USA:Solide konservativ

USA: Eine Bastion der Überparteilichkeit – noch: Der Supreme Court in Washington wacht über die US-amerikanische Verfassung.

Eine Bastion der Überparteilichkeit – noch: Der Supreme Court in Washington wacht über die US-amerikanische Verfassung.

(Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Seit Jahren haben die US-Republikaner auf eine solche Gelegenheit gewartet: Eine Neubesetzung im Supreme Court bietet ihnen die Chance, die amerikanische Gesellschaft auf Jahre hinaus zu verändern.

Von Christian Zaschke, New York

Das Wochenende hat US-Präsident Donald Trump mal wieder in einem seiner Golf-Resorts verbracht. Mit der Präsidentenmaschine Air Force One hatte er sich am Freitag nach Bedminster in New Jersey bringen lassen. Dort wollte er in Ruhe über die bisher wichtigste Entscheidung seiner Amtszeit nachdenken: Mit wem er die frei werdende Richterstelle am Supreme Court besetzt, dem höchsten Gericht des Landes.

Nachdem in der vergangenen Woche der 81 Jahre alte Richter Anthony Kennedy seinen Rücktritt erklärt hatte, ist bei den Republikanern eine lange geplante Operation angelaufen. Seit Jahren haben sie auf eine solche Gelegenheit gewartet, seit Monaten haben sie sich auf diesen Moment vorbereitet. Sie stehen vor einer historischen Chance: Es bietet sich ihnen die Gelegenheit, mit dieser Neubesetzung die amerikanische Politik auf Jahre und Jahrzehnte hinaus zu verändern.

Von den neun Richtern am Supreme Court gehören vier dem konservativen Lager an, vier dem liberalen. Richter Kennedy ließ sich, obwohl er vom republikanischen Idol Ronald Reagan ernannt worden war, keinem der beiden Lager zuordnen. Er stimmte zwar verlässlich mit den Konservativen, wenn es zum Beispiel um das Recht auf Waffenbesitz ging. Doch erzürnte er die Republikaner regelmäßig, weil er das Recht auf Abtreibung, die Homo-Ehe oder eine Einschränkung der Todesstrafe befürwortete. Mit solchen Ärgernissen soll es nach dem Willen der Republikaner bald vorbei sein.

Bereits am 9. Juli will Donald Trump verkünden, wen er für die Nachfolge Kennedys nominiert. Das ist ungewöhnlich schnell und Ausdruck der Tatsache, dass das Weiße Haus diesen Augenblick seit geraumer Zeit herbeigesehnt hat. Lange vor dem Rücktritt Kennedys haben die Republikaner eine Liste von 25 potentiellen Verfassungsrichtern zusammengestellt. Erste Voraussetzung: Die Kandidaten mussten solide konservativ entscheiden. Keinesfalls soll die neue Richterin oder der neue Richter eine Kraft des Ausgleichs sein.

Von dieser Liste wird Trump wählen. Er habe sie bereits auf fünf Kandidaten verkleinert, darunter zwei Frauen, sagte er zunächst. Dann teilte er mit, er werde sich vielleicht sechs oder sieben Kandidaten näher ansehen. Der Pressetross, der den Präsidenten auf all dessen Wegen begleitet, hielt daher in Bedminster vor allen Dingen Ausschau nach Richtern, die sich just an diesem Wochenende zu einer Runde Golf auf der Anlage des Präsidenten entschlossen hatten. Die Reporter konnten jedoch keine Richter entdecken. Stattdessen schaute Trumps Tochter Ivanka vorbei, um Hallo zu sagen. Dass Trump jedoch tatsächlich nicht bloß ausspannte, ließ sich daran ablesen, dass auch Donald McGahn mit nach Bedminster gereist war, der Rechtsberater des Weißen Hauses. Er koordiniert die Suche nach einem Nachfolger.

Das FBI wird die Kandidaten auf mögliche finanzielle Abhängigkeiten durchleuchten

Bereits im vergangenen Jahr hatte Trump einen neuen Verfassungsrichter ernennen können. 2016 war der Konservative Antonin Scala verstorben. Trump ersetzte ihn durch den Konservativen Neil Gorsuch. Das war vor allen Dingen deshalb eine interessante Wahl, weil Gorsuch einst für Richter Kennedy gearbeitet hatte. Bei dessen Amtseinführung soll Kennedy väterlichen Stolz verspürt haben. Auch als Trump Posten an niedrigeren Gerichten besetzte, achtete er darauf, dass ehemalige Mitarbeiter Kennedys zum Zuge kamen.

Zudem hatte Trump in den vergangenen Monaten bisweilen einzelne Richter des Supreme Court kritisiert. Den Vorsitzenden John Roberts, seines Zeichens ein Konservativer, nannte er gar "ein Desaster". Kennedy hingegen hat er stets explizit gelobt. Ivanka Trump stattete dem Richter im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrer Tochter Arabella einen Besuch am Gericht ab, über den sie anschließend in Dankbarkeit twitterte. Mit Kennedys Sohn Justin hat Trump oft zusammengearbeitet, weil dieser bei der Deutschen Bank für Immobilien zuständig war. Er lobte ihn als "besonderen Typen". Die politischen Beobachter glauben, dass er Kennedy mit all dem vermitteln wollte, dessen Erbe sei in guten Händen - er könne beruhigt zurücktreten.

Wenn Trump in einer Woche verkündet, wen er für die Nachfolge nominiert, beginnt ein aufwendiger Prozess. Das FBI wird die Kandidatin oder den Kandidaten durchleuchten, dabei geht es zum Beispiel um mögliche finanzielle Abhängigkeiten. Für den Senat muss ein Fragebogen ausgefüllt werden, der Tausende Seiten lang sein kann. Aufgeführt werden muss jeder einzelne Fall, an dem die Person als Anwalt oder Richter gearbeitet hat. Zudem jede öffentliche Rede, jedes Interview, jeder veröffentlichte Artikel, jede Äußerung auf Podiumsdiskussionen.

Zunächst tritt die nominierte Person dann vor dem Justizausschuss auf. Nach dieser Anhörung übergibt der Ausschuss die Entscheidung dem Senat. In diesem halten die Republikaner eine Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen. Die Hoffnung der Demokraten besteht darin, dass einige weibliche Abgeordnete der Republikaner einen Kandidaten Trumps ablehnen könnten, der zum Beispiel das Recht auf Abtreibung einschränken will. Dabei haben sie besonders zwei Senatorinnen aus Maine und Alaska im Blick, Susan Collins und Lisa Markowski. Allerdings wissen das auch die Republikaner, weshalb sowohl Collins als auch Markowski sich seit Ende vergangener Woche der besonderen Aufmerksamkeit ihrer Kollegen erfreuen dürfen.

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