USA: Proteste gegen Obama:Tea Party: Zwischen Hysterie und Aberwitz

Amerikas Rechte versucht mit organisierten Aufmärschen eine Art nationale Bewegung gegen Obama ins Leben zu rufen - doch nicht alle Republikaner lassen sich von den Tea Partys mitreißen. Die Regierung bleibt indes betont gelassen.

Moritz Koch, New York

Ein paar hundert Demonstranten stehen im Regen. Sie geben patriotisches Liedergut zum Besten und posieren vor den Kameras. Nach einer Bewegung soll es aussehen. Für das Abendprogramm wird Aufruhr inszeniert.

USA: Proteste gegen Obama: "Tea Party" in Staten Island, New York. Für die Demonstranten ist Präsident Obama ein Sozialist.

"Tea Party" in Staten Island, New York. Für die Demonstranten ist Präsident Obama ein Sozialist.

(Foto: Foto: AFP)

Die Männer und Frauen halten Schilder hoch. "Es gibt keine Hoffnung im Sozialismus" ist auf ihnen zu lesen, "Besteuert bis in den Tod und darüber hinaus" und "Der Kongress versklavt unsere Kinder mit Schulden".

Dass sich ihre Bewegung nicht zwischen der Warnung vor Staatsverschuldung und der Forderung nach Steuersenkungen entscheiden kann, stört keinen der hier Versammelten. Sachlichkeit ist nicht das Ziel. Es ist ein Protest gegen den Staat - oder vielmehr gegen die Regierung, die von ihm Besitz ergriffen habe. Tea Partys heißen die Aufmärsche. Nicht nur am Lafayette Square, quasi einen Teebeutelwurf vom Weißen Haus entfernt, in ganz Amerika versammeln sich linientreue Konservative, um ihrem Ärger Luft zu machen.

1773 kündigte die Tea Party von Boston von der bevorstehenden Amerikanischen Revolution. Die Siedler der neuen Welt lehnten sich gegen die Steuerpläne ihrer Kolonialherren auf. Aus Protest gegen das britische Imperium warfen sie Teeladungen der East India Trading Company ins Hafenbecken.

Heute steht Tea für Tax Enough Already. Die gierigen Unterdrücker sitzen heute nicht in London, sondern in Washington. Die Demokraten sind die Rotröcke und Präsident Barack Obama ist King George.

Wochenlang haben konservative Strategen auf diesen Tag hingearbeitet, allen voran die Macher von Fox-News, dem rechtslastigen Fernsehkanal, in dem Obama wahlweise als böswilliger Sozialist (in Steuerfragen) oder politisches Weichei (im Umgang mit Schurkenstaaten) verdammt wird.

Nichts sollte dem Zufall überlassen werden, niemand den Aufschrei der Aufrechten überhören, und so schickte Fox-News seine Reporterschwadronen aus, um jede noch so kleine Tea Party aufzuspüren. Eine mit roten Punkten gespickte Amerika-Karte zeigte es an: Protest im ganzen Land, "from sea to shining sea", und Fox-News-Moderatoren waren ganz dicht dran am Geschehen, ob in San Antonio, New York oder Sacramento.

Agitationsfernsehen ist nichts Neues in den USA. Der Murdoch-Sender betreibt es seit Jahren und hat inzwischen mit MSNBC ein linksliberales Pendant, das anlässlich der Bürgerproteste kaum weniger Ressourcen mobilisierte als Fox - natürlich nur, um die Aktionen lächerlich zu machen. Die anderen Sender ignorierten die Teepartyrebellen weitgehend.

Graswurzelprotest von rechts

Offiziell gaben sich die Organisatoren überparteilich. Eric Odom von der Webseite TaxDayTeaParty.com sagte der Internetseite Politico, er habe "noch nie eine so überparteiliche Veranstaltung" gesehen. Neben Republikanern und Libertaristen seien auch viele Demokraten zu den Tea Parties gekommen, Anhänger von Hillary Clinton etwa. Doch blieb er mit dieser Einschätzung ziemlich allein.

Die Köpfe der Bewegung stehen eindeutig rechts: das republikanische Sprachrohr Newt Gingrich etwa. Und John Boehner, Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus. Wesentlich an der Organisation war auch die konservative Organisation Freedom Works beteiligt. Selbst die im vergangenen Herbst verpuffte Wahlkampfwunderwaffe Joe the Plumber ließ sich nicht bitten.

Doch längst nicht allen Republikanern ist der rechte Möchtegern-Graswurzelprotest geheuer. Bürgerbewegungen sind schwer zu kontrollieren. Die Partei-Elite sorgt sich um ihren Einfluss. Und so ließen sich weder Mitt Romney noch Sarah Palin auf einer der Partys blicken. Beide gelten als mögliche Obama-Herausforderer im Jahr 2012 und wissen: Die Demonstranten hören eher auf konservative Radiomoderatoren, die die reine Lehre predigen, als auf Politiker, die hin und wieder Kompromisse mit den Demokraten schließen.

Wie mächtig die außerparlamentarisch-innerparteiliche Opposition inzwischen ist, zeigt der Streitfall Michael Steele vs. Rush Limbaugh. Ersterer ist der gemäßigte Vorsitzende der Republikaner. Zweiterer der wohl prominenteste Dampfplauderer des Landes, der stets die totale Konfrontation mit Obamas Regierung sucht. Steele hatte es gewagt, Limbaugh als bloßen Entertainer zu bezeichnen. Der Hardliner war außer sich und echauffierte sich in seiner Talkshow, bis Steele zurückruderte: "Ich habe seine Bedeutung und Führungskraft nicht im mindesten schmälern wollen."

Betont gelassen reagierten die Demokraten auf die Tea Partys. Obama-Sprecher Robert Gibbs sagte bloß: "Der Präsident hat eine spürbare Steuerentlastung für die arbeitenden Familien dieses Landes versprochen. Und schon im ersten Monat seiner Regierung hat er genau das umgesetzt."

Zu viel Aufmerksamkeit wollten die Machthaber in Washington dem Protest nicht schenken. Wieso auch? Eine Opposition, die umhergeistert zwischen Hysterie und Aberwitz und interne Grabenkämpfe austrägt, kommt Obama ganz gelegen.

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