USA:Soul des Südens

Democratic National Convention: Day Four

Bill Clinton auf einer Parteiveranstaltung in Philadelphia.

(Foto: Chip Somodevilla/AFP)

Bill Clinton wird 70. Er zog einst als einer der jüngsten Präsidenten ins Weiße Haus - bald könnte er in neuer Funktion zurückkehren.

Von Stefan Kornelius

Wer mit 46 Jahren Präsident der Vereinigten Staaten wird, der hat spätestens ein Problem, wenn er 54 ist. Dann ist die Amtszeit vorüber und das lange, vergleichsweise bedeutungsarme Leben nach der Präsidentschaft beginnt. Bill Clinton war 1993 der drittjüngste Kandidat, der je ins Präsidentenamt gekommen ist. Nur John F. Kennedy und Theodore Roosevelt überboten ihn noch an Jugend. Seltsam, dass Kennedy und Clinton auch wegen ihrer Filouhaftigkeit in Erinnerung blieben.

Dabei kann Clinton auf eine erfolgreiche Amtszeit zurückblicken, wenn er an diesem Freitag seinen 70. Geburtstag feiert. Aufgewachsen in der Obhut einer fürsorglichen und kämpferischen Mutter, trieb es Clinton früh in die Welt, gepackt vom Hunger nach Anerkennung. "First in his class" heißt das Standardwerk seines Biografen David Maraniss, der Clintons Ehrgeiz zum Lebensmotiv erhob.

Dabei gibt es auch ein zweites Motiv, das den Menschen Clinton zum erfolgreichen Politiker machte: Er repräsentierte jene Wählerschicht, die heute dem Populisten Trump verfallen ist. Clinton sprach die Sprache der einfachen, weißen Amerikaner, und er hatte den Soul des schwarzen Südens im Blut - eine ideale Kombination auf dem Weg ins höchste Amt.

Anders aber als Trump zeichnete sich der Jurist und Oxford-Student Clinton durch eine hohe Ernsthaftigkeit in der Sache aus. Er erhöhte die Steuern, weil es das Defizit verlangte. Er konzipierte eine Gesundheitsreform, auch wenn sie am Widerstand des Kongresses scheiterte. Er sorgte für Sozialreformen und schob in einer wirtschaftlichen Boom-Phase seine Demokraten so weit in die politische Mitte, dass den Konservativen die Luft wegblieb. Triangulation nannte man die Technik, und sie klang nicht zufällig so, dass man den Würgegriff spürte. Die Idee wurde später von Tony Blair in Großbritannien und von Gerhard Schröder kopiert.

Seinerseits spürte Clinton ebenfalls stets den politischen Würgegriff, was mit der dunklen Seite seines Charakters zu tun hatte. Zeit seines öffentlichen Lebens verfolgten ihn Frauengeschichten, dubiose Gefälligkeits-Skandale und der Geruch des Halbseidenen. Das ganze gipfelte nach der Affäre mit der nur 22-jährigen Praktikantin Monica Lewinsky in einem Amtsenthebungsverfahren, dem zweiten in der US-Geschichte.

Selten hat das politische Washington so gebebt, wie in diesem denkwürdigen Schlachtenjahr 1998/99, in dem es um weit mehr ging als um Spermaflecken und Zigarren. Wie Clinton überlebte, gehört zu den großen Entfesselungs-Kunststücken der modernen Politik.

Das Thema wird wieder hochkommen, spätestens wenn seine Frau Hillary im direkten TV-Duell auf Donald Trump trifft. Dass die beiden, Bill und Hillary, immer noch ein Paar sind, möglicherweise auch sie bald ausgestattet mit den höchsten Weihen, ist eine der bemerkenswerteren Geschichten der Macht, die in den USA geschrieben wurden.

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