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USA: Der republikanische Kandidat für den Senat Roy Moore.

Der republikanische Kandidat für den Senat Roy Moore.

(Foto: Brynn Anderson/dpa)

Nach Hollywood steht nun auch Washington im Fokus: Gegen hochrangige amerikanische Politiker häufen sich Vorwürfe von sexuellem Missbrauch.

Von Sacha Batthyany, Washington

Der sogenannte Weinstein-Effekt hat in den USA die Politik erreicht. Wachgerüttelt durch die Missbrauchsvorwürfe gegen Hollywoodproduzenten und Schauspieler und bestärkt durch die "Me Too"-Debatte in den sozialen Medien, brechen immer mehr Frauen ihr Schweigen und bezichtigen Abgeordnete beider Seiten des sexuellen Übergriffs. Der jüngste und vielleicht prominenteste Fall betrifft den ultrakonservativen Republikaner Roy Moore, einen Evangelikalen und ehemaligen Richter am Obersten Gericht in Alabama. 1979 soll Moore, damals in den Dreißigern, ein 14-jähriges Mädchen sexuell missbraucht haben, schreibt die Washington Post. Er soll sie in sein abgelegenes Haus gefahren, soll sich ausgezogen, sie geküsst und begrapscht haben. Gemäß Washington Post soll Moore zu jener Zeit drei weiteren Teenagern Avancen gemacht haben.

Moore, der sich gerade auf Wahlkampf um den freigewordenen Senatssitz in Alabama befindet, bestreitet sämtliche Vorwürfe. "Die linken Medienschoßhunde der Obama-Clinton-Maschinerie haben mit bösartigen Angriffen gegen mich begonnen", schrieb er auf Twitter. Es sei ein "spiritueller Kampf", mit dem man ihn und seine Botschaften zum Schweigen bringen wolle. Der ehemalige Richter ist aufgrund seiner rebellischen Aktionen so etwas wie ein Held der religiösen Rechten. Moore hatte sich etwa geweigert, ein Denkmal für die Zehn Gebote aus einem Justizgebäude Alabamas zu entfernen. Er setzte sich über ein Urteil des Obersten Gerichts in Washington zugunsten der Homoehe hinweg. Im Wahlkampf tritt er gerne mit geladener Pistole und Cowboyhut auf und behauptet, "Gottes Gesetz" als einzig gültiges Recht zu etablieren.

Im Parlament Kaliforniens soll es eine "eine Kultur des sexuellen Übergriffs" geben

Moore war nicht der Wunschkandidat des republikanischen Establishments für den Senatssitz, doch er setzte sich gegen einen gemäßigteren Kandidaten durch. Politiker wie Mitch McConnell, Fraktionschef im Senat, oder John McCain ließen Moore fallen und forderten ihn auf zurückzutreten, sollten die Vorwürfe stimmen. Präsident Donald Trump, der im Wahlkampf 2016 ebenfalls von mehreren Frauen des sexuellen Übergriffs bezichtigt wurde, ließ ausrichten, Moore werde schon das Richtige tun, legte ihm aber den Rücktritt nahe.

Rückendeckung erhielt der ehemalige Richter von den Ultrakonservativen - und von Männern wie Stephen Bannon, der nach seinen Monaten als Berater Trumps wieder die rechtsnationale Plattform Breitbart führt. Es sei eine "Hetzkampagne der linken Medien", sagte Bannon. Der Vorwurf des sexuellen Übergriffs auf eine Minderjährige sei schwerwiegend. Doch der Hinweis, Moore habe sich mit anderen Teenagern getroffen und Wein getrunken, obwohl dies in Alabama erst ab 19 Jahren legal sei, "ist nur noch grotesk", stand auf Breitbart.

Der oberste Rechnungsprüfer von Alabama, Jim Ziegler, nahm derweil Hilfe von ganz oben in Anspruch. Mit der Bibel versuchte Ziegler Pädophilie zu rechtfertigen. "Maria war ein Teenager und Josef ein erwachsener Zimmermann. Sie wurden die Eltern von Jesus", sagte Ziegler.

Vor den Anschuldigungen gegen Roy Moore gab es in den vergangenen Tagen bereits Vorwürfe gegen Politiker in Minnesota. In Kentucky trat ein republikanischer Abgeordneter zurück, nachdem ihm sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorgeworfen worden war. Nachdem mehrere Politikerinnen und Lobbyistinnen behaupteten, im Parlament Kaliforniens herrsche "eine Kultur des sexuellen Übergriffs" und eine "Mauer des Schweigens", wurde eine Anwaltskanzlei aufgefordert, mit Ermittlungen im Kapitol in Sacramento zu beginnen.

Von jener "Mauer des Schweigens" sprach auch die ehemalige Fernsehmoderatorin Gretchen Carlson, die ihren Sender Fox News wegen sexueller Diskriminierung 2016 verklagte und behauptete, von ihrem ehemaligen Senderchef Roger Ailes belästigt worden zu sein. Ailes wurde mittlerweile entlassen. Ähnlich erging es Fox-Moderator Bill O'Reilly. Vor Tagen wurde publik, dass der in den USA bekannte Politikjournalist Mark Halperin von mindestens fünf Frauen des sexuellen Übergriffs bezichtigt wird. Die Vorfälle liegen zum Teil zehn Jahre zurück. Unter denselben Anschuldigen bereits zurückgetreten ist der ehemalige Nachrichtenchef des National Public Radio, Michael Oreskes.

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