Phil Davison schreit, er reißt die Augen auf, tänzelt hinter dem Rednerpult vor und zurück, nach links und nach rechts. Er boxt in die Luft, seine Stimme überschlägt sich. Aber immer nur kurz, dann muss der Amerikaner wieder zurück zum Rednerpult und auf sein Manuskript gucken. Er hat die Rede nicht im Kopf. Manche Sätze muss er mehrfach wiederholen, weil er vor lauter Herzblut den Text durcheinanderbringt.
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"Ich war ein Republikaner in guten Zeiten und auch in schlechten Zeiten", ruft er. Geht nach links, geht nach rechts, blickt mit weit aufgerissenen Augen ins Publikum, kehrt zurück zum Rednerpult. "Ich werde mich für meinen Tonfall nicht entschuldigen. In der Politik zählt nur der Sieg!" Es klingt, als wäre er den Tränen nah.
Der Sieg ist Phil Davison verwehrt geblieben - trotz der vielleicht furiosesten Rede, die je ein Lokalpolitiker gehalten hat und die auf Video festgehalten wurde. Davison wollte Finanzdirektor werden in Stark County, einem Bezirk im US-Bundesstaat Ohio mit gut 380.000 Einwohnern. Das hat nicht geklappt. Dafür hat der 39 Jahre alte Lokalpolitiker aus dem Städtchen Minerva etwas viel Größeres geschafft. Wenn es auch vielleicht nicht von langer Dauer ist.
Über Nacht ist Davison zu einer Internetberühmtheit geworden. Beinahe 850.000 Mal wurde das Video seiner furiosen, sechsminütigen Rede vor dem zuständigen Komitee der Republikaner bei Youtube aufgerufen. Etliche Erwähnungen bei Facebook und Twitter taten ihr Übriges. Sein Telefon stehe nicht mehr still, hat er US-Medien erzählt. Dabei habe er doch nur gesagt, was ihm auf dem Herzen lag: "Ich brenne dafür, woran ich glaube. Es war ein sehr emotionaler Moment."
Das ist weit untertrieben. In amerikanischen Medien reichen die Bewertungen von "way over the top" bis "Raging-Bull-Style". In der Geschichte der County-Finanzdirektorenwahlen sei Davisons Rede wohl einmalig und für alle Zeiten unerreichbar, frotzelt das Polit-Blog Politico. Davison habe auf einen Schlag einen Bekanntheitsgrad erreicht, den andere Lokalpolitiker während ihrer ganzen Karriere nicht erreichen würden.
Stille im Publikum
Schon der Auftakt der Rede, gefilmt von einem Teilnehmer der Veranstaltung, ist ein Brüller: "Mein Name ist Phil Davison", ruft der Kandidat, als sei schon das ein überzeugender Grund, ihn zu wählen. Anschließend echauffiert sich der 39-Jährige derartig, dass er drei Anläufe braucht, um sein Lieblingszitat unfallfrei aufzusagen: "Inmitten der Schwierigkeit liegt die Möglichkeit". Das Bonmot stammt vom Physiker Albert Einstein.
Das Publikum ist während der gesamten Rede still - ob es sich amüsiert oder fremdschämt, bleibt dem Video-Betrachter verborgen. "Es war eigenartig. Ein bisschen Rückmeldung wäre schön gewesen", klagte Davison später. "Ich weiß nicht, wie die Rede angekommen ist."
Allzu gut wohl nicht, denn die Republikaner nominierten einen anderen Kandidaten für das Amt des Finanzdirektors. Dabei hatte Davison doch so engagiert gerufen, die derzeitige Finanzbuchhaltung sei "ein Schweinestall" und all den Wahnsinn in seinen Blick gelegt, um die dramatischen Zustände zu untermauern.
Bruder informierte über Berühmtheit
Es ist ihm nicht schwergefallen, so engagiert ins Rennen zu gehen. Seit 2009 sucht der ehemalige Gerichtsdiener einen festen Job. Seine Haupteinnahmequelle sind die 260 US-Dollar im Monat, die er als Stadtratsmitglied der 4000-Einwohnergemeinde Minerva erhält. 13 Jahre hat er das Amt nun schon inne - in seiner Rede gestikuliert er wild mit den Fingern, um die Zahl zu verdeutlichen.
Manche sehen in ihm schon den nächsten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner: Phil Davison. Dies ist wenig wahrscheinlich, aber zum Youtube-Star hat er es gebracht.
(Foto: Screenshot)Von seinem plötzlichen Ruhm erfuhr Davison am Telefon - sein Bruder rief ihn an, nachdem er das Video bei Youtube entdeckt hatte. Davison hatte noch nie von der Internetglotze gehört. Als man ihm sagte, das Video verbreite sich "viral", dachte er an eine Krankheit.
Tatsächlich wuchert der Davison-Hype bei Youtube in alle Richtungen - sogar eine Leni-Riefenstahl-Version in Nazi-Optik wurde schon gesichtet. Einige Youtube-Nutzer äffen Davison nach, andere vertonen seine Rede am Klavier oder sehen ihn als Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party. Die Anzahl der Videos wächst so stark, dass nach der üblichen Internet-Arithmetik der Hype bald zu Ende sein dürfte.
Was dann bleibt, ist die Erinnerung an die vielleicht furioseste Rede, die je ein Finanzdirektorenkandidat in den USA gehalten hat (und dabei gefilmt wurde). Und es bleibt der Wunsch von Phil Davison, der auf "mehr Radikalität" bei den Republikanern hofft und allen Politik-Einsteigern rät, eine "friedliche Revolution" zu beginnen. So, wie er es vorgemacht hat.