USA:Jetzt erst recht

Demonstrators Protest As U.S. President Donald Trump Holds Meeting With Russia Foreign Minister Sergei Lavrov

"Putins Puppe", steht auf dem Schild. Menschen demonstrieren vor dem Weißen Haus, in dem Trump den russischen Außenminister empfängt.

(Foto: Andrew Harrer/Bloomberg)

Nach dem Rauswurf von FBI-Chef James Comey blenden rechtskonservative Medien mögliche Verbindungen des Trump-Lagers zu Russland aus. Unter den Republikanern regt sich hingegen Widerstand.

Von Sacha Batthyany, Washington

Auf dem Höhepunkt dieses denkwürdigen Mittwochs, als die Entlassung des FBI-Direktors James Comey das politische Washington in einen beschädigten Ameisenhaufen verwandelte, titelte der regierungsfreundliche Fernsehsender Fox-News: "Comey resigns", Comey tritt ab. Mag sein, dass es sich um einen Fehler handelte, doch die Schlagzeile passt zur Berichterstattung rechtskonservativer Medien über die Absetzung Comeys. In der beliebtesten Morgenshow Fox&Friends, die sich auch Präsident Trump regelmäßig ansieht, unterhielten sich die Moderatoren 24 Stunden nach der Entlassung über Comeys Charakterschwächen. Ehemalige Mitarbeiter wurden zitiert, die erzählten, wie misslaunig ihr Chef oft gewesen sei.

Comey soll um mehr Ressourcen gebeten haben, um die Russland- Ermittlungen voranzubringen

Über mögliche Russlandverbindungen, über die Ermittlungen gegen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, der aufgrund von Verbindungen zu Moskau bereits im Februar seinen Tisch räumen musste - kein Wort. Es ist die Sicht des Präsidenten, die die meisten Fox-Moderatoren ungefiltert übernehmen. Sean Hannity, der Late-Night-Talker, sagte, Comey habe "einen schlechten Job gemacht". Dass Trump mit Comey jenen Mann entließ, der gegen sein Wahlkampfteam ermittelte, wird nicht hinterfragt. Dafür folgt ein Interview mit Paul Ryan, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, der von "verlorenem Vertrauen" in den FBI-Direktor spricht. Auch Mitch McConnell wird zitiert, Mehrheitsführer im Senat, er verwirft den Einsatz eines Sonderermittlers. Moderator Hannity sagt darauf: "Natürlich braucht es keinen Sonderermittler, weil es nichts zu ermitteln gibt."

Abgesehen von Ryan und McConnell steht die Republikanische Partei alles andere als geschlossen hinter dem Präsidenten. Senator John McCain sagte, er fordere schon lange einen Sonderermittler - "und jetzt erst recht". Richard Burr, republikanischer Senator aus North Carolina und Mitglied des Geheimdienstausschusses, der ebenfalls in Sachen Russland ermittelt, zeigte sich "sehr verstört". Die Entscheidung, den FBI-Direktor zu diesem Zeitpunkt zu stürzen, sei "schlicht unerklärbar", argumentierten viele Republikaner.

Die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen fehlen auch auf der Newsseite Breitbart, die Stephen Bannon früher leitete, heute Trumps Chefstratege. Am Donnerstagmorgen, zur besten Zeit, lautete auf Breitbart die wichtigste Schlagzeile: "Mexiko ist das Land mit der zweithöchsten Mordrate". Zu Comey und Trump lief ein Interview mit Pat Buchanan, einst Berater von Ronald Reagan und Richard Nixon. Buchanan sagt, die Mainstream-Medien seien "die Oppositionspartei" in den USA. So wie sie Nixon zu Fall gebracht hätten, so Buchanan, "so wollen sie Trump stürzen".

Die Entlassung Comeys und die Frage nach möglichen Verbindungen zwischen Russland und dem Trump-Lager spaltet das Land. In den meisten Umfragen geben etwas mehr als die Hälfe der Befragten an, sie würden sich eine unabhängige Untersuchung wünschen. Laut einer Studie der Washington Post und ABC News im April denken vier von zehn Amerikanern, dass Moskau sich in die Wahl einmischte, um Trump zum Sieg zu verhelfen.

Trump war zunehmend erzürnt, so schreibt die Washington Post, dass FBI-Direktor Comey sich nicht auf seine Seite schlug, als der Präsident behauptete, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn abhören lassen. Comey habe immer nur über Russland gesprochen. Das sei der Grund für seine Entlassung. Trump habe seinen Justizminister Jeff Sessions und dessen Stellvertreter Rod Rosenstein beauftragt, ein Erklärungsschreiben aufzusetzen, auf das sich Trump später berief. Als Rosenstein bemerkte, dass sein Memo als wahrer Kündigungsgrund vorgeschoben wurde, soll er mit Rücktritt gedroht haben.

Diese Drohung wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, wie Trump am Donnerstag in einem Interview mit dem Sender NBC verriet: "Egal, wie die Empfehlung ausgefallen wäre: Ich wollte Comey feuern." Dass er damit indirekt zugab, dass die bisherige vom Weißen Haus verkündete Begründung für die Kündigung nur vorgeschoben war, schien Trump nicht zu kümmern. Mehrere Medien berichteten, James Comey habe erst vorige Woche um mehr Ressourcen und Personal gebeten, um die Russland-Ermittlungen voranzubringen - ausgerechnet bei Rosenstein, der später seine Entlassung empfahl. Zudem soll der Geheimdienstausschuss Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn vorgeladen haben und Dokumente verlangt haben, die mit einer möglichen russischen Einflussnahme zusammenhängen. Ob all das zur Kündigung führte, ist ungeklärt. Comeys kommissarischer Nachfolger Andrew McCabe widersprach bei einer Anhörung durch den Senat der Darstellung des Weißen Hauses, dass der geschasste Ex-Chef die Unterstützung seiner Mitarbeiter verloren hatte. McCabe kündigte zudem an, die Ermittlungen zur Russland-Affäre fortzusetzen: "Sie können die Männer und Frauen des FBI nicht daran hindern, das Richtige zu tun", sagte er am Donnerstag in Washington. Bob Woodward, der die Watergate-Affäre aufdeckte, prophezeite, dass FBI-Beamte Journalisten wohl bald mit Dokumenten versorgen würden. Schon bei Watergate war es der FBI-Ermittler Mark Felt, alias Deep Throat, der Woodward und Carl Bernstein fütterte. Und James Comey selbst? Der bedankte sich bei seinen Mitarbeitern in einem Abschiedsbrief und sagte, er werde keine Zeit damit verbringen, über das Vorgefallene nachzudenken. "Es ist vorbei. Es wird mir gutgehen." Im Fernsehen sah man ein Foto von ihm mit Baseballmütze vor seinem Haus. Auf Fox-News hieß es, er würde sich zu Hause verbarrikadieren. CNN berichtete, er würde lächeln und sei "entspannt".

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