USA: Obama und das Gefangenenlager:Guantanamo forever?

Obama wollte Guantanamo schließen, aber Republikaner und Gerichte verhinderten das. Der US-Präsident muss sogar Lob von Widersacher Dick Cheney ertragen. Menschenrechtler fürchten, dass das Schandlager verewigt wird.

Christian Wernicke, Washington

Sieben Wochen ist es her, da hatte ein sehr blasser und kranker Mann erstaunlich milde Worte übrig für Amerikas Präsidenten. "Ich glaube, er hat aus Erfahrung gelernt", lobte Dick Cheney, der frühere Vizepräsident, den Demokraten Barack Obama. Es war das erste Interview, das der konservative Republikaner nach seiner schweren Herzoperation gewährte - und der sanfte, fast freundschaftliche Ton, den dieser chronisch garstige Regierungskritiker anschlug, überraschte Freund wie Feind.

USA: Obama und das Gefangenenlager: Gefangene im Lager auf Kuba: Mit der Wiederbelebung der Guanatanamo-Justiz  bricht US-Präsident Barack Obama mit sich selbst.

Gefangene im Lager auf Kuba: Mit der Wiederbelebung der Guanatanamo-Justiz  bricht US-Präsident Barack Obama mit sich selbst.

(Foto: AFP)

Bis dato hatte Cheney, zusammen mit seinem Freund Donald Rumsfeld im Herbst 2001 der geistige Gründer des Gefangenenlagers Guantanamo, keine Gelegenheit zur Attacke ausgelassen. Wütend hatte Bushs Ex-Vize etwa im Mai 2009 gepoltert, Obama verbreite "weniger als die halbe Wahrheit" über Bushs Anti-Terror-Politik. Es sei "unklug bis ins Extrem", Verhörmethoden wie Waterboarding oder Schläge ins Gesicht zu verbieten. Und Obamas Vorhaben, Guantanamo abzuschaffen, sei falsch. Dessen Kurs, so Cheney, mache "das amerikanische Volk weniger sicher". Die Demokraten tobten.

Nun aber - zwei Jahre nach Obamas Amtsantritt und 24 Monate nach dessen Schwur, Amerikas Schandlager aus der Welt zu schaffen - fand Cheney nur anerkennende Worte: "Ich glaube, er hat begriffen, dass er Guantanamo nicht schließen kann", erklärte der Republikaner und fügte an: "Das heißt: Wenn du es nicht hättest, müsstest du so etwas schaffen." Sieben Wochen später, am 7. März 2011, ist Obama tatsächlich dem Rat eines seiner ärgsten Gegner gefolgt: Er hat, per Kurswechsel und präsidentieller Verfügung, Guantanamo gleichsam neu erschaffen.

Zum einen bricht Obama mit sich selbst, indem er seinen Erlass vom Januar 2009 widerruft: Darin hatte der Präsident dem Pentagon verboten, irgendwelche neuen Strafverfahren vor Amerikas umstrittenen Militärkommissionen in "Camp Justice" auf Kuba zu eröffnen. Nun hebt eine Welle neuer Verfahren an.

Innerhalb weniger Wochen, so heißt es aus dem Verteidigungsministerium, könne etwa der Prozess gegen Abdel Rahim al-Nashiri beginnen, einen saudischen Gefangenen, der den Terroranschlag auf den US-Zerstörer USS Cole im Hafen von Aden am Persischen Golf geplant haben soll. Im Jahr 2000 waren bei dem Selbstmordattentat 17 US-Soldaten getötet worden. Die Anklage gegen al-Nashiri wird für Aufsehen sorgen - denn der mutmaßliche Al-Qaida-Mann war von der CIA in Verhören gefoltert worden.

Damit wiederbelebt Obama nun Guantanamos Justiz - und mit seiner zweiten Wende könnte er das Lager sogar verewigen: Seine Anordnung, Terrorverdächtige notfalls auch ohne Anklage unbefristet zu internieren, sei, so schimpfte Elisa Massimino von Human Rights First, "ein Schritt auf dem Weg, ein Regime präventiver Schutzhaft zu institutionalisieren". Das hält die Menschenrechtlerin schlicht für verfassungswidrig. Immerhin: Laut Umfragen befürwortet eine klare Mehrheit der US-Wähler, dass Guantanamo fortbesteht.

Symbol amerikanischer Hybris

In einer kurzen persönlichen Erklärung ließ Barack Obama verbreiten, seine neue Politik werde "Terroristen der Gerechtigkeit überstellen" und zugleich "eine menschliche Behandlung der Häftlinge" garantieren. Die Versicherung, dass er an seinem Ziel festhält, das zum Symbol amerikanischer Hybris gewordene Lager zu schließen, findet sich in dem fünfzeiligen Text nicht. Später, bei Hintergrundgesprächen mit Journalisten, reichten Obamas Rechtsberater die Versicherung nach, ihr Präsident habe dieses Ziel "nicht aufgegeben".

USA: Obama und das Gefangenenlager: US-Präsident Barack Obama schließt Guantanamo nicht - trotz aller Proteste. Amerikaner demonstrieren im Januar vor dem Weißen Haus gegen das Gefangenenlager.

US-Präsident Barack Obama schließt Guantanamo nicht - trotz aller Proteste. Amerikaner demonstrieren im Januar vor dem Weißen Haus gegen das Gefangenenlager.

(Foto: AP)

Mag sein, aber richtig ist auch, dass er klein beigegeben hat. Nach dem Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen im November sah die Regierung keine Chance mehr, die einst angestrebte Verlegung aller Gefangenen auf das amerikanische Festland in den nächsten zwei Jahren zu erreichen. Erst Ende vorigen Jahres hatten beide Kammern des Parlaments - mit den Stimmen aller Republikanern und denen sehr vieler Demokraten - sämtliche Mittel für einen Transfer gesperrt.

Damit war auch der Plan gescheitert, die noch 172 Gefangenen in ein seit Jahren leerstehendes Hochsicherheitsgefängnis am Rande des Provinzörtchens Thomson in Obamas Heimatstaat Illinois zu bringen. Die Menschen dort wären einverstanden, sie erhofften sich neue Jobs. Aber der Kongress verweigerte die 240 Millionen Dollar zur Aufrüstung des Knastes.

Immer wahrscheinlicher wird, dass nun auch Khalid Scheich Mohammed, der selbsterklärte Drahtzieher der Anschläge von 9/11, auf Kuba vor den Kadi treten wird. Noch vor zwei Jahren hatte Obamas Justizminister Eric Holder es sich zur persönlichen Mission gemacht, den Al-Qaida-Kommandanten in einem Gerichtssaal nahe Ground Zero vor Amerikas ordentliche, also zivile Justiz zu stellen. Dann schwollen in New York Bürgerproteste an, Holder knickte - auf Geheiß des Weißen Hauses - ein. Denn dort will man nun stramm nach vorn schauen- also auf die Präsidentschaftswahlen 2012. Wenigstens bis dahin herrscht auf Guantanamo nun Hochbetrieb.

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