USA:Trotz siegt

Donald Trump übersteht die Affäre um illegale Einwanderer, die von ihren Kindern getrennt wurden, bisher unbeschädigt. Dabei spielt dem US-Präsidenten ausgerechnet ein kritischer Magazin-Titel in die Hände.

Von Hubert Wetzel, Washington

USA: Einen Aufschrei der Empörung löste bei den Republikanern das jüngste Cover des linksliberalen Magazins "Time" aus.

Einen Aufschrei der Empörung löste bei den Republikanern das jüngste Cover des linksliberalen Magazins "Time" aus.

(Foto: TIME/oh)

Manchmal kommt die Hilfe aus einer ganz unerwarteten Ecke. Donald Trump machte diese Erfahrung am Freitag. Da veröffentlichte das eher linksliberale Magazin Time sein Titelbild für die neue Ausgabe. Zu sehen war darauf der Präsident, der wie ein Turm vor einem weinenden Mädchen aufragt und sie interessiert, aber ohne Mitleid ansieht. Daneben steht: "Willkommen in Amerika."

Gedacht war diese Fotomontage als bitterer Kommentar zu Trumps "Null-Toleranz"-Politik gegenüber illegalen Einwanderern. Diese hatte dazu geführt, dass seit Mitte April an der US-Südgrenze gut 2500 Kinder von ihren Eltern getrennt wurden, etwa 500 davon wurden inzwischen wieder mit ihren Eltern zusammengebracht. Das weinende Mädchen war Mitte Juni von einem Fotoreporter in Texas aufgenommen worden, nachdem sie mit ihrer Mutter verhaftet worden war.

"Es gibt keine Grenze nach unten, die sie nicht unterbieten würden."

Als politisch-kritische Kunst war der Time-Titel genial. Als journalistische Anklage gegen Trump ging die Sache freilich nach hinten los. Denn wie sich rasch herausstellte, wurde das Mädchen nach der Festnahme überhaupt nicht von der Mutter getrennt. Ihr Vater in Honduras erzählte der Washington Post zudem, die Mutter habe das Kind ohne sein Wissen nach Amerika gebracht, also praktisch entführt. Die Mutter sei auch nicht vor Kriminalität, Elend und Gewalt geflohen, sondern suche nur Arbeit in den USA.

Das alles änderte zwar nichts an der amtlich bestätigten Tatsache, dass die USRegierung Tausende Familien auseinandergerissen hat, weil Trump so andere Migranten abschrecken wollte. Es änderte auch nichts daran, dass Trump selbst wegen der massiven Empörung in der Öffentlichkeit und auch in der eigenen Partei die Trennung von Familien an der Grenze per Dekret wieder untersagen musste. Und es änderte nichts daran, dass die Regierung bisher kein geregeltes Verfahren für die Wiedervereinigung der getrennten Familien eingerichtet hatte. Erst am Wochenende wurde im Heimatschutzministerium dafür eine Arbeitsgruppe gebildet.

Doch dass Time wegen schlampiger Recherche ausgerechnet ein Kind zum Symbol für Trumps unmenschliche Politik machte, das von dieser Politik nicht betroffen war, spielte den Unterstützern des Präsidenten in die Hände. Auf allen Kanälen feuerten sie gegen Trumps Kritiker und nutzten das Titelbild, um eine bei den Republikanern weit verbreitete Ansicht zu nähren: Die Linken und die Medien hassen den Präsidenten, egal, was er tut, und wenn sie keine Argumente haben, dann montieren sie Lügen zusammen.

"Fake news photo", trompetete die rechte Internetseite Breitbart. "Es ist eine Schande, dass die Demokraten und die Medien ein kleines Mädchen ausnutzen, um ihre Agenda voranzutreiben", beklagte auch Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders, die ansonsten die Öffentlichkeit ungerührt mit Trumps Lügen füttert. In die gleiche Kerbe hieb Trumps Sohn Donald Jr. "Das schockiert niemanden mehr. Es gibt keine Grenze nach unten, die sie nicht unterbieten würden", twitterte er. Brad Parscale, bereits ernannter Manager von Trumps Wiederwahlkampagne 2020, verpackte die Sicht im Trump-Lage so: "Time sucks" - Time ist scheiße.

Diese trotzige Stimmung dürfte ein Grund dafür sein, dass Trump die Kinderkrise bislang innenpolitisch verhältnismäßig gut überstanden hat. Zwar zeigen Umfragen, dass gut zwei Drittel der Amerikaner dagegen waren, illegale Einwanderer von deren Kindern zu trennen. Die Bilder von kleinen Jungen und Mädchen in Maschendrahtkäfigen blieben bei den Amerikanern also nicht ohne Wirkung.

Despite Trump Executive Order, Over 2300 Migrant Children Still Held In Cam

Ankunft in Amerika: Illegale Einwanderer werden in den USA inzwischen nicht mehr von ihren Kindern getrennt, sondern dürfen wie hier in McAllen, Texas, zusammenbleiben.

(Foto: Spencer Platt/AFP)

Doch wie so oft, wenn es um Trumps Politik oder seine Skandale geht, waren bei den republikanischen Anhängern die Zahlen weniger eindeutig: Je nach Erhebung befürwortete in dieser Wählergruppe - und damit in jener Gruppe, für die Trump Politik macht - eine klare relative oder sogar eine knappe absolute Mehrheit die harte Linie des Präsidenten. Zudem überwog bei den Anhängern aller Parteien die Ansicht, dass in erster Linie die Eltern der Kinder schuld seien, wenn Familien an der Grenze getrennt würden. Sie brächten ihre Kinder ja schließlich in diese Lage.

Und je abstrakter Umfragen sich mit dem Großthema illegale Immigration befassten, je weniger Meinungsforscher nach "Familien" und "Kindern" fragten, desto schärfer trat das Bild hervor, das man seit Jahren kennt und von dem Trump profitiert: Das Land ist gespalten, etwa die Hälfte der Amerikaner befürwortet eine harte Haltung gegen illegale Einwanderer. Sogar Trumps "Null-Toleranz"-Politik wird in manchen Umfragen von einer knappen Mehrheit unterstützt. Das heißt: Sehr viele Amerikaner wünschen sich, dass die Regierung die illegale Immigration reduziert, auch wenn sie vielleicht in konkreten Fällen mit den hässlichen Folgen nicht einverstanden sind.

So ist wohl auch zu erklären, warum Trumps Umfragewerte in den vergangenen Tagen wegen der Krise an der Grenze nicht litten. Die Zustimmung zu Trumps Politik liegt bei allen Wählern bei 44 Prozent. Das ist schlechter als bei früheren Präsidenten, aber klar besser als in den vergangenen Monaten, als weniger als 40 Prozent den Präsidenten gut fanden. Zugleich hat Trump in seiner Partei den sagenhaften Zustimmungswert von 90 Prozent. Der Anstieg hat wohl vor allem mit der sehr guten Wirtschaftslage zu tun, doch die harte Immigrationspolitik dämpft ihn zumindest nicht. Am Sonntag kündigte Trump an, illegal Eingereiste sollten künftig sofort ohne Verfahren abgeschoben werden. Für die Demokraten heißt das: Die Prognose, Trump werde durch seine Unbeliebtheit alleine dafür sorgen, dass die Republikaner bei der Kongresswahl im November verlieren, ist bisher nur eine Prognose, längst keine Gewissheit.

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