USA unter Trump:Die konservative Agenda wackelt

Trump will mit den Republikanern im US-Kongress das Steuersystem radikal verändern - doch die zerstrittenen Konservativen könnten dafür sorgen, dass ihm erst einmal das Geld ausgeht.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Was können die Republikaner im US-Kongress erreichen? Hinter dieser Frage versteckt sich noch eine weitere: Gibt es die Republikaner dort überhaupt, in halbwegs handlungsfähiger Form zumindest?

Acht Jahre lang hatte die gemeinsame Opposition gegen Barack Obama die unterschiedlichen Orthodoxien und Interessen der Konservativen verdeckt. In den Verhandlungen zur Gesundheitsreform kamen sie nun sehr schnell wieder zum Vorschein: Hardliner treffen auf Harder-Liner, gemäßigte Pragmatiker auf Ideologen. Und der unerfahrene US-Präsident Donald Trump, Augenzeugen zufolge ein charmanter wie inhaltlich blanker Verhandler, konnte sich bislang noch nicht als einende Figur präsentieren.

Gerade die Ultras des "Freedom Caucus" - jene radikale Abgeordnetengruppe im Repräsentantenhaus, die Trump und Sprecher Paul Ryan die Gefolgschaft verweigerte - stehen jetzt unter Beobachtung: Entdecken die gelernten Fundamental-Oppositionellen so etwas wie Disziplin in der Regierungsverantwortung oder fühlen sie sich nun erst recht ermutigt, auch in anderen Fragen kompromisslos zu bleiben? Und auch Donald Trump und sein Team werden bald zeigen müssen, ob die herbe Ryancare/Trumpcare-Niederlage zu einer Lernkurve führt.

Die nächste Gelegenheit bietet sich bereits in einem Monat: Bis spätestens Mitternacht am 28. April muss der Kongress wieder Geld für die Regierung freigeben. Geschieht das nicht, droht erneut jener "Shutdown" genannte Verwaltungsnotstand, in dem alle Bundesbehörden und Nationalparks bis zur Einigung schließen müssen. Pikant: Am 29. April ist Donald Trump genau 100 Tage im Amt.

Der nächste Stillstand droht

Es sagt viel über die Situation der Republikaner aus, dass der "Shutdown" durchaus möglich ist, obwohl die Partei erstmals seit 2007 in Repräsentantenhaus und Senat die Mehrheit hat und gleichzeitig den Präsidenten stellt. Auch hier stehen erzkonservative Gruppen wie der "Freedom Caucus" und ähnlich tickende Abgeordnete und Senatoren im Zentrum des Geschehens. Sie versuchen stets die Freigabe der Mittel mit "Giftpillen" genannten Gesetzesklauseln zu verknüpfen. So könnten sie darauf bestehen, die Bundesmittel für die Familienplanungs-Organisation "Planned Parenthood" zu streichen.

Folgen Trump und Ryan diesen Vorschlägen, werden die Demokraten die Freigabe im Senat per Verschleppungstaktik ("Filibuster") stoppen. Suchen die beiden sich wiederum unter den Demokraten im Repräsentantenhaus die Stimmen für ihre Mehrheit, droht die Blockade durch einige Republikaner im Senat. Weil der Kongress im April zwei Wochen Pause macht, ist die Zeit für Verhandlungen knapp. "Ich glaube, dass wir zumindest für ein paar Tage einen 'Shutdown' erleben werden - und wenn es nur aus symbolischen Gründen ist", prognostiziert deshalb der renommierte Budget-Experte Stan Collender in der Fiscal Times. Gerade der angeschlagene Paul Ryan dürfte aus diesem Szenario irreparabel geschwächt hervorgehen.

Egal wie symbolisch oder ernsthaft die Differenzen sein werden: Noch verbindet die Republikaner das gemeinsame Ziel einer Steuerreform, die nach dem Versprechen von Finanzminister Steven Mnuchin bis Sommer stehen soll (laut Experten eine allzu optimistische Prognose). Ein Eckpunkt ist die Senkung der Unternehmensteuer von derzeit 35 Prozent auf weniger als 20 Prozent. Diese Entwicklung wird weltweit mit Interesse beobachtet, könnte dies doch zu einem neuen Steuerdumping-Wettbewerb unter Industrienationen führen. Von den Steuersenkungen für Privatpersonen wiederum profitieren nach den Trump-Plänen aus dem Wahlkampf vor allem Gutverdiener.

Eine Armee von Lobbyisten steht bereit

Die Senkungen sollen teilweise durch die Schließung von Steuerschlupflöchern finanziert werden - eine ganze Armee von Lobbyisten steht bereits in den Startlöchern, um dagegen Wind zu machen. Zudem steht auch noch eine komplizierte Import-Steuer zur Debatte, die Ryan und einige andere Republikaner Trump als Strafzoll-Ersatz anbieten, die aber unter den klassischen Neoliberalen im Kongress keine Unterstützung findet. Selbst im Weißen Haus stehen sich hier das nationalistische Lager um Steve Bannon und die Freihandels-Befürworter um Finanzminister Mnuchin auf der anderen Seite gegenüber, wie es in US-Medien heißt.

Dass nun eine Billion US-Dollar Spielraum fehlen, die durch Abschaffung von Obamacare an staatlichen Zuschüssen freigeworden wäre, macht die Angelegenheit nicht leichter. Selbst Hardliner nehmen inzwischen davon Abstand, eine direkte Gegenfinanzierung zu verlangen. Sie verlassen sich auf Trumps vages wie zweifelhaftes Versprechen, das resultierende Wirtschaftswachstum werde die Refinanzierung erledigen. Nicht wenige fühlen sich an die berühmten "Voodoo Economics" von Ronald Reagan erinnert, denen zufolge Steuerentlastungen für Reiche angeblich auch zum Rest der Bevölkerung "heruntertropfen".

Die letzte Steuerreform stammt aus dem Jahr 1986, weshalb jüngst in der New York Times ein ehemaliger hoher Beamter des Finanzministeriums scherzte, ein erfolgreicher Versuch ähnele der Besteigung des Kilimandscharo. "Es passiert nur einmal pro Generation." Womöglich werden Trump und die Republikaner sich darauf beschränken, die Steuern zu senken und auf alles andere - von Schlupflöcher-Stopfung bis Import-Steuer - zu verzichten.

Die Demokraten lehnen solche "Steuergeschenke" ab. Während in Trumps Umfeld einige dem Präsidenten raten, auch im Oppositionslager nach notwendigen Stimmen für Mehrheiten zu suchen, gibt es bei den großen Themen kaum Gemeinsamkeiten. Das versprochene Infrastrukturprogramm kommt frühestens 2018, wenn es die ausgabemüden Republikaner überhaupt auf die Agenda setzen. Zudem stehen die Progressiven von links unter Druck, nicht mit der Regierung zusammenzuarbeiten und Fundamentalopposition zu betreiben.

Unzufriedenheit allerorten

Dies betrifft auch den Budgetplan für das Haushaltsjahr 2018, das am 1. Oktober beginnt. Der erste Entwurf aus dem Weißen Haus, offenbar größtenteils vom konservativen Thinktank Heritage Foundation inspiriert, sieht massive Kürzungen in Feldern wie Umweltschutz und Diplomatie vor, Gelder für 19 staatlich geförderte Einrichtungen fallen komplett weg.

Kürzungen bei Leistungen wie Heizkostenzuschüsse für Arme treffen auch republikanische Wähler, weshalb sich Widerstand in betroffenen Bezirken, bei republikanischen Abgeordneten mit unsicheren Aussichten für die Wahlen 2018 und unter moderaten Konservativen regt. Im Senat werden Stimmen der Demokraten benötigt, die gegen den Sparkurs sind. Austeritäts-Gläubige wiederum kritisieren, dass Trump das gekürzte Geld zwar ins Militär investiert, darüber hinaus aber nichts spart. Sie würden gerne Einschnitte im Sozialsystem sehen.

Die komplexe Gemengelage lässt auch hier giftige Verhandlungen erwarten, bis ein Kompromiss gefunden ist. Trump werde noch "ein Licht aufgehen", prognostizierte Raúl Labrador, republikanischer Abgeordneter aus Idaho und dem "Freedom Caucus" zugehörig, in der New York Times. "Niemand im Kongress möchte für Härten stimmen."

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