USA: "Tea-Party"-Bewegung:Bitterer Tee

Floridas Gouverneur Crist galt als Strahlemann der Republikaner. Nun tritt er als Unabhängiger an - denn die erzkonservativen "Tea-Party"-Aktivisten zwingt die Partei, bei Wahlen auf rechte Kandidaten zu setzen.

R. Klüver

Vom Star zum Paria geht es dieser Tage schnell bei den Republikanern. Vor Jahresfrist war Charlie Crist, Floridas stets sonnengebräunter Gouverneur, ein strahlender Politiker. Großes wurde ihm prophezeit. Republikanische Präsidentschaftsbewerber rissen sich um seinen Segen. Selbst eine eigene Kandidatur fürs höchste Amt der Republik traute man ihm zu. Das war einmal.

Charlie Crist, AFP

Charlie Christ präsentierte sich in der Vergangenheit stets sonnengebräunt und strahlend - nun hat der republikanische Gouverneur von Florida Ärger mit seiner Partei.

(Foto: Foto: AFP)

Inzwischen fallen seine Parteifreunde über ihn her. Haben ihn zum Verzicht gedrängt. Er sollte sich nicht weiter um die Aufstellung als republikanischer Kandidat für die Senatswahl im Herbst bemühen, rieten ihm Ex-Vizepräsident Dick Cheney und der frühere Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, einer der Parteigranden.

Triumph der Tea-Party-Bewegung

Das hat weniger mit Crist zu tun. Der hat sich in den letzten zwei Jahren eigentlich nicht verändert, war auch als Gouverneur leidlich erfolgreich. Es liegt vielmehr an einem Phänomen, das die Republikaner tief spaltet und die gesamte politische Landschaft Amerikas durchschüttelt: dem Triumph der Tea-Party-Bewegung, der neuen, erfolgreichen Sammelgruppierung für Konservative in Amerika.

Crist hat daraus die Konsequenz gezogen. An diesem Donnerstag gab er bekannt, sich nicht weiter um die Nominierung der Republikaner zu bemühen. Vielmehr will er als Unabhängiger antreten. Das hat es in Amerika selten gegeben: Ein Gouverneur muss seine eigene Partei verlassen, um für einen Senatssitz kandidieren zu können.

Seit Monaten hatte Crist ein innerparteilicher Konkurrent das Leben schwer gemacht: Marco Rubio. Der ehemalige Sprecher der Republikaner im Abgeordnetenhaus Floridas, ein Amerikaner kubanischer Abstammung, lag 2009, als er seine Kandidatur bekanntgab, in Umfragen noch 30 Prozent hinter Crist. Das hat sich radikal geändert.

Vor allem bei republikanischen Wählern hat sich das Meinungsklima gedreht - und das ist entscheidend, weil sie bei den Vorwahlen darüber bestimmen, wen die Partei ins Rennen um Floridas Sitz im Senat schickt. Unter republikanischen Wählern führt er nun mit 23 Prozent.

Die Umfragen sagen aber auch, dass Crist als unabhängiger Kandidat in einem Rennen gegen Rubio und den mutmaßlichen Bewerber der Demokraten, Kendrick Meek, durchaus Chancen hätte.

Machtkampf zwischen "Reformern" und der "alten Garde"

Rubio hat sich als erzkonservative Alternative zum pragmatischen Crist stilisiert. Von den Aktivisten der Tea-Party-Bewegung wurde er als einer der ihren begeistert begrüßt. Er liegt auf der gleichen Linie bei wichtigen Fragen: Er ist gegen Abtreibung und Schwulenehe und für das Recht auf uneingeschränkten Waffenbesitz. Vor allem aber bekennt er sich zum Credo der Konservativen: je weniger Staat um so besser. Steuern und Staatsausgaben sollen sinken, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen und die dramatische Verschuldung in den Griff zu bekommen.

In einer Kolumne des Wall Street Journals war unter dem dramatischen Titel "Der wahre republikanische Bürgerkrieg" vor ein paar Tagen nachzulesen, wie die Tea-Party-Bewegung das Rennen in Florida als Machtkampf zwischen "Reformern" und der "alten Garde" stilisiert.

Klar, dass Rubio den Reformern zuzuschlagen ist, der prinzipientreu schwierigen Entscheidungen nicht aus dem Weg geht. Crist dagegen zählt zu Letzteren, ist im Grunde nicht anders als die verhassten Demokraten, ein Kompromissler, der lieber Steuern erhöht als zu seinen Überzeugungen zu stehen.

Besonders übel genommen haben ihm die Konservativen, dass er Bundesmittel aus dem Konjunkturprogramm der Regierung in Washington in Anspruch genommen und Präsident Barack Obama bei dessen erstem Besuch in Florida schulterklopfend begrüßt hatte. "The hug", die Umarmung, hat das Rubio genannt als Sinnbild für die Verbrüderung seines Rivalen mit den Demokraten.

Den Tea-Party-Aktivisten kommt die Entscheidung Crists nicht einmal ungelegen. Sie sehen das Rennen als Chance, den Beweis liefern zu können, dass Erzkonservative mehrheitsfähig sind im Land. Den Demokraten gefällt die Situation ebenfalls. Auf einmal ist das Senatsmandat in einem Bundesstaat in greifbare Nähe gerückt, den sie bisher abgeschrieben hatten. In den Umfragen liegen alle drei Kandidaten gegenwärtig fast gleichauf.

Crist selbst dürfte die Lage am wenigsten behagen. Zwar hat er von allen Kandidaten mit Abstand am meisten Geld für den Wahlkampf gesammelt (bisher acht Millionen Dollar). Aber nun muss er etwas tun, was er bisher nicht allzu oft in seiner politischen Karriere nötig hatte: Er muss um sein Amt kämpfen.

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