USA: Skandal bei der Air Force:Letzte Ruhe auf dem Müll

Jahrelang hat die US-Luftwaffe Leichenteile einfach verbrannt und auf einer Mülldeponie entsorgt - und das ist bei weitem nicht die einzige Schauergeschichte, über die Amerika erschüttert ist. Die Air Force spricht von "schwerem Missmanagement".

Reymer Klüver, Washington

Es ist eine Geschichte wie aus einem Horrorfilm. Die Eltern des gefallenen Soldaten hatten darum gebeten, dass ihr Sohn seine letzte Reise zur Beerdigung in seinem Heimatort in Ausgehuniform antreten möge. Die Leichenbestatter am Air-Force-Stützpunkt in Dover im amerikanischen Bundesstaat Delaware, wohin alle Kriegstoten der USA gebracht werden, wollten dem Wunsch entsprechen.

BODY OF US SOLDIER CARRIED INTO CHURCH

Beisetzung eines Soldaten der U.S. Army Special Forces in seiner Heimatstadt in Massachusetts. Der Sergeant First Class fiel im Dezember 2001 in Afghanistan durch Friendly Fire, als eine amerikanische Bombe unmittelbar neben ihm detonierte.

(Foto: REUTERS)

Doch der Soldat war grässlich zugerichtet. Eine Bombe hatte ihm im Januar 2010 in Afghanistan beide Beine abgerissen; der versehrte linke Arm ragte steif im rechten Winkel aus der Leiche und hätte nicht in den Sarg gepasst. In der Leichenhalle der Air Force sägten sie den Arm kurzerhand ab und steckten ihn, in ein Baumwolltuch gehüllt, weiter unten in den Sarg - ohne den Eltern ein Wort zu sagen. Auf den Sarg drapierten sie dann das Sternenbanner.

Enthüllungen wie diese vom Umgang mit Amerikas Gefallenen entsetzen gerade die Nation. Und es ist nicht die einzige Schauergeschichte. Erst am Mittwoch berichtete die Washington Post, dass Leichenteile, von denen keiner mehr so genau wusste, welchem Toten sie zuzuordnen waren, jahrelang kurzerhand verbrannt wurden und die Asche auf eine Mülldeponie in Virginia geschüttet wurde. Inzwischen werden die Überreste auf See bestattet.

Am Tag zuvor hatte die Air Force auch in anderen Fällen "schweres Missmanagement" in Dover eingeräumt. So waren die geborgenen Knöchelknochen eines Toten einfach verschwunden. Auch Leichenteile anderer Gefallener waren nicht mehr aufzufinden. Insgesamt ist die Rede von 14 solcher Fälle.

Überreste in falschen Gräbern

Die Vorgänge in Dover sind die jüngste Affäre in einer Reihe von Skandalen im Umgang der amerikanischen Streitkräfte mit den Verwundeten und Toten der Kriege in Irak und Afghanistan. 2007 hatte ebenfalls die Washington Post enthüllt, wie grob nachlässig das Militär amputierte und hirngeschädigte Veteranen im Walter-Reed-Armeekrankenhaus betreute. Es ist inzwischen geschlossen.

Im vergangenen Jahr war bekanntgeworden, dass auf dem Nationalfriedhof Arlington bei Washington mehrmals die sterblichen Überreste Gefallener in den falschen Gräbern bestattet wurden. "Es gibt keine heiligere Pflicht, als unsere Gefallenen mit Ehrfurcht, Würde und Respekt zu behandeln", sagte nun der Stabschef der Luftwaffe, General Norton Schwartz. Der General räumte ein, dass der Luftwaffe die Zwischenfälle bereits seit Mai vergangenen Jahres bekannt waren. Die Angehörigen der Toten seien aber erst am vergangenen Wochenende informiert worden.

Der verantwortliche Offizier und zwei zivile Mitarbeiter in Dover waren bereits im August abgemahnt und versetzt worden. Verteidigungsminister Leon Panetta schloss mittlerweile weitere personelle Konsequenzen nicht aus. Es gebe keine Entschuldigung für das Fehlverhalten.

Das Office of Special Counsel, eine Behörde der Regierung, die Whistleblower und Informanten innerhalb der US-Administration schützen soll, kritisierte die Air Force scharf. In der Luftwaffe gebe es eine Kultur, "die Verantwortung für Fehlverhalten nicht zu übernehmen".

Tatsächlich hatte der abgemahnte Chef der Leichenhalle in Dover versucht, zwei Angestellte zu feuern, die Vorgesetzte über die Zustände informiert hatten. Einer der beiden sagte, dass die Luftwaffe die Vorgänge habe vertuschen wollen.

"Das hat mich umgehauen"

Dass die Praxis, Leichenteile auf einer Mülldeponie zu entsorgen, überhaupt bekannt wurde, dürfte auch der Hartnäckigkeit einer Kriegerwitwe zu danken sein. Gari-Lynn Smith, deren Mann Scott 2006 von einer Bombe in Irak zerrissen worden war, hatte in einem Autopsiebericht der Air Force ein Jahr später herausgefunden, dass nicht alle Leichenteile ihre Mannes so rasch geborgen werden konnten, um sie in den nach Dover überführten Sarg zu tun. Auf die Frage, was mit dem Rest geschehen sei, habe sie "keine ehrliche Antwort" bekommen, berichtete die Kriegerwitwe.

Erst im April sei sie darüber informiert worden, dass zumindest einige der sterblichen Überreste auf der Deponie gelandet seien. "Das hat mich umgehauen", gab sie zu Protokoll, "dass Scott auf den Müll geworfen wurde."

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