USA:Störenfried aus der zweiten Reihe

Joe Biden

Populärer Störenfried: Joe Biden würde mit seiner Kandidatur allein wegen seiner Bekanntheit die US-Demokraten aufwirbeln.

(Foto: Molly Riley/AP)

Auch ohne sich offiziell erklärt zu haben, wirbelt US-Vizepräsident Joe Biden den Wahlkampf durcheinander.

Von Sacha Batthyany, Washington

Tut er es, oder tut er es nicht? Schließlich hat er es schon zweimal getan, zuletzt 2008. Joe Biden, Vizepräsident der Vereinigten Staaten, hat zwar noch nicht verkündet, er würde für die Wahl 2016 kandidieren, er hat entsprechende Gerüchte aber auch nie dementiert. "Es besteht also noch immer Hoffnung", sagt Jon Cooper, einer seiner vielen Befürworter, ein ehemaliger Obama-Spendensammler, der sich einer Gruppe anschloss, die den Vizepräsidenten im Rennen ums Weiße Haus unterstützt, obwohl es offiziell gar kein Rennen gibt. Sie sammeln Unterschriften und haben schon ein Logo, auf dem man den 72-jährigen Biden mit Pilotenbrille sieht, sie ist sein Markenzeichen. Dazu der Satz: "I'm ridin' with Biden".

Natürlich ist Coopers Gruppe "Draft Biden 2016" im Vergleich mit Hillary Clintons Stab und ihren 45 Millionen Dollar, die sie in den ersten drei Monaten an Spendengeld scheinbar mühelos eingenommen hat, ein Scherz. Doch ein Scherz war auch Donald Trump bis vergangene Woche, bis er in den Umfragen vorne lag, allen anderen republikanischen Kandidaten die Show stahl, und einigen von ihnen, wie dem Texaner Ted Cruz, wohl auch die Stimmen. Während Trump unwählbar bleibt, weil ihm alles fehlt, was es für dieses Amt braucht, außer dem Geld vielleicht, ist Joe Biden ein politisches Schwergewicht. 36 Jahre lang vertrat er als Senator den Bundesstaat Delaware. Er saß dem Justizausschuss vor, weitete die Rechte der Frauen aus und schränkte die von Waffenbesitzern ein und hatte auch außenpolitisch großen Einfluss. Er war früh für einen Nato-Lufteinsatz im Kosovokrieg gegen Slobodan Milošević. Das war 1999, da war Trump mit der Scheidung von seiner ersten Frau beschäftigt.

Dass der 72-Jährige den Irak-Krieg unterstützt hat, haben viele vergessen

Biden kam, ohne eine Finger zu krümmen, in der jüngsten CNN-Umfrage auf 16 Prozent der Stimmen, noch vor Bernie Sanders. Würde Biden kandidieren, so würde er aufgrund seiner Popularität das Feld der Demokraten aufwirbeln, das hat er mit Trump gemeinsam, dieses Disruptive. Die beiden so unterschiedlichen Männer könnten die Rolle der Störenfriede übernehmen, und die von vielen Experten vorhergesagte Wahl zwischen Hillary Clinton und Jeb Bush gefährden.

Vor zwei Jahren sagte Biden in einem Interview, er würde glücklich sterben, auch ohne jemals Präsident der Vereinigten Staaten gewesen zu sein, was nicht heiße, fügte er an, "dass ich nicht kandidiere". Doch die vergangenen Monate hielt er sich mit solchen Äußerungen zurück. Auch aus seinem Stab ist nichts zu erfahren. Im Wallstreet-Journal war vergangene Woche zu lesen, dass ihn sein Sohn Beau, der Ende Mai dieses Jahres an einem Gehirntumor starb, dazu ermuntert hatte, sich für die Wahl aufzustellen. Biden ist gemäß Umfragen vor allem bei jüngeren, urbanen Wählern beliebt, für die Hillary Clinton zu berechnend ist und zu wenig vertrauenswürdig. Sie sehen in Biden eine Art Opafigur, jemanden, der Menschen vereint, der nicht käuflich ist und das Land nicht in Kriege verzettelt. Dass Biden den Irak-Krieg unterstützte, haben viele vergessen. Dafür gilt er als der, der sich für gleichgeschlechtliche Ehen einsetzte, früher als Obama. "Biden hat Kultstatus", sagt der Wahlstratege Peter Fenn, "er macht auch mal einen Patzer und weicht vom Protokoll ab. Er wirkt authentisch." Dennoch werde es schwer für ihn, falls er sich entscheide zu kandidieren. Die Zeit, ein Team aufzustellen und Spenden zu sammeln, renne ihm davon, so Fenn.

Das vielleicht wichtigste Argument, das für Biden spricht, ist möglicherweise auch der Grund, der ihn von seiner Kandidatur abhält: Er wäre eine starke Nummer zwei. Für die Demokraten ist Biden nur Ersatz. Nur falls Clinton einbrechen sollte, hätte er eine Chance. Joe Biden hat angekündigt, im August die Frage nach seiner Kandidatur zu beantworten. Er war neulich in Kalifornien in einem Landwirtschaftsbetrieb und sah sich alles genau an. Dem Chef sagte er: "Wissen Sie, ich suche einen neuen Job."

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