USA:Hinter biederer Fassade

Die Täter von San Bernardino führten ein ruhiges Leben. Doch angeblich schwor die Todesschützin dem IS die Treue. Das FBI spricht von einem Terrorakt.

Von Sacha Batthyany, Washington

Zwei Tage nach der Schießerei im kalifornischen San Bernadino teilte die US-Bundespolizei mit, dass sie als Motiv der Morde Terrorismus vermute. "Wir behandeln diese entsetzliche Tat als einen Akt des Terrorismus", sagte der stellvertretende FBI-Direktor von Los Angeles, David Bowdich, am Freitag am Tatort. Das FBI geht allerdings von Einzeltätern aus. Es gebe keine Hinweise auf eine Verbindung der Täter zur Terrormiliz Islamischer Staat. Es sei aber möglich, dass sich das Paar von internationalen Terrornetzwerken habe inspirieren lassen. Am Mittwoch hatten die Eheleute Syed Rizwan Farook und Tashfeen Malik auf einer Weihnachtsfeier 14 Menschen getötet und 21 weitere schwer verletzt. Zunächst schien ein Streit am Arbeitsplatz ein möglicher Auslöser der Schüsse gewesen zu sein. Doch dagegen sprach ihr gelagertes Waffenarsenal: zwölf Rohrbomben, fünftausend Schuss Munition, Werkzeuge zum Bombenbau. "Sie hätten weitere Attacken verüben können", sagte San Bernadinos Polizeichef Jarrod Burguan. Von Farook weiß man, dass er Kontakt zu mindestens einer Person hatte, die in den USA unter möglichem Terrorverdacht stand. "Die Verbindung aber war sehr lose", sagte der FBI-Mann Bowdich. Farooks Frau Tashfeen Malik soll auf ihrer Facebook-Seite Abu Bakr al-Bagdadi, dem Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat, die Treue geschworen haben, schrieb die New York Times. Farook fiel weder am Arbeitsplatz noch in der Moschee durch religiösen Eifer auf. Er war für Lebensmittelkontrollen in Restaurants zuständig, ein schmächtiger Mann mit Bart, den sich niemand als schießwütigen Killer vorstellen kann. "Ich bringe die beiden Identitäten nicht übereinander", sagte Nizaam Ali, der mit ihm in der Moschee San Bernardinos betete.

The remains of a SUV involved in the Wednesdays attack is shown in San Bernardino, California

Brutales Ende einer brutalen Tat: Im Kugelhagel der Polizei starben Syed Rizwan Farook und sein Frau Tashfeen Malik, nachdem sie in San Bernardino 14 Menschen erschossen und 21 verletzt hatten.

(Foto: Mario Anzuoni/Reuters)

Im Unterschied zu Schützen vergangener Attentate hinterließen die beiden wenig Spuren im Internet und auch kein Manifest. Dem Nachrichtensender CNN zufolge haben sie die Festplatte ihres Computers entfernt und ihre Mobiltelefone zerstört. Gerichtsdokumente aber geben Einblick in Farooks schwierige Kindheit, der Vater war Alkoholiker in Geldnöten, der nach Angaben der Ehefrau immer wieder handgreiflich wurde und zumindest in einem Fall einen Fernseher auf sie warf. 2012 kam es zur Scheidung. Die letzte Adresse des Vaters, gemäß Behörden, führt nach Karatschi in Pakistan.

12255 Tote

durch Schusswaffen gab es dieses Jahr in den USA. Etwa 70 Prozent der Morde dort werden (nach UN-Daten von 2001 - 2011) mit Feuerwaffen verübt - in Großbritannien liegt der Anteil bei etwa zehn Prozent. Von 1993 bis 2013 halbierte sich die Rate von Morden mit Schusswaffen je 100 000 Menschen. "Massaker" wie in San Bernardino werden mehr, offizielle Zahlen gibt es nicht.

Einige Hinweise dazu, was für ein Mensch Syed Rizwan Farook war, lassen sich bei Partnerbörsen im Internet finden, aus der Zeit als Farook auf der Suche nach einer Frau war. "Ich bin religiös, aber modern", schrieb er, ein amerikanischer Staatsbürger mit pakistanischen Wurzeln, der in seiner Freizeit am liebsten alte Autos repariert. "Ich stamme aus einer Familie, in der sich westliche und östliche Werte mischen." Er hat seine spätere Frau, die Pakistanerin Tashfeen Malik, offenbar vor ein paar Jahren im Internet kennengelernt. 2014 reiste Farook, 28, zur Pilgerfahrt nach Mekka, was die saudi-arabische Botschaft in Washington bestätigte. Er heiratete Malik, 27, und flog mit ihr zurück in die USA, wo sie ein ruhiges Mittelschichtsleben in der Vorstadt Redlands begannen. Eine Nachbarin beschreibt sie als zurückgezogen, aber höflich, "ein Paar, das den amerikanischen Traum" lebte. Vor einem halben Jahr wurden die beiden Eltern einer Tochter.

Am Mittwoch ließen sie ihr Kind bei Farooks Mutter zurück und gaben an, zum Arzt zu müssen. Stattdessen fuhren sie in Kampfmontur in das Behindertenzentrum im nahegelegenen San Bernardino zur Weihnachtsfeier von Farooks Arbeitgeber und erschossen 14 Menschen. Das Paar starb im Kugelhagel der Polizei.

Der Amoklauf in San Bernardino wird von den beiden großen Lagern Amerikas unterschiedlich bewertet. Während die demokratischen Präsidentschaftsanwärter Hillary Clinton und Martin O'Malley in erster Linie strengere Waffengesetze forderten, damit "die Reihe von Attentaten ein Ende hat", so Clinton, sprachen ihre Kontrahenten auf republikanischer Seite vor allem von Terror. "Das ist radikal islamistischer Terror bei uns zu Hause", sagte Senator Ted Cruz. Chris Christie, Gouverneur von New Jersey, wählte, noch drastischere Worte: "Wir befinden uns mitten im nächsten Weltkrieg."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: