USA-Reise:Der chinesische Traum

  • Der chinesische Staatschef Xi Jinping besucht die USA zu einer Zeit, in der sein Land in einer wirtschaftlichen Krise steckt.
  • Hackerattacken und der Bau künstlicher Inseln im Südchinesischen Meer trüben das Verhältnis zwischen ihm und seinem amerikanischen Amtskollegen.
  • Es ist unwahrscheinlich, dass die Begegnung zu beiderseitigem Entgegenkommen führen wird.

Von Kai Strittmatter, Peking

Wahrscheinlich hatte Xi Jinping sich das anders vorgestellt. Der Staatschef Chinas zu Besuch bei seinem Amtskollegen in Washington, die aufsteigende Weltmacht zu Gast bei der amtierenden: Viel mehr Status geht in der Welt der Staatsbesuche nicht. Die Showeinlagen seiner Vorgänger hätte Xi ohnehin nicht wiederholt, er hätte nicht den Cowboyhut geschwenkt wie Deng Xiaoping 1979 in Texas und nicht den Hula getanzt wie Jiang Zemin 1997. Xi ist von größerem Ernst. Und gerade deshalb wäre er wohl gerne etwas weniger zerzaust gelandet in den USA: Er, den manche schon zum stärksten Führer Chinas seit Mao Zedong ausgerufen hatten, musste ausgerechnet in den letzten Monaten zu Hause herbe Rückschläge hinnehmen.

Vor allem in der Wirtschaft - die Basis für Chinas Aufstieg in der Welt - läuft manches nicht so wie geplant. Xis Reformen stocken, das Wachstum lahmt, bei der Börsenkrise agierte Xis Regierung seltsam planlos. Mit einem Mal wirkt Xi weit angreifbarer als in den ersten Jahren seiner Amtszeit. Was nicht heißt, dass die Verhandlungsbasis der Amerikaner damit automatisch stärker würde.

Obama sieht chinesische Hackerattacken allmählich als nationale Bedrohung

Xi wird zuerst bis zum Mittwoch in Seattle weilen, und dann weiterreisen nach Washington. Wahrscheinlich werden Amerikas Internet- und Hightech-Bosse in Seattle und Präsident Barack Obama in Washington Xi Jinping trotz aller Probleme mit dem gleichen Selbstbewusstsein erleben, das er seit seinem Amtsantritt im November 2012 zur Schau trägt.

Zwischen China und den USA wuchsen zuletzt die Spannungen: Chinas Hackerattacken auf US-Firmen und Behörden verärgern die USA ebenso wie der Bau künstlicher Inseln im Südchinesischen Meer. Mit Durchbrüchen bei diesen Themen rechnete ohnehin niemand. Gut möglich, dass ein unter großem Druck stehender Xi Jinping sich nun noch weniger entgegenkommend zeigen wird.

Xi hat die Zurückhaltung seiner Vorgänger aufgegeben

Außenpolitisch schlug Xi Jinping in den vergangenen zwei Jahren einen neuen Ton an. Er träumte den "chinesischen Traum" von der "Wiederbelebung der großen chinesischen Nation". Xi hat dabei die Zurückhaltung seiner Vorgänger aufgegeben, er scheut in den umstrittenen Territorien des Ost- und Südchinesischen Meeres konfrontative Schritte nicht. Er handelt auch proaktiv auf eigene Faust, wo frühere chinesische Staatschefs nur reagierten. Satellitenaufnahmen schienen Bauaktivitäten auf Atollen der Spratly-Inseln noch kurz vor Beginn des Staatsbesuches zu zeigen, trotz gegenteiliger Beteuerungen Pekings. Die USA - und Chinas Nachbarn - alarmiert das.

Xi und die Seinen fühlen sich ihrerseits von den USA behindert. Sie unterstellen Washington, den Aufstieg Chinas sabotieren zu wollen: "Amerikas Strategie der Eindämmung Chinas wird nie funktionieren", lautet der Titel eines Webportals des Parteisprachrohrs Volkszeitung. Auf beiden Seiten ist im Moment wenig Kompromissbereitschaft zu spüren. Die USA sind im Wahlkampf, da haben antichinesische Ausfälle traditionell Konjunktur.

Die republikanischen Kandidaten überbieten sich wieder einmal in der Dämonisierung Chinas - immerhin drittgrößter Exportmarkt für die US-Unternehmen. Sie stellen es dar als Land, das den USA Arbeitsplätze und Geschäfte wegnehmen möchte. Donald Trump rief Präsident Obama sogar zu, er solle sich das Staatsbankett für den chinesischen Gast schenken und Xi stattdessen "einen Hamburger von McDonald's" zuschieben.

Die beiden Staatschefs wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind

Xi Jinping seinerseits setzt stark auf Nationalismus. Verstärkt spielt die Propaganda unter ihm antiwestliche Töne: Westliche Agenten, die angeblich Chinas Aufstieg sabotieren wollen, sind wieder ein gängiger Topos. Tatsächlich erklärte der KP-Apparat unter Xi den Westen und die USA ausdrücklich wieder zum ideologischen Feind, das sind Töne, die man zuvor lange nicht gehört hatte. Dabei kann beiden bei aller Rivalität an einer ausgewachsenen Feindschaft nicht gelegen sein. Xi und Obama wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern betrug fast 600 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr.

Wahrscheinlich wird man ein paar Übereinkünfte feiern in den Bereichen Klimaschutz, Investition und Militärkooperation. Symbolische Akte des guten Willens gab es schon im Vorfeld: Die USA lieferten einen 2001 aus China geflohenen und dort wegen Korruption gesuchten Geschäftsmann aus. Peking erlaubte einem seit drei Jahren in Hongkong festsitzenden Korrespondenten der New York Times die Wiedereinreise. Unwahrscheinlich jedoch, dass einer der beiden Präsidenten von dem Gipfel das mitnimmt, was er sich am meisten wünscht: Präsident Xi wird erneut vergeblich ein "neues Modell von Großmachtbeziehungen" einfordern, ein Verhältnis auf Augenhöhe also, in dem die USA China vor der eigenen Haustüre freie Hand gewähren. Obama hat vielmehr das Gegenteil im Sinn, wenn er von China Zurückhaltung im Südchinesischen Meer verlangt.

Die Frage ist auch, ob die beiden sich entgegenkommen bei der Cybersicherheit. Die USA beschuldigen China der Hackerangriffe im großen Stil, und zwar gezielt zum Ziel der Industriespionage. Angeblich haben beide Seiten im Vorfeld an einem Abkommen gearbeitet, allerdings behauptet Peking bis heute, mit den Angriffen nichts zu tun zu haben. In ungewöhnlich scharfen Worten erklärte Präsident Obama erst vor wenigen Tagen, das Problem drohe sich "zur nationalen Sicherheitsbedrohung" auszuwachsen: "Wir können das gerne zu einem Feld des Wettstreits machen, und dann garantiere ich: Wir werden gewinnen."

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