USA:Trump begnadigt "härtesten Sheriff Amerikas"

  • US-Präsident Trump hat den berüchtigten Ex-Sheriff Joe Arpaio begnadigt.
  • Dem 85-Jährigen drohte eine sechsmonatige Haftstrafe. Arpaio hatte eine gerichtliche Anordnung missachtet, wonach er die Diskriminierung und ethnische Verfolgung von Immigranten zu unterlassen habe.
  • Mit der ersten Begnadigung seiner Amtszeit gießt Trump nach Meinung von Menschen- und Bürgerrechtlern Öl ins Feuer der schwelenden Rassismusdebatte im Land.

Von Lars Langenau

Die Aufregung um Donald Trumps verharmlosende Äußerungen über die Rassisten und Nazis von Charlottesville ist noch nicht ganz abgeebbt, da legt der US-Präsident nach: Erstmals in seiner Amtszeit nutzte er sein Amnestierecht als Staatsoberhaupt - und begnadigte am Freitag den wegen seiner knallharten Methoden berüchtigten und äußerst umstrittenen Ex-Sheriff Joe Arpaio.

Das "Lebenswerk" des 85-Jährigen sei es, die Öffentlichkeit vor Geißeln wie dem Verbrechen und der illegalen Einwanderung zu schützen, begründete das US-Präsidialamt die Entscheidung. Das Weiße Haus betonte, Arpaio habe in rund fünfzig Jahren einen "bewundernswerten Dienst an unserer Nation" geleistet und sei deshalb ein "würdiger Kandidat" für eine Begnadigung durch den Präsidenten. Er sei ein "Patriot", der den Bundesstaat Arizona "sicher" gehalten habe, schrieb Trump auf Twitter.

Laut Washington Post ist diese Begnadigung des pensionierten Verkehrspolizisten ein höchst ungewöhnlicher Schritt: Schließlich war Trumps Parteifreund erst vor gut einem Monat von einem Gericht im US-Bundesstaat Arizona schuldig gesprochen worden, im Oktober sollte das Strafmaß verkündet werden. Erwartet hätte ihn wohl eine sechsmonatige Haftstrafe. Und normalerweise wird so eine Begnadigung selbst vom Präsidenten beim Justizministerium eingereicht, das dann prüft und innerhalb von Monaten eine Zustimmung erteilt.

Laut Schuldspruch hat der Hardliner bewusst richterliche Anweisungen zur Gleichbehandlung von Latinos ignoriert. So hielten die Polizisten in Arpaios Bezirk Maricopa besonders häufig Autos an, wenn Latinos am Steuer saßen, um zu überprüfen, ob sich diese illegal in den USA befanden.

Arpaio ist ein erklärter Trump-Anhänger und nennt sich selbst "härtester Sheriff Amerikas". Er wurde seit 1992 fünfmal als republikanischer Kandidat in das Amt des Sheriffs wiedergewählt, bis er im vergangenen November das Rennen um eine Wiederwahl verlor. Trump lobte, dass er bereits als 18-Jähriger im Koreakrieg zum Militär gegangen sei und danach als Polizist für Ruhe und Ordnung gesorgt habe.

Pinke Unterwäsche für die Häftlinge

Der Italo-Amerikaner ist vor allem für sein Vorgehen gegen Einwanderer aus Lateinamerika berüchtigt. Er sperrte Kleinkriminelle und Menschen ohne gültige Papiere in ein schwer bewachtes Zeltlager in der glühenden Hitze der Wüste von Arizona, die er selbst einmal mit Konzentrationslagern verglich - eine Aussage, die er später zurückzog. Zudem zwang er die in schwarz-weiße Sträflingskleidung gehüllten Häftlinge, pinke Unterwäsche zu tragen, um damit angeblich den Schmuggel der Klamotten aus dem Gefängnis zu unterbinden.

Sie erhielten nur zwei Mal täglich etwas - und immer das gleiche - zu essen, angeblich aus finanziellen Gründen stets ohne Pfeffer und Salz. Seine Hunde bekamen laut einer Dokumentation von Spiegel TV besseres Essen, da er sich weigerte, mehr als 50 Cent für die Verpflegung eines Gefangenen auszugeben. Mit immer neuen Ideen degradierte er die Häftlinge. So zwang er männliche Häftlinge, Kuscheltiere in ihrer Unterkunft zu akzeptieren und "Jailhouse-Webcams" übertrugen Bilder von Häftlingen auf der Toilette und in Umkleideräumen ungefragt ins Internet.

Zu Säuberungs- und Aufräumarbeiten außerhalb des Lagers wurden immer vier Personen mit einer Fußkette zusammengefesselt, bewacht von Schäferhunden, die auf deutsche Kommandos hörten.

"Spaltung über Eintracht, Schmerz über Heilung"

Alles Maßnahmen, die Trump anscheinend an dem Law-and-Order-Sheriff goutiert, der immer auch für Ämter in seiner Regierung ins Spiel gebracht wurde. In einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters zeigte sich Arpaio entsprechend angetan: "Ich muss dem Präsidenten für das danken, was er getan hat, so viel ist sicher. Er ist ein großer Unterstützer der Strafverfolgung." Der Nachrichtenagentur AP sagte er, er werde immer auf der Seite des US-Präsidenten stehen.

Auf Twitter legte auch Arpaio nach: Er sei "unglaublich dankbar". Seine Verurteilung beruhe auf einer "politischen Hexenjagd" durch "Überbleibsel" der Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama im Justizministerium. Mit Obama verband ihn eine besonders herzliche Abneigung. So gehörte Arpaio auch zu den lautstärksten Zweiflern an seiner amerikanischen Herkunft.

Bereits am Dienstag hatte Trump bei einer Rede vor Tausenden Anhängern in Arizona gefragt: "Sheriff Joe wurde also verurteilt, weil er seinen Job gemacht hat?" Von einer Begnadigung sah er bei dem Auftritt in Phoenix zunächst noch ab. Er wolle keine Kontroverse auslösen, sagte Trump. Gleichwohl glaube er, dass Arpaio sich "gut fühlen" könne. Mit Trumps Straferlass ist wohl auch die letzte Möglichkeit erloschen, Arpaio zur Verantwortung zu ziehen.

McCain: Niemand stehe über dem Gesetz

Greg Stanton, Bürgermeister von Phoenix, nannte den Straferlass einen "Schlag in das Gesicht aller Menschen im Maricopa County", vor allem der hispanischer Herkunft. Arpaio habe sie schikaniert und ihre Bürgerrechte systematisch verletzt. Auch John McCain, republikanischer Senator aus Arizona und innerparteilicher Gegner Trumps, drückte seine Unzufriedenheit über den Straferlass aus. Niemand stehe über dem Gesetz, sagte McCain in einer Erklärung. Arpaio habe nie Reue für seine Taten gezeigt.

Der demokratische Senator Patrick Leahy sagte: "Nach dem Rassismus und Hass in Charlottesville muss unser Land zusammenkommen und heilen. Aber diese Genesung wird nicht von einem Präsidenten ausgehen, der nur Ängste ausschlachtet." Der demokratische Kongressabgeordnete Joaquin Castro kritisierte, Arpaio sei ein "Eiferer", der über Jahre hinweg Menschen hispanischer Herkunft ins Visier genommen habe.

Bereits früher hatten Menschenrechtsorganisationen Arpaio mit Klagen überzogen, für deren Begleichung seine Behörde Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen musste. Damit habe Trump "Gesetzeslosigkeit über Gerechtigkeit, Spaltung über Eintracht, Schmerz über Heilung" gestellt, sagte Cecillia Wang von der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Die Begnadigung komme einer "präsidialen Unterstützung von Rassismus" gleich. Die Menschenrechtsgruppe UnidosUs bezeichnete den Schritt als "obszön".

Linktipps: Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl traf unser damaliger US-Korrespondent Matthias Kolb Joe Arpaio in seinem Büro und schrieb ein Portrait über den Mann, den Trump so gerne mag. Und mit SZ plus können Sie hier eine Seite 3 über den "Ur-Trump" und seine Methoden nachlesen.

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