USA: Tea Party demonstriert in Washington:Ich habe einen Albtraum

Zehntausende amerikanische Rechte demonstrieren in Washington "für die Truppen", "die Ehre Amerikas" - und gegen Barack Obama, der in ihren Augen den Sozialismus einführen will. Galionsfigur Sarah Palin sieht dabei Gespenster.

Zwei Monate vor den Kongresswahlen in den USA machen Ultrakonservative und die religiöse Rechte mobil: Zehntausende Demonstranten haben sich am Samstag vor dem Lincoln Memorial in Washington versammelt, um gegen den angeblichen Zerfall nationaler und religiöser Werte zu protestieren. Damit dürfte - entgegen der Beteuerungen der Veranstalter - das politische Establishment gemeint sein, vor allem Präsident Barack Obama.

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Amerikas Ehre liegt ihr - laut eigener Aussage - sehr am Herzen: Sarah Palin, Galionsfigur der konservativen Tea-Party-Bewegung.

(Foto: AFP)

Die Veranstaltung, nur wenige Straßen vom Weißen Haus entfernt, sollte eine Demonstration der Stärke der rechten "Tea-Party-Bewegung" sein, die seit über einem Jahr gegen die Regierung zu Felde zieht: Zahlreiche Mitglieder der Bewegung bemühen sich um eine Kandidatur bei den Kongresswahlen am 2. November, bei der die parlamentarische Mehrheit von Obamas Demokratischer Partei auf dem Spiel steht.

"Wir müssen Amerika wiederherstellen, wir müssen die Ehre Amerikas wiederherstellen", rief Sarah Palin, die ehemalige Vize-Präsidentschaftskandidatin und Galionsfigur der Bewegung, ins Mikrofon. Zwar war die Veranstaltung nicht ausdrücklich gegen US-Präsident Barack Obama gerichtet - doch die erzkonservative Stoßrichtung gegen die Regierung war unverkennbar.

"Amerika beginnt heute, sich wieder zu Gott zu wenden", rief der Organisator der Veranstaltung, der TV-Moderator Glenn Beck. Das Land sei zu lange "in der Dunkelheit gewandert". Er sprach von mehreren hunderttausend Teilnehmern. Bestätigt werden konnte das nicht. Beck ist mit Palin zusammen Wortführer der Bewegung, in seiner erfolgreichen Show auf dem Sender Fox News präsentiert er sich als regierungskritischer Dissident, und verbreitet meist Verschwörungstheorien über Obamas Pläne, "Sozialismus" in Amerika einzuführen.

Die Bewegung ist vor den Wahlen offenbar entschlossen, ihr radikales Image loszuwerden. Von Volkszorn war wenig zu spüren, zahlreiche Teilnehmer trugen US-Fahnen bei sich, auf Banner mit politischen Botschaften wurde auf Bitte der Organisatoren verzichtet. Allerdings trugen viele der Demonstranten T-Shirts mit Aufschriften wie "Freiheit", "Haben Sie Prinzipien?" oder "Die Ehre wiederherstellen".

"Wir spüren den Geist Martin Luther Kings"

Der Ort der Versammlung hat doppelte historische Bedeutung: Die Rechten versammelten sich am Lincoln Memorial, der Gedenkstätte für Abraham Lincoln, den 16. Präsidenten der USA - und damit ausgerechnet an dem Ort, wo auf den Tag genau vor 47 Jahren der später ermordete schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte "I have a dream"-Rede über eine Gesellschaft ohne Rassenschranken hielt.

Die "Tea Party" besteht überwiegend aus weißen Amerikanern. Sie kämpft gegen die Politik Obamas, der als schwarzer Kandidat im Wahlkampf die Visionen Kings beschworen hatte wie nur wenige Demokraten vor ihm. Am Lincoln Memorial machten die Konservativen den Bürgerrechtler einfach zu ihrem Helden und Sarah Palin sah sogar Gespenster: "Wir spüren den Geist Martin Luther Kings", sagte sie in ihrer Rede.

Schwarze Bürgerrechtsaktivisten kritisierten denn auch die Wahl des symbolträchtigen Ortes, teilweise war von einer Provokation die Rede. Doch die "Tea Party" landete einen Coup: Bei der Kundgebung sprach auch Alveda King, eine Nichte Martin Luther Kings, vor dem Denkmal Lincolns. Sie sagte, die derzeit schlechte Wirtschaftslage reflektiere "die moralische Armut Amerikas".

Beck selbst sagte, das Timing sei reiner Zufall. Auch handele es sich bei der Veranstaltung mit dem Titel Restoring Honor (Die Ehre wiederherstellen) nicht um eine politische Kundgebung. Es gehe lediglich darum, die US-Truppen zu unterstützen sowie die traditionellen "amerikanischen Werte" und Gottesglaube zurück in die Gesellschaft zu bringen. Politisch kämpft die "Tea Party" vor allem gegen die Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesundheitsreform.

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