USA:Starker Tobak für alle Lager

Hilllary Clinton

Lust auf große Worte: Hillary Clinton, hier bei einem Auftritt im Mai, rechnet in ihrem neuen Buch mit Kritikern ab, sogar im eigenen Lager.

(Foto: Josh Reynolds / AP)

Hillary Clinton meldet sich zurück. Mit einem Buch, das Demokraten nerven dürfte.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die Amerikaner werden in nächster Zeit viel von Hillary Clinton zu sehen bekommen. Nachdem die Demokratin im vergangenen November die Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump verloren hatte, war sie weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Sie hat sich zurückgezogen und ein Buch darüber geschrieben, wie sie die Causa Trump sieht. Am Dienstag wird es veröffentlicht. Und damit das auch jeder mitbekommt, hat Clinton für die kommenden Tage und Wochen eine so massive Werbetour geplant, dass sich selbst einige ihrer Anhänger in der Partei fragen, ob das wirklich sein muss. Nicht alle Demokraten haben Lust oder halten es für politisch sinnvoll, wieder und wieder durchzukauen, warum Clinton gegen Trump verloren hat.

Clinton sieht das offensichtlich anders. "What happened", heißt ihr Buch, frei übersetzt: Wie es passiert ist. Und es ist bezeichnend, dass das eben nicht als Frage gemeint ist. Clinton ist nicht so sehr daran interessiert, was andere über sie und ihren gescheiterten Wahlkampf denken. Sie will den Amerikanern und ihren Wählern etwas mitteilen - ihre Sicht der Dinge. Wie etwas geschehen konnte, das eigentlich nicht geschehen durfte: Dass eine erfahrene, ausgefuchste Politikerin, die praktisch als Siegerin gesetzt war, das Rennen um die Präsidentschaft gegen einen polternden Novizen verpatzt hat.

Clinton kritisiert auch Obamas Vize Biden. Warum oder wofür, ist allerdings nicht ganz klar

Nach allem, was bisher über das Buch bekannt geworden ist, liest es sich über weite Strecken als Abrechnung. Jeder, von dem Clinton glaubt, er habe zu ihrer Niederlage etwas beigetragen, findet darin offenbar Erwähnung. Das beginnt natürlich mit Donald Trump, der sie bei den Fernsehdebatten praktisch belästigt habe und überhaupt ein grässlicher Mensch sei, wie Clinton schreibt. Das geht weiter mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Hackern, die peinliche E-Mails von den Demokraten gestohlen und veröffentlicht haben, sowie mit dem früheren FBI-Chef James Comey, der die Ermittlungen gegen sie wegen ihres fragwürdigen privaten E-Mail-Servers falsch gehandhabt habe. Auch der ehemalige Präsident Barack Obama wird gescholten, weil er angeblich nicht offen genug über Russlands Einmischung in die Wahl gesprochen habe. Obamas Vizepräsidenten Joe Biden kritisiert Clinton - warum oder wofür, ist nicht ganz klar, vielleicht vor allem deshalb, weil er sie kritisiert hat.

Mitschuld am bitteren Wahlausgang tragen nach Darstellung Clintons zudem erstens: das Electoral College, jenes US-Wahlmännergremium, dem die Demokratin es zu verdanken hat, dass sie landesweit zwar gut drei Millionen Stimmen mehr als Trump gewinnen konnte, trotzdem aber verlor, weil ihr in drei wichtigen Bundesstaaten knapp 80 000 Stimmen fehlten; und zweitens: der Sexismus in der Gesellschaft, der ihr als Frau entgegenschlage und ihren Sieg verhindert habe.

Sie wird Lesungen abhalten, zu denen der Eintritt an einigen Orten 2000 Dollar kostet

Und dann war da noch Bernie. Senator Bernard Sanders aus Vermont, um genau zu sein, der Clinton in der demokratischen Vorwahl so überraschend stark zugesetzt und sie zeitweilig völlig aus der Bahn geworfen hatte. Sanders, so beklagt Clinton, sei ja nicht einmal Demokrat - das stimmt: Sanders ist ein unabhängiger Senator und nennt sich einen "demokratischen Sozialisten" -, er habe überhaupt kein Interesse gehabt, einen Demokraten ins Weiße Haus zu bringen, sondern habe nur ihren Wahlkampf stören wollen. So wie Clinton es sieht, hat Bernie mit seinen Vorwürfen, sie sei eine elitäre, geldgierige Marionette der Banker und Bosse, der Hasskampagne von Trump erst den Boden bereitet.

Das ist alles starker Tobak, und es wird nicht dazu beitragen, die Leute in der Demokratischen Partei, die von Hillary Clinton schlicht genug haben, mit denen zu versöhnen, die sie immer noch anschwärmen und für das Opfer einer bösen, rechten, sexistischen Verschwörung halten. Denn natürlich war es bitter für Clinton, von Sanders wegen ihrer hochbezahlten Reden an der Wall Street kritisiert zu werden. Aber die Entscheidung, sich einstündige Auftritte mit sechsstelligen Honoraren vergüten zu lassen, hat Clinton alleine getroffen. Und natürlich war es ein Desaster, als FBI-Chef Comey einige Tage vor der Wahl die Ermittlungen gegen sie wieder aufnahm. Aber es war Clinton, die beschlossen hatte, ihre gesamte Kommunikation als Außenministerin über einen privat installierten E-Mail-Server im Keller ihres Hauses laufen zu lassen. Auch dass Clinton und ihr Wahlkampfteam die strategisch verheerende Entscheidung trafen, weiße Mittelklassewähler und deren wirtschaftliche Probleme zu vernachlässigen, war nicht die Schuld von Sanders.

Clinton wird in den nächsten Wochen in Aufmerksamkeit baden, zumindest so lange bis Barack Obama sein Buch über die Präsidentenjahre vorlegen wird. Sie wird im Fernsehen auftreten, Lesungen abhalten, zu denen der Eintritt an einigen Orten 2000 Dollar kostet. Eins aber will sie nie wieder sein: "Ich habe es satt, für etwas zu kandidieren", sagte sie am Sonntag.

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