USA:Welche Wahlversprechen Trump bislang umgesetzt hat

Guests watch a video of Trump as he addresses the 15th Plenary Assembly of the World Jewish Congress in New York

Anders als der Wahlkämpfer "The Donald" scheint Präsident Trump eher bereit, Fehler und mangelndes Wissen einzugestehen.

(Foto: REUTERS)
  • Kurz vor der Präsidentschaftswahl hatte Trump einen "Vertrag mit Amerikas Wählern" präsentiert und darin 27 Maßnahmen für seine ersten 100 Tage im Weißen Haus angekündigt.
  • Von seinen zahlreichen Versprechen hat der Republikaner nur wenige einhalten können: Ihm fehlt weiterhin das Verständnis für die Feinheiten des Politbetriebs.
  • Zuletzt lässt sich jedoch bei Trump eine gewisse Lernbereitschaft erkennen.

Von Matthias Kolb

Die Inszenierung war gelungen, am 22. Oktober 2016. Der Präsidentschaftskandidat Donald Trump trat in Gettysburg auf, wo sich 1863 die blutigste Schlacht des amerikanischen Bürgerkriegs ereignet hatte - und wo Abraham Lincoln in seiner legendären Gettysburg Address die geteilte Nation zur Einheit aufrief.

Wo Amerikas beliebtester Präsident einst Optimismus verbreitet hatte, klagte Trump ausführlich über die angebliche Verschwörung gegen ihn und beschrieb die USA als "Land im Niedergang". Für staatsmännisches Auftreten war keine Zeit, Trump präsentierte einen "Action Plan to Make Amerika Great Again" mit 27 Maßnahmen für seine ersten 100 Tage als US-Präsident.

Nun, da dieses Datum immer näher rückt, tut der Republikaner dieses als "lächerlich" und "künstlich" ab. Alle Zwischenzeugnisse seien Momentaufnahmen und die Medien ihm ohnehin feindlich gesinnt und "unehrlich". Doch der von Trump unterschriebene "Vertrag mit Amerikas Wählern" ist weiterhin auf seiner Website zu finden und es lohnt sich, dieses Dokument sechs Monate nach seiner Vorstellung genauer zu betrachten. Wo ist Trump eingeknickt, welche Versprechen hat er gehalten und was wurde stillschweigend einkassiert?

Aus den Ankündigungen von Gettysburg dringt der ungefilterte Populismus des Wahlkämpfers Trump, der sich nicht mehr um unentschlossene Bürger bemüht. Damals lag er in den Umfragen hinter Hillary Clinton - er wollte der konservativen Basis und der frustrierten Mittelschicht zeigen, wie er in Washington aufräumen würde. Mit sechs Maßnahmen, proklamierte Trump, werde er schon an Tag eins als Präsident die Korruption bekämpfen und die Lobbyisten zurückdrängen.

Umgesetzt hat Trump zwei: Per Präsidialdekret hat er Ex-Mitarbeitern des Weißen Hauses verboten, als Lobbyisten für ausländische Regierungen zu arbeiten. Zudem bestimmte er, dass für jede Regulierung zwei alte gestrichen werden. Wie man die Wut auf die Elite in Washington bedient, weiß Trump genau. Doch über seine radikalste Ankündigung, nämlich die Amtszeiten von Senatoren und Abgeordneten zu begrenzen, spricht der 70-Jährige nicht mehr. So etwas ist vor allem mit Mitch McConnell, dem konservativen Mehrheitsführer im Senat, nicht drin.

Die Feinheiten des Politbetriebs kennt Trumps Team noch nicht

Wie wenig der ehemalige Reality-TV-Star Trump die Abläufe im Kongress versteht, illustrieren die zehn Gesetzesinitiativen aus dem Vertrag von Gettysburg. Seine Erfolgsquote? Null Prozent. Der einzige konkrete Gesetzentwurf sollte die unter konservativen verhasste Obamacare-Krankenversicherung beseitigen - doch Trump scheiterte mit seinem ebenso unausgegorenen wie ungerechten Plan kolossal, obwohl die Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat die Mehrheit haben. Sein Ruf des "Dealmakers" ist seither angekratzt, als Präsident musste Trump schmerzhaft erfahren, dass er den oft eigensinnigen Kongressabgeordneten seinen Willen nicht aufzwingen kann.

Die neun anderen Ideen aus seinem "Vertrag mit den US-Wählern" lesen sich wie Tweets: Populäre Schlagwörter ("End Illegal Immigration Act" oder "American Energy & Infrastructure Act") werden aneinandergereiht und Forderungen nach der Grenzmauer zu Mexiko oder nach Milliardeninvestitionen in Straßen und Brücken wiederholt. Details, etwa zur Finanzierung? Nach drei Monaten im Amt noch immer: Fehlanzeige. Auch die gerade mit großem Bombast präsentierte Steuerreform ist nur ein Wunschzettel des Weißen Hauses, noch dazu einer, den wegen der drohenden Staatsverschuldung längst nicht alle Republikaner unterstützen.

Dass seriöse Politik und juristischer Sachverstand durch Aktionismus nicht zu ersetzen sind, zeigt auch die Passage "Wiederherstellung von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit". Gerichte haben Trumps Einreiseverbot für Bürger aus mehrheitlich muslimischen Staaten ebenso gestoppt ("eindeutige Diskriminierung") wie die Ankündigung, so genannten Zufluchtsstädten Zuschüsse zu entziehen, wenn diese Migranten schützen und nicht mit Einwanderungsbehörden kooperieren. Das Getöse des Wahlkampfs holt Trump in den Begründungen der Richter ein.

Dennoch finden sich in dieser Kategorie Trumps klarste Erfolge: Er hat durch Dekrete und das obskure Gesetz Congressional Review Act viele von Obamas Beschlüssen und Auflagen in Sachen Umweltschutz rückgängig gemacht. Und mit Neil Gorsuch hat er einen relativ jungen und strikt konservativen Richter am Supreme Court platziert, wo dieser auf Jahrzehnte hin Urteile fällen wird. Damit hat er jenes Versprechen erfüllt, dass der christlichen Rechten und den Libertären am wichtigsten war.

"Schrecklich kompliziert": Ein bisschen hat Trump dazugelernt

Wie sehr die Zwänge des Amts und die Realität Trumps Politik prägen, illustrieren die sieben Maßnahmen zum Schutz der amerikanischen Arbeiter. Zwar hat er sofort das ohnehin chancenlose Transpazifische Freihandelsabkommen TPP aufgekündigt, doch auf die versprochene Neuverhandlung des Nafta-Abkommens mit Mexiko und Kanada musste die Welt lange warten. Bemerkenswert ist die 180-Grad-Wende in Sachen China; jenem Land, das die USA angeblich wirtschaftlich "vergewaltigt". Schon am ersten Tag im Weißen Haus wollte Trump laut Vertrag seinen Finanzminister anweisen, Peking als Währungsmanipulator zu brandmarken. Davon ist nun keine Rede mehr, was man wie PolitiFact als peinlichen "Flipflop" ansehen kann.

Andererseits lässt sich diese Entscheidung mit etwas gutem Willen auch als Teil einer Lernkurve sehen: In einem bemerkenswerten Interview mit der Nachrichtenagentur AP gibt Trump zu, dass er dieses Versprechen einkassiert hat, damit Präsident Xi Jinping in der Nordkorea-Politik mit den USA kooperiert. Natürlich wäre es schön, wenn Trump diese Art von Komplexität schon früher begriffen hätte: Anders als bei Immobiliendeals gibt es in der internationalen Politik nicht nur Sieger und Verlierer.

Die militärische Antwort mit 59 Marschflugkörpern auf Assads Giftgaseinsatz gegen sein eigenes Volk ist Trumps zweite drastische Kehrtwende in seiner kurzen Amtszeit. Von einer echten Strategie für den Nahen Osten ist der impulsive Republikaner ebenso weit entfernt wie in den meisten anderen Politikfeldern - und an Selbstüberschätzung mangelt es ihm weiterhin nicht.

Doch anders als der Wahlkämpfer "The Donald" scheint Präsident Trump eher bereit, Fehler und mangelndes Wissen einzugestehen. Dass er seine "Die Nato ist überflüssig"-Aussage mit "Ich habe das gesagt, weil ich wenig über das Bündnis wusste" begründet und seine Meinung dem neuen Kenntnisstand (beziehungsweise der Realität) angepasst würde, war noch vor Wochen undenkbar.

Von Reue keine Spur: Die Basis unterstützt Trump weiterhin

Wenn der Präsident einer AP-Reporterin erzählt, dass die Budgets der US-Ministerien größer seien als die von Unternehmen und viele seiner Entscheidungen das Leben von Tausenden Menschen beeinflussuen, dann ist das in seiner Naivität einerseits schockierend. Anderseits verstärkt es die - wenngleich kleine - Hoffnung, dass die vernünftigeren unter Trumps Beratern ihn dazu bringen können, sich zumindest ein wenig mit Sachthemen zu beschäftigen.

Ähnlich lässt sich die jüngste Nafta-Wendung interpretieren: Zunächst hieß es am Mittwoch, Trump läge schon ein Präsidialdekret zur Unterschrift vor, um den Freihandelspakt aufzukündigen. Stunden später wurde bekannt, dass der US-Präsident nun mit Kanada und Mexiko verhandeln wolle, um Nafta zu verbessern - die Warnungen von Abgeordneten und Wirtschaftsvertretern wurden also gehört.

Zu den besonderen Statistiken der ersten hundert Trump-Tage gehört, dass der Präsident bisher keine Auslandsreise absolviert hat. Wer ein bisschen Optimismus hat: Wenn Trump das internationale Parkett betritt, wird er das womöglich nicht ganz so ahnungslos tun wie zuvor. Die eigene Flexibilität hat der Milliardär stets als seine große Stärke bezeichnet und seine eigenen Anhänger nehmen es ihm noch nicht übel, dass er bisher wenige Versprechen gehalten und kaum geliefert hat.

Die Demoskopen der Washington Post fragten kürzlich die Wähler der Republikaner, ob sie sich heute in der Wahlkabine anders entscheiden würden. Das Ergebnis war eindeutig: Nur zwei Prozent bereuen es, für Trump gestimmt zu haben.

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