USA-Präsident:Trump begrüßt die EU mit einem Tiefschlag

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  • Ein paar Tage lang hatten sich die Europäer daran festgehalten, dass zumindest Trumps Minister normale Leute zu sein scheinen, dann schlug Trumps jüngstes Interview ein.
  • Die Nato reagierte besorgt auf Trumps Äußerungen, die EU-Kommission gab sich betont unaufgeregt und desinteressiert .
  • Die Bundesregierung vermied es, auf Trumps Provokationen einzugehen.

Von Stefan Braun, Daniel Brössler und Alexander Mühlauer

Er macht das jetzt voraussichtlich zum letzten Mal: Ankunft beim Ratsgebäude in Brüssel, draußen warten die Kameras, gefragt sind ein paar Sätze vor dem Beginn der Außenminister-Sitzung. Zählt man seine beiden Amtszeiten zusammen, dann ist Frank-Walter Steinmeier gut sieben Jahre Chef der deutschen Diplomatie gewesen. Unzählige Male hat er diese kleinen Brüsseler Auftritte absolviert, hat den Journalisten seine sorgfältig vorbereiteten Schachtelsätze serviert. Hängen blieb am Ende, dass die Dinge kompliziert sind, aber nicht hoffnungslos.

Diesmal ist es anders. Was Steinmeier zu sagen hat, ist ganz einfach und lässt wenig Raum für Zuversicht. Er spricht über "Äußerungen, die doch hier in Brüssel für Verwunderung und Aufregung gesorgt haben". Ein paar Tage lang hatten sich die Europäer daran festgehalten, dass zumindest die Minister des Donald Trump normale Leute zu sein scheinen. Nun aber ist in Europas diplomatischer Metropole das Interview des künftigen Präsidenten eingeschlagen.

Schon am Morgen war das zu spüren bei einem Frühstück Steinmeiers mit dem Generalsekretär jener Organisation, die Trump für "obsolet" hält. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte in den Wochen nach dem Wahlsieg Trumps viel Mühe darauf verwandt, Gelassenheit zu demonstrieren. Er sei, hatte er Anfang Dezember gesagt, "absolut sicher", dass die USA ihr starkes Bekenntnis zur Nato und den Sicherheitsgarantien aufrechterhielten.

Dies war mit Äußerungen Trumps im Wahlkampf eigentlich nicht in Einklang zu bringen und ist es nun erst recht nicht mehr mit seinen Sätzen im Interview, die von zum Teil entwaffnender Schlichtheit sind. Die Allianz sei obsolet, weil sie "vor vielen, vielen Jahren entworfen wurde". Trump bleibt im Übrigen bei der Einschätzung, erst er habe die Nato auf die Idee gebracht, sich dem Thema Terror zu widmen - und er wiederholt seine Klage, die meisten Nato-Staaten erfüllten ihre finanziellen Verpflichtungen nicht.

Merkel kann Aufgeregtheiten einfach nicht leiden

Trumps Beteuerung, die Nato sei ihm "abgesehen davon" sehr wichtig, trägt in Brüssel nur eingeschränkt zur Entspannung bei. Schließlich ist die Allianz dem künftigen amerikanischen Präsidenten dann doch nicht so wichtig, dass er sich der Mühe unterzogen hätte, ein paar Basis-Informationen zu memorieren, die leicht bei Wikipedia nachzuschauen wären. Trump schätzt die Zahl der Nato-Mitglieder auf 22, tatsächlich sind es 28. Was kann Stoltenberg dazu sagen? Bei der Nato sei man besorgt, sagt Steinmeier. Offiziell lässt der Norweger nach Erscheinen des Interviews seine Sprecherin nur noch einmal versichern, dass er sich auf die Zusammenarbeit mit Trump und seinem Team freue.

Auch die Kanzlerin in Berlin will am Montag unbedingt gelassen wirken und nicht auf die Provokationen Trumps reagieren. Erst recht will sie keine Sorge, gar Angst zeigen angesichts der harschen Töne des kommenden US-Präsidenten. "Ich warte erst mal auf die Amtseinführung, das gehört sich so", sagt Merkel, ganz so, als könne sich die neue Welt bis kommenden Freitag noch einmal auf den Kopf stellen. Ja, sicher, Trump habe "jüngst" (faktisch am Montag) seine Positionen noch einmal dargelegt. Die aber seien schon eine Weile bekannt - so wie sie ihre Positionen ja auch hinreichend oft erläutert habe.

Merkel kann Aufgeregtheiten einfach nicht leiden; wer das nicht weiß, kann es am Montag im Kanzleramt im Detail noch einmal studieren. Provokationen, Attacken, Spitzen - auch beim künftigen US-Präsidenten will sie partout keine Ausnahme machen. Und das gilt umso mehr für Politiker, die vor persönlichen Attacken gegen Merkel nicht zurückschrecken. Kein Wort von ihr also über die Sorgen, die Trumps Sätze auslösen. Selbstverständlich fürchtet man in Berlin, dass die düsteren Prognosen tatsächlich eintreten könnten. Sie jetzt aber schon zu befeuern, indem die Bundesregierung auf die erste harsche Provokation ähnlich lautstark antwortet, soll unbedingt vermieden werden.

Ob beabsichtigt oder nicht, gibt es dann aber doch eine Botschaft. Merkel tritt zusammen mit dem neuen neuseeländischen Premierminister Bill English auf. Die beiden schwärmen derart enthusiastisch von ihren "gemeinsamen Werten", der "engen Freundschaft" und den "großartigen Beziehungen" zwischen beiden Ländern, dass jedem bewusst werden muss, was plötzlich alles infrage steht im Verhältnis zu den USA.

Dass sich die Kanzlerin an einer Stelle dann doch noch recht konkret äußert, hat weniger mit Trumps Provokation, sondern vielmehr mit Merkels Sicht auf die Rolle der EU in der Welt zu tun. "Wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand", sagt die Kanzlerin in Anspielung auf Trumps Versuche, die EU zu spalten. "Und wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass uns das gelingen wird" - sei es bei der Sicherung der Außengrenzen, der inneren Sicherheit oder der Digitalisierung des Binnenmarktes.

USA
:Auszüge aus dem Trump-Interview

Was Donald Trump von Nato, EU und deutschen Exporten hält

Genau so will auch Europas mächtigste Behörde erscheinen: viel zu beschäftigt, um sich über einen Mr. Trump aufzuregen. "Wir haben das Interview mit Interesse gelesen", sagt der Chefsprecher der EU-Kommission und kann sich sein Grinsen nicht verkneifen. Auf die Nachfrage, ob das alles sei, was er zu Trumps Annahme sage, dass nach Großbritannien auch andere Länder die EU verlassen würden, antwortet der Sprecher kurz und knapp: "Ja."

"Wir Europäer sollten uns keine Illusionen machen"

Das ist es dann auch schon von offizieller Seite, nur eines lässt die Kommission in Richtung USA noch mitteilen. Die Behörde begrüße die Entscheidung, "dass die Vereinigten Staaten das Embargo auf den Import von Rindfleisch aus Frankreich aufheben". So steht es in einer am Mittag veröffentlichten Pressemitteilung. Die USA hatten 1998 wegen der BSE-Seuche einen Einfuhrstopp für Rindfleisch aus der EU verhängt. Nun dürfen zumindest die Franzosen wieder exportieren. Dies sei, meint EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, eine exzellente Nachricht für die französischen Hersteller. So weit, so üblich.

Und doch ist es eine denkwürdige Nachricht, denn Malmström, die für die gemeinsame Handelspolitik der EU verantwortlich ist, wird grundsätzlich: "Diese Entscheidung der Vereinigten Staaten zeigt deutlich, dass wir eine offene und konstruktive Beziehung mit einem unserer größten Handelspartner erreichen können." In diesem Satz der Handelskommissarin steckt das, was viele in Brüssel bis zuletzt noch hatten: die Hoffnung, dass der Unternehmer Trump doch bitte etwas von Wirtschaft und den Vorteilen des freien Handels verstehen könnte. Doch so wie es aussieht, war das ziemlich blauäugig.

"Wir Europäer sollten uns keine Illusionen machen", sagt ein EU-Diplomat. Europas Wirtschaft werde es viel schwerer haben, Geschäfte in den USA zu machen. Von einem drohenden Handelskrieg will der Diplomat nicht sprechen, da müsse man abwarten, was Trump von seinen Ankündigungen tatsächlich umsetze. Schließlich müsste er erst den US-Kongress davon überzeugen, Strafzölle einzuführen. Von der Welthandelsorganisation (WTO) ganz zu schweigen.

Trotz allem sei die Botschaft aber klar: "Alles, was wir uns mit TTIP erhofft haben, wird es mit Trump nicht geben." TTIP ist nicht mehr nur die Chiffre für das transatlantische Freihandelsabkommen, sondern auch für eine gemeinsame Zukunft, die es nicht mehr geben wird.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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