USA:Trump entdeckt die Liebe

Protesters who call for an immigration bill addressing the so-called Dreamers, young adults who were brought to the United States as children, rally in the Cannon Tunnel on Capitol Hill in Washington

Protest in den Eingeweiden der Macht: Aktivisten demonstrieren im Cannon-Tunnel unter dem Kapitolshügel in Washington für die Rechte der sogenannten „Dreamer“. Trump hatte eine Sonderregel für die Kinder illegaler Immigranten gestrichen, doch nun will er auf die Demokraten zugehen.

(Foto: Joshua Roberts/Reuters)

Amerikas Rechte erlebte einen rabenschwarzen Tag: Ihr Chefideologe Stephen Bannon wird zum Paria, der Präsident flirtet in Migrationsfragen mit den Demokraten.

Von Hubert Wetzel, Washington

Dienstag war kein guter Tag für die Rechtspopulisten in Amerika. Und das ist untertrieben. Sie waren stinksauer. Ann Coulter, die sarkastische, betonharte, aber gelegentlich witzige konservative Kolumnistin, tobte auf Twitter herum. Mickey Kaus, einer der Vordenker des modernen Rechtspopulismus in den USA, verschickte die Telefonnummer des Weißen Hauses. Anrufen und protestieren, danach noch einmal anrufen und protestieren, riet er. Danach noch einmal.

Und aus Sicht der Wütenden war die Wut durchaus verständlich. Denn Dienstag war der Tag, an dem sich Donald Trump zur Abwechslung einmal nicht wie ein rechtspopulistischer Berserker benahm, sondern wie der Präsident, der er stets zu sein versprochen hatte, der er aber in seinem ersten Amtsjahr äußerst selten war: aufmerksam, ausgeglichen, ohne ideologischen Ballast und auf der Suche nach einem Deal, bei dem auch die Demokraten dabei sind. Anders gesagt: Der Trump vom Dienstag war für diejenigen, die sich im Weißen Haus einen rechten Haudrauf wünschen, ein Graus.

Die Fernsehzuschauer erleben einen Trump, der freundlich und in ganzen Sätzen spricht

Das Elend begann mit einer Sitzung im Weißen Haus. Trump hatte Republikaner und Demokraten aus dem Kongress eingeladen, um über Einwanderungspolitik zu reden. Es ging um die Mauer, die er an der Grenze zu Mexiko bauen will, und um etwas, das unter dem Kürzel Daca bekannt ist. Das steht für "Deferred Action for Childhood Arrivals" und meint eine Verfügung des früheren Präsidenten Barack Obama, die etwa 700 000 illegale Einwanderer vor der Abschiebung schützt, die als Kinder und Jugendliche ins Land gekommen sind.

Die rechten Hardliner im Kongress hassen Daca - sie halten es für eine Amnestie für junge Gesetzesbrecher -, und Trump hatte angeordnet, das Programm zu beenden. Anfang März soll Schluss sein, allerdings stellte sich gerade ein Bundesgericht quer und ließ das Programm vorerst weiterlaufen. Zugleich ringt der Präsident öffentlich mit sich, was mit den Daca-Profiteuren passieren soll, den sogenannten "Dreamers". Kann man wirklich ein paar Hunderttausend junge Menschen rauswerfen, die nur den amerikanischen Traum leben wollen? Trump hat immer wieder gesagt, er wolle eine menschliche Lösung.

Darüber verhandelte der Präsident am Dienstag mit den Parlamentariern. Und er tat das nicht hinter verschlossenen Türen, sondern ließ die Medien zuhören und mitfilmen. 55 Minuten lang wurde die Sitzung live übertragen. Trump wollte dadurch beweisen, dass er sehr wohl die geistigen Fähigkeiten und die mentale Stabilität für den Job als Präsident besitzt. Das war nach dem Buch "Fire and Fury" angezweifelt worden. Und so sahen die Amerikaner am Dienstag nicht nur einen Mann, der durchaus nett, interessiert und in ganzen Sätzen reden konnte; sie hörten auch, wie ihr Präsident vom Kongress forderte, die Einwanderungsmisere durch ein "Gesetz der Liebe" zu lösen. Er werde dann unterschreiben und notfalls allen Ärger ertragen.

Nun ist Immigrationspolitik in den USA ein sehr heikles Thema. Seit Jahrzehnten geht es darum, mehr und härteren Grenzschutz mit einer Legalisierung jener Einwanderer zu kombinieren, die schon im Land sind, sodass es am Ende eine Kongressmehrheit für eine Reform gibt. Wer die Einzelheiten nicht kennt, tritt in der Debatte schnell in Fallen. Und Details sind Trumps Sache in der Regel nicht - diese These aus "Fire and Fury" bewies das live übertragene Treffen eher, als sie zu widerlegen. So stimmte Trump einmal den Demokraten zu, man müsse zunächst den "Träumern" einen Aufenthaltsstatus geben, dann könne man über die Grenzmauer reden. Ja, ja, nickte der Präsident. Seine Republikaner mussten ihn dann wieder einfangen: Ohne Mauer keine Amnestie für die Träumer. Also änderte Trump seine Meinung wieder, was nicht untypisch ist und den Wert jeder Festlegung des Präsidenten infrage stellt.

Für Coulter, Kaus und all die anderen harten, rechten Ideologen, die Einwanderung für den Untergang Amerikas halten, war die Sünde da freilich schon begangen. Ein "Gesetz der Liebe"? Mit den Demokraten? Verrat! Und der Verräter hieß Trump.

Der einzige Trost der Rechten: Schon bald kann bei Trump wieder alles anders sein

Dass es so weit kommen konnte, hatte mit einer weiteren schlechten Nachricht zu tun, die am Dienstag die Runde machte: Stephen Bannon verliert seinen Job als Chef der rechtspopulistischen Internetseite Breitbart News. Bannon und Breitbart, wo Coulter eine Kolumne schreibt, waren eine Art Aufpasser, Hüter der reinen Lehre, die darauf achteten, dass Trump nicht - wie man in Amerika sagt - das Reservat verlässt. Das galt vor allem für die Einwanderungspolitik, bei der Trump bisher eine harte Linie vertreten hatte. Doch seit Bannon dem Autor von "Fire and Fury" allerlei Despektierliches über Trump und dessen Familie erzählt hatte, ist er ein Verstoßener. Trump persönlich hat in den vergangenen Tagen republikanische Parteispender und Politiker angerufen und Loyalität eingefordert: Bannon oder ich, entscheidet euch, soll der Präsident gesagt haben; die meisten entschieden sich für Trump und ließen Bannon fallen.

Darunter waren auch die Milliardäre Robert und Rebekah Mercer, Vater und Tochter, die Bannon und Breitbart über Jahre finanziert hatten. Der Mann, der wie kein anderer in den USA die rechtspopulistische Revolution vorangetrieben hat, der Trump einst als Wahlkampfmanager und Chefstratege gedient hatte - seit Dienstag ist er seinen Job los, seine Radioshow, seine Internetseite. Er hat kein Sprachrohr mehr und keine Peitsche. Er wurde geteert, gefedert und aus der Stadt gejagt. Und kaum war er weg, mussten seine entsetzten Mitkämpfer erleben, wie Trump, jetzt bar jeder Bewachung, mit der linken kalifornischen Senatorin Dianne Feinstein herzlich über ein "Gesetz der Liebe" plauderte.

Da wunderte es dann niemanden mehr, als eine dritte Meldung an die Öffentlichkeit drang: Trump besucht das Weltwirtschaftsforum in Davos. "Davos" ist für Leute wie Bannon, Coulter und Kaus eine Chiffre, die buchstäblich Ekel auslöst. "Davos" steht für jene globalisierte, linke, säkulare, postnationale Finanzelite, die angeblich offene Grenzen will, Amerika herunterwirtschaftet und sich selbst die Taschen füllt. "Davos" - in diesem Wort steckt alles, was Amerikas Rechtspopulisten hassen und was auch der Nationalist Trump als Präsident bekämpfen sollte. Nun fährt der Milliardär Trump in die Schweiz, um mit anderen Milliardären zu kungeln.

Ja, es war wirklich ein schwarzer Dienstag. Die einzige Hoffnung der Rechten: Trump meint wenig von dem, was er sagt, und er vergisst es noch schneller. Am Mittwoch beschimpfte der Präsident die Senatorin Feinstein auf Twitter schon wieder als "hinterhältig".

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