USA:Monopoly der Babyboomer

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Warum junge Menschen in US-Städten kein Haus kaufen können.

Von Claus Hulverscheidt

Es gibt wohl keine Straße im Nordwesten Philadelphias, die Jake Yanoviak nicht entlanggeradelt wäre. Erspäht er jemanden am Gartenzaun oder auf der Veranda, hält er an und stellt höflich die immer gleiche Frage: "Will jemand in der Nachbarschaft vielleicht sein Haus verkaufen?" Der 23-Jährige war schon bei Zwangsversteigerungen, er hat Bewerbungsschreiben in Briefkästen geworfen und Online-Portale durchstöbert. Das Resultat jedoch, so hat er der Nachrichtenagentur Bloomberg erzählt, war stets dasselbe: Schweigen, Kopfschütteln, Absagen. Der US-Häusermarkt, er scheint wie zubetoniert zu sein.

Tatsächlich könnte die Situation für junge Familien schlechter kaum sein. Seit Jahrzehnten werden in fast allen großen US-Städten zu wenige Häuser gebaut. Das schmälert das Angebot und hat selbst in einfachen Lagen die Preise in astronomische Höhen getrieben. Im New Yorker Gowanus-Viertel etwa, einem früheren Industriegebiet mit vielen alten Fabrikhallen, kostet ein Reihenhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche gern 1,5 Millionen Dollar - nur weil die Gegend einmal hip werden könnte. Hinzu kommt, dass sich viele Ältere auch nach dem Auszug der Kinder nicht von ihren eigentlich zu groß gewordenen Häusern trennen. In einigen Städten, in San Francisco etwa, wehren sie sich sogar aktiv gegen Neubauten in der Nachbarschaft, weil sie den Charakter ihrer Viertel erhalten wollen.

Babyboomer gegen Millennials, Mittzwanziger gegen Mittsechziger (der Babyboom begann in den USA zehn Jahre früher) - damit stehen sich ausgerechnet die beiden zahlenmäßig größten Altersgruppen gegenüber. Vor zehn Jahren gehörten den über 55-Jährigen 43 Prozent aller selbst bewohnten Einfamilienhäuser - heute sind es 53 Prozent. Unter den jungen Erwachsenen bis Mitte 30 hingegen verfügen gerade einmal elf Prozent über ein Eigenheim. Als ihre Eltern und Großeltern so alt waren, lag der Anteil fast doppelt so hoch. Theoretisch könnten junge Familien ins Umland ausweichen. Aber ein Leben in den Vororten mit ihren akkurat gestutzten Rasenflächen und den immer gleichen Garagenauffahrten können sich viele schlicht nicht mehr vorstellen.

Nach einer Umfrage des Portals Apartment List spielen 80 Prozent der Millennials mit dem Gedanken an ein eigenes Haus. Fast allen jedoch fehlt es am nötigen Geld oder an Angeboten - oder an beidem. Immerhin: Die Not macht auch erfinderisch. In der Hauptstadt Washington und der kalifornischen Metropole Los Angeles etwa beteiligen sich viele Tausend junge Menschen an sogenannten eFunds. Interessierte müssen mindestens 1000 Dollar einzahlen; mit dem eingenommenen Geld renoviert die Firma dann bestehende Häuser oder kauft Bauland und errichtet neue. Ist ein Haus bezugsfertig, wird es zunächst den Investoren exklusiv und zum Vorzugspreis angeboten. Wer nicht fündig wird, erhält zumindest Zinsen auf seine Einlage - heutzutage auch keine Selbstverständlichkeit.

Manch Älterer hat durchaus Verständnis für die Nöte der jungen Leute und wäre auch bereit, sein Haus zu verkaufen und in der Nähe in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Doch sein Problem ist das gleiche wie das der Neufamilien: Bezahlbare Eigentumswohnungen sind ebenso Mangelware.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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