USA:Hinter gegnerischen Linien

President Trump Holds Rally In Great Falls, Montana

Daumen runter, Herr Präsident! Eine Demokratin versuchte die Jubelstimmung bei Donald Trumps Wahlkampfbesuch in Montana zu stören.

(Foto: Justin Sullivan/AFP)

Der Demokrat Jon Tester will in Montana seinen Senatssitz verteidigen, wo eine Mehrheit Donald Trump gewählt hat. Dafür weicht er von der Parteilinie ab - wie weit können Politiker wie er in konservativen Staaten gehen?

Von Hubert Wetzel, Missoula

Wenn Donald Trump kommt, dann meist, um Krawall zu schlagen. Das war auch vorige Woche so, als der Präsident Montana besuchte und dort eine seiner langen, wirren, bei seinen Anhängern aber äußerst beliebten Reden hielt. Einer der Senatoren des Bundesstaats steht im November zur Wiederwahl, der Demokrat Jon Tester, und die Republikaner würden den Sitz gerne erobern. Und so hatten sie Trump eingeladen, um den Wählern ein bisschen einzuheizen.

Womit die Republikaner wohl nicht gerechnet hatten, war die Begrüßung durch den Mann, den sie aus dem Amt jagen wollen. Am Tag vor Trumps Besuch schaltete Tester in einem Dutzend Zeitungen ganzseitige Anzeigen. "Willkommen in Montana, Präsident Trump", stand da, "und vielen Dank". Darunter zählte der Senator 16 Gesetzesvorlagen auf, an denen er mitgeschrieben und die der Präsident allesamt unterzeichnet hatte. Die meisten zielen darauf ab, die Versorgung von Militärveteranen zu verbessern.

Die Willkommensgrüße und der Dank waren allenfalls halb ironisch gemeint. Jon Tester gehört zur Gruppe jener demokratischen Senatoren, die im Herbst wiedergewählt werden wollen, aber in einem Bundesstaat antreten, in dem bei der letzten Präsidentschaftswahl Donald Trump gesiegt hat. Red-state Democrats heißen diese Leute im amerikanischen Politikjargon - Demokraten aus roten, also republikanischen Staaten. In der Praxis sieht das so aus: Senator Tester gewann seine Wahlkämpfe 2006 und 2012 zwar, allerdings nur sehr knapp mit jeweils 49 Prozent der Stimmen. Trump hingegen räumte bei der Wahl 2016 in Montana 56 Prozent der Stimmen ab, satte 20 Prozentpunkte mehr als die Demokratin Hillary Clinton.

Derzeit hat Tester in den Umfragen zwar einen halbwegs soliden Vorsprung vor seinem etwas farblosen republikanischen Herausforderer Matt Rosendale. Doch das kann sich rasch ändern. Die Republikaner kippen viel Geld in den Kampf um Testers Senatssitz, und neben Trump persönlich hat auch dessen Sohn Donald Jr. Wahlkampf in Montana gemacht. Allzu viel politischen Spielraum, um sich vom Präsidenten abzusetzen, hat Tester daher nicht. Viele seiner Wähler mögen Trump, und der Senator kann es sich nicht leisten, als Feind des Präsidenten zu gelten.

"Montana ist ein roter Staat", sagt die Wahlkampfberaterin Joan Ehrenberg, die für Tester arbeitet. Mit linker Parteidogmatik könne man hier keine Wahlkämpfe gewinnen. "Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Waffenkontrolle. Jeder hier in Montana hat eine Waffe. Die Leute haben ein Gewehr, um ein Reh zu schießen, das sie dann essen." Das weiß Tester natürlich, ein kräftiger Mann mit Bürstenhaarschnitt, der auf einer Farm in Montana aufgewachsen ist und in einem Fleischwolf drei Finger verloren hat. Und deswegen erzählt er den Wählern bei jeder Gelegenheit, dass er selbst Jäger ist und niemals für ein Gesetz stimmen wird, welches das Recht auf freien Waffenbesitz einschränken könnte. Damit liegt der 61-Jährige quer zur offiziellen Parteilinie und zu vielen demokratischen Kollegen im Senat, die schärfere Waffengesetze fordern. Doch mit solchen Positionen vor die Wähler in Montana zu treten, wäre politischer Selbstmord.

Auch beim Thema Immigration steht Tester deutlich weiter rechts als viele Demokraten aus liberaleren Gegenden. Er ist ein strikter Gegner von illegaler Einwanderung und lehnt eine Amnestie für Menschen ab, die unerlaubt ins Land gekommen sind. 2010 stimmte er gegen ein Gesetz, das der damalige Präsident Barack Obama - immerhin ein Parteifreund Testers - vorgelegt hatte und das jungen Einwanderern, die von ihren Eltern illegal über die Grenze gebracht worden waren, einen Weg zur Einbürgerung eröffnen sollte.

Zwar kritisierte auch Tester, wie viele andere Demokraten, Trump für dessen harsche "Null-Toleranz"-Politik gegenüber illegalen Immigranten, die unter anderem dazu führte, dass Kinder an der Grenze von ihren Eltern getrennt wurden. Mit der Verbissenheit aber, mit der zum Beispiel seine Parteifreunde in Kalifornien versuchen, illegale Einwanderer vor dem Zugriff des Staates zu schützen, kann Tester wenig anfangen. Der jüngsten Forderung des linken Parteiflügels, die Grenzschutzbehörde ICE abzuschaffen, hat sich Tester im Gegensatz zu seiner kalifornischen Senatskollegin Kamala Harris nicht angeschlossen.

Trump wird Tester nie verzeihen, dass der einen seiner Kandidaten für ein Ministeramt verhinderte

"Die Demokraten in Montana mögen keine Demokraten aus Kalifornien", sagt Ehrenberg. "Die kommen her, bauen sich große Ferienhäuser in die schöne Landschaft, und dann wohnen sie zwei Wochen im Jahr darin." Soll heißen: Die Linken aus den Städten an der Westküste haben keine Ahnung, wie das bodenständige, ländliche Amerika in Montana denkt.

Tester hat sich ein Thema ausgesucht, das zu seiner Wählerschaft gut passt: Veteranen. Fast zwölf Prozent der etwa eine Million Menschen, die in Montana leben, haben früher in der Armee gedient. Der Anteil von Veteranen an der Bevölkerung ist damit einer der höchsten im ganzen Land, doppelt so hoch wie im erzdemokratischen Kalifornien und immer noch deutlich höher als in anderen konservativen Staaten wie Texas oder Mississippi. Tester hat, wie er in seiner Dankesanzeige für Trump betonte, etliche Gesetze formuliert, um die medizinische Versorgung von ehemaligen Soldaten durch den Staat zu verbessern.

Das Thema Veteranen war es auch, durch das sich Tester vor einigen Monaten den besonderen Zorn von Donald Trump zuzog. Als der Präsident im März seinen Leibarzt Ronny Jackson zum neuen Veteranenminister machen wollte, führte Tester im Senat den Widerstand gegen den aus seiner Sicht unqualifizierten Kandidaten an. Jackson musste aufgeben, und Trump hat Tester diese Niederlage nie verziehen. Sein Wahlkampfbesuch in Montana vorige Woche - eher ein Auftritt gegen Tester als für Rosendale - war auch eine persönliche Racheaktion des Präsidenten.

Besonders heikel wird für Tester die bevorstehende Schlacht im Senat um die Besetzung des freien Richterpostens am Verfassungsgericht werden. Trump versucht, einen konservativen Richterkandidaten von der Parlamentskammer bestätigen zu lassen, und die Republikaner hoffen, einige Demokraten aus roten Staaten dazu zwingen zu können, für den Bewerber des Präsidenten zu stimmen. Bei der letzten Besetzung eines Richteramts am Supreme Court war ihnen das gelungen: Drei demokratische Senatoren aus Indiana, West Virginia und North Dakota brachen mit der Partei und votierten für Trumps konservativen Kandidaten Neil Gorsuch. Andernfalls, so hatten sie befürchtet, könnte sich das bei der Kongresswahl im November rächen, denn für viele Wähler daheim sind die Richterkandidaten eine wahlentscheidende Angelegenheit.

Tester stimmte damals gegen Gorsuch. Das war mutig und hat ihm nicht geschadet. Doch der Druck wird dieses Mal weitaus größer sein. Die demokratische Parteibasis fordert Widerstand um jeden Preis, zugleich werden viele konservative Wähler in Montana ihr Stimmverhalten im November davon abhängig machen, wie ihr Senator bei der Richterentscheidung votiert. Für dieses Dilemma ist Tester dem Präsidenten wohl nicht wirklich dankbar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: