies am Montag die Jewish Claims Conference (JCC) darauf hin, dass jüdische Einrichtungen in Nordamerika in diesem Jahr bereits mehr als 60 Bombendrohungen erhalten hätten. Dann wurde bekannt, dass Unbekannte einen jüdischen Friedhof in St. Louis verwüstet und mehr als hundert Grabsteine umgeworfen hatten.

Dies warf auch ein Schlaglicht auf die neue US-Regierung, die trotz einer deutlichen Nähe zur israelischen Regierung bislang zum Thema Antisemitismus unglücklich bis problematisch agiert hat. Im Januar hatte das Weiße Haus mit einer Presseerklärung zum Holocaust-Gedenktag irritiert, in der von der größten Opfergruppe, den Juden, nicht die Rede war. Dies sei eine Form von Inklusion gewesen, versuchte später Pressesprecher Sean Spicer zu argumentieren, da auch Homosexuelle, Priester und "Zigeuner" unter den Opfern gewesen seien.

Vergangene Woche hatte Trump dann in einer Pressekonferenz mit Israels Premier Benjamin Netanjahu die Frage über zunehmenden Antisemitismus in den USA mit dem Hinweis beantwortet, dass sein Schwiegersohn Jared Kushner Jude und seine Tochter Ivanka konvertiert sei. In einer weiteren Pressekonferenz bezeichnete er eine ähnliche Frage eines jüdischen Reporters verärgert als "beleidigend". Trump erklärte pauschal: "Ich bin die am wenigsten antisemitische Person, die Sie in Ihrem Leben gesehen haben."

"Was ist die Position der Regierung, wenn es um den Anstieg von Antisemitismus und Intoleranz im Allgemeinen gilt? Was wird die Regierung tun, um es zu stoppen?", hatte nach dem Vorfall auf dem jüdischen Friedhof in St. Louis eine Vertreterin der Anti-Defamation League, Karen Aroesty, gefragt. Die Organisation setzt sich gegen Diskriminierung von Juden ein.

"Das wird aufhören und muss aufhören"

Wie stark der Antisemitismus in den USA gerade zunimmt, ist schwer zu messen. Die entsprechenden Zahlen steigen bereits seit 2014. Wie bei den politisch offener angefeindeten Muslimen und auch Latinos gibt es seit Beginn der Trump-Ära Hinweise für eine stärker wachsende Zahl von Zwischenfällen und Bedrohungen. Dabei waren die USA für jüdische Menschen vor allem zur Zeit des Dritten Reiches einst sicherer Hafen. Vielen wurde das Land Heimat - eine Heimat, in der judenfeindliche Positionen sich bislang nicht auf breiter Basis politisch etablieren konnten. Doch nun wird Antisemitismus zum Thema.

Nachdem bereits Ivanka Trump sich über Twitter zu Wort gemeldet hatte (wie auch Hillary und Chelsea Clinton), wurde Trump am Dienstag im Museum für afroamerikanische Geschichte und Kultur in Washington erstmals deutlicher - bislang hatte er das Thema gemieden, auch im Wahlkampf. Er verlas eine Erklärung: "Die antisemitischen Drohungen, die unsere jüdischen Gemeinden und ihre Zentren ins Visier nehmen, sind furchtbar und schmerzhaft", hieß es dort. Später sagte er dem TV-Sender NBC: "Antisemitismus ist furchtbar und das wird aufhören und muss aufhören."

Neue Unberechenbarkeit der Konservativen

Mehrere jüdische Organisationen begrüßten die Aussagen. Der Leiter des Anne-Frank-Zentrums in New York, Stephen Goldstein, bezeichnete Trumps Worte allerdings als "zu wenig und zu spät". "Die plötzliche Anerkennung von Präsident Trump ist nur ein Pflaster auf den Krebs des Antisemitismus, der seine eigene Regierung zersetzt."

Gemeint ist damit wohl vor allem Trumps einflussreicher Chefberater Stephen Bannon. Wie der katholische Nationalist Bannon zum Judentum steht, ist umstritten: Seine Ex-Frau hatte ihm während des Scheidungsprozesses vorgeworfen, sich antisemitisch geäußert zu haben, er selbst dementiert das. Bannon erklärte nach der Wahl, dass er selbst wie auch seine ehemalige Website Breitbart "null Toleranz" für "rassische und antisemitische Weltanschauungen" hätten.

Ist sich Trump des Problems bewusst?

Der Berater ist allerdings neben den unüberhörbaren antimuslimischen und ethno-nationalen Tönen auch dafür verantwortlich, dass Trump im Wahlkampf häufig das Motiv einer von geheimen Spezialinteressen und Banken gesteuerten Hillary Clinton in seine Reden einfließen ließ. Diese Erzählung von den geheimbündlerischen "globalistischen Eliten" ist auch ein klassisches Narrativ des Breitbart-Portals und erinnert an die Verschwörungstheorien um die Protokolle der Weisen von Zion - ein auf Fälschungen beruhendes antisemitisches Pamphlet, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfasst wurde.

Die Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center hat festgestellt, dass "jüdisch" in den Breitbart-Leserkommentaren in den vergangenen Jahren einen Bedeutungswandel erlebt hat: 2013 noch als Bezeichnung wie "weiß" oder "schwarz" verwendet, gilt das Wort heute als abwertende Chiffre wie auch "Sozialist" oder "Kommunist". Solche Begriffe verwenden die Hardcore-Republikaner inzwischen gerne für Demokraten, um sie in die Nähe von "unamerikanischen Ideen" zu rücken.

All diese Eigenschaften verkörpert für sie ein Mann, der inzwischen auch im Mainstream der Republikaner-Basis als vermeintliche Wurzel aller Probleme identifiziert wird: der umstrittene jüdische Star-Investor und Großspender George Soros. Er sei der Strippenzieher, der Demokraten und "Pseudo-Republikaner" für seine eigene Agenda einspanne und Amerika inklusive seiner Grenzen zerstören wolle. Diese verschwörerisch geraunte Erzählung ist längst auch von der europäischen Rechten aufgegriffen und internationalisiert worden. Dass Soros Jude ist, wird an den Extrem-Rändern der sozialen Netzwerke gerne betont.

Bei konventionelleren Formen des Konservatismus wurde neben Israel auch das heimische Judentum verteidigt. Doch das ändert sich in Trumps "neuer" Republikanischer Partei offenbar. Hier ergibt sich eine Unberechenbarkeit - und noch ist nicht geklärt, ob sich der US-Präsident dessen überhaupt bewusst ist.

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