USA: Oberster Gerichtshof:Obamas Frau von links

Präsident Obama hat Elena Kagan als Oberste Richterin vorgeschlagen. Ein möglicher Stolperstein ist ihre Einstellung zur Schwulen-Richtlinie des Militärs.

Barbara Vorsamer

Kaum im zweiten Amtsjahr, darf US-Präsident Barack Obama schon seinen zweiten Obersten Richter ernennen - eine Chance, die nicht vielen Präsidenten zuteilwird und eine Möglichkeit, die Gesetzgebung der USA auf Jahrzehnte hin zu beeinflussen. Denn in den USA sind Gerichte, und vor allem der Oberste Gerichtshof in Washington, wesentlich einflussreicher als das Bundesverfassungsgericht in Deutschland. Das Rechtssystem basiert auf dem angelsächsischen "case law". Das bedeutet, dass nicht nur vom Parlament verabschiedete Gesetze Teil des geltenden Rechts sind - Entscheidungen der Obersten Gerichte auch.

Elena Kagan, AP

Elena Kagan: "Ein Mangel an Erfahrung hat sie noch nie aufgehalten."

(Foto: Foto: AP)

Obamas Wunschkandidatin für den Supreme Court ist Elena Kagan, die 50-jährige Dekanin der Harvard Law School, an der auch Obama studierte. Die beiden kennen sich aus Chicago. Kagan lehrte auch an der dortigen Universität, wo sie sich heftig (und erfolglos) bemühte, den damaligen Teilzeit-Lehrbeauftragten Obama zu einer Karriere in der Wissenschaft zu überreden.

Auf der Richterbank wäre Kagan das jüngste Mitglied und die dritte Frau, außerdem seit vier Jahrzehnten die erste Richterin ohne Berufserfahrung in diesem Job. Doch wie die Washington Post titelte: "Ein Mangel an Erfahrung hat sie noch nie aufgehalten."

Beim Nominierungsprozedere vor dem Senat könnte ihr dieser Mangel sogar zum Vorteil gereichen. Da es keine früheren Entscheidungen von ihr gibt, können ihr diese nicht vorgehalten werden.

Rechtskonservative Aktivisten mussten daher ganz schön suchen, um einen Angriffspunkt zu finden, und versuchen nun, folgende Episode zu übertreiben: Kagan verbannte als Dekanin Anwerber des US-Militärs vom Harvard-Campus. Sie begründete diese Entscheidung mit der umstrittenen "Don't ask, don't tell"-Richtlinie der Armee, nach der Schwule und Lesben nur beim Militär Dienst tun dürfen, solange sie sich nicht öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennen. Das sei diskriminierend, argumentierte Kagan - und daher nicht mit den Richtlinien der Universität vereinbar.

Dieses Skandälchen wird kaum reichen, um Kagans Nominierung zu kippen - US-Medien rechnen mit ihrer Bestätigung durch den US-Senat. Zwar werden die Republikaner die Anhörung für ein paar parteiliche Scharmützel nutzen, der Juristin am Ende jedoch ausreichend Jastimmen geben.

Schließlich wird sich kaum etwas an der politischen Ausrichtung des Gerichtes ändern, wenn der scheidende Richter John Paul Stevens durch die liberale New Yorkerin ersetzt wird. Auch er gehörte zur linken Minderheit am Gericht.

Das Oberste Gericht wird demnach auf seinem konservativen Kurs bleiben und dem Präsidenten weiter Probleme bereiten. Erst bei seiner Rede zur Lage der Nation im Januar hat Obama den rechtsgerichteten Kurs des Gerichts unter John Roberts ungewohnt scharf kritisiert, weil es die Beschränkung von Parteispenden durch Firmen wieder gekippt hatte.

Noch einige weitere Reformvorhaben Obamas werden vor dem Supreme Court landen. So gibt es bereits Klagen gegen seine kürzlich verabschiedete Gesundheitsreform. Auch Regelungen zu Treibgasemissionen und die Anti-Terror-Gesetzgebung sind rechtlich umstritten. Doch um die Ausrichtung des Obersten Gerichtshofs zu beeinflussen, braucht Barack Obama noch die Chance auf eine dritte Nominierung.

Das ist eher unwahrscheinlich: In den USA sind die Obersten Richter auf Lebenszeit ernannt. Ein Platz wird nur frei, wenn sich einer freiwillig zurückzieht oder im Amt stirbt.

Die ältesten Richter sind nun der konservative Antonin Scalia und der moderate Anthony Kennedy (beide Jahrgang 1936). Scalia wird versuchen, im Amt zu bleiben, bis ihn ein republikanischer Präsident ersetzen kann. Zieht sich Kennedy zurück, ändert sich die Balance für Obama nicht wirklich.

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