USA: Guantanamo und Abu Ghraib:Obama: Die Wende von der Wende

Präsident Obama will Folterbilder nicht zeigen, dafür Militärtribunale und eine umstrittene Schwulenrichtlinie beibehalten: Drehungen nach Bushs Vorbild.

Barbara Vorsamer

Es ist ein schweres Erbe, das George W. Bush seinem Nachfolger überlassen hat. Wie schwer, merkt Barack Obama derzeit: Weitere Folterbilder aus irakischen und afghanischen Gefängnissen stehen vor der Veröffentlichung, die Prüfungsfrist für die umstrittenen Guantanamo-Verfahren läuft ab und ein homosexueller Offizier spricht öffentlich über seine Orientierung.

USA: Guantanamo und Abu Ghraib: Abkehr vom eigenen Anspruch: Barack Obama

Abkehr vom eigenen Anspruch: Barack Obama

(Foto: Foto: AFP)

Fast alle Beobachter hatten erwartet, dass der Präsident die Militärtribunale des Gefangenenlagers ersatzlos abschafft, da sie sowohl der amerikanischen Verfassung als auch dem Völkerrecht widersprechen. Im Wahlkampf bezeichnete Obama die Tribunale noch als "gewaltigen Fehler" und versprach, den von Bush verabschiedeten Military Commission Act zu kassieren. Er war noch keinen Tag im Amt, als er bereits alle Verfahren für 120 Tage aussetzte.

Nun rückt das Ende der Frist am 20. Mai 2009 näher - und der US-Präsident scheint eine Kehrtwende von seiner Kehrtwende zu machen. Schon 2006 als Senator war er nicht strikt gegen die Militärgerichte, sondern setzte sich für einen Gesetzentwurf ein, der den Häftlingen etwas mehr Rechte zugestand.

Diesen Kompromiss will Obama nun auch als Präsident durchsetzen. Amerikanischen Medien zufolge, die sich auf Beamte seiner Regierung berufen, wird er am heutigen Freitag sein Festhalten an den Militärtribunalen verkünden, sie sollen jedoch "verbessert" werden.

Im Klartext heißt das, so die New York Times: Die Gefangenen bekommen einen besseren Rechtsschutz. Aussagen, die unter Folter getroffen wurden, sind gegenstandslos. Informationen, die auf Hörensagen beruhen, dürfen nur verwendet werden, wenn die Quelle "absolut verlässlich" ist und die Häftlinge sollen mehr Mitsprache bei der Auswahl ihres Verteidigers bekommen. Er muss noch immer den US-Streitkräften angehören.

Damit genießen die in Guantanamo Inhaftierten auch weiterhin nicht den Schutz, der ihnen vor zivilen US-Gerichten zustünde. Laut der US-Menschenrechtsorganisation ACLU sind auch Obamas "verbesserte" Tribunale verfassungswidrig.

Der Präsident steht in Sachen Guantanamo vor einem Dilemma: Nicht wenige der dort Inhaftierten sind - da sind sich auch die meisten Beobachter einig - hochgefährlich. Obama will mutmaßliche Terroristen, darunter Verdächtige der Terroranschläge des 11. September, nicht freilassen. Wegen der rechtlosen Zustände in Guantanamo reichen die "Beweise" und "Geständnisse" jedoch nicht für eine Verurteilung vor einem zivilen Gericht aus.

Die juristische Aufarbeitung von Guantanamo vor zivilen Gerichten der USA wäre hochkompliziert und nach dem Grundsatz "im Zweifel zugunsten des Angeklagten" würden möglicherweise Schuldige freigelassen. Dieses Risiko einzugehen, wagt Obama offenbar nicht.

Veröffentlichung von Folterfotos und Schwulenrichtlinie: Auch bei diesen Entscheidungen zeigt Obama wenig Mut zum Risiko.

Kehrtwende auch bei Folterbildern

Seine am Donnerstag gefällte Entscheidung, weitere Fotos von misshandelten und gefolterten Häftlingen aus afghanischen und irakischen US-Gefängnissen doch nicht zu veröffentlichen, fußt auf Angst. Im Wahlkampf hatte Barack Obama noch lückenlose Transparenz versprochen und vor drei Wochen die Präsentation der Bilder angekündigt.

Diese Kehrtwende begründet er mit der Sorge um die Sicherheit der amerikanischen Truppen und das eh schon ramponierte amerikanische Image. Zudem sagte der Präsident über die Bilder, sie seien "nicht sonderlich sensationell".

Hier widerspricht sich Obama selbst. Wie sollen Bilder, die nichts Besonderes darstellen, genügend Aufregung entfachen, dass um die Sicherheit der US-Soldaten im Irak und in Afghanistan gefürchtet werden muss?

Die ACLU, der die Bilder vorliegen, lässt jedenfalls mitteilen, die Fotos seien schlimmer als die aus dem berüchtigten irakischen Foltergefängnis Abu Ghraib. So ist es eigentlich egal, dass die Welt die Bilder nicht sehen darf - jeder kann sich den Inhalt vorstellen, mit bekannten Folgen für das amerikanische Image.

Eine Veröffentlichung der Bilder könnte vielleicht sogar beweisen, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie wir glauben. Und wenn doch: Aufarbeiten kann Obama Bushs Erbe nur, indem er alles transparent macht, die Schuldigen vor - zivile - Gerichte stellen lässt und sich von den Vorgängen distanziert.

Keine Rücknahme der Schwulenrichtlinie

Doch stattdessen tritt Obama auch noch in einem dritten Punkt in Bushs Fußstapfen, berichtet die taz. Der Offizier Dan Choi, gerade aus einem Irakeinsatz zurück, soll gefeuert werden, weil er im Fernsehen über seine Homosexualität gesprochen hat. Für die US-Armee gilt eine "Don't ask, don't tell" genannte Verordnung, die Homosexuellen zwar erlaubt, bei den Streitkräften zu dienen - jedoch nur, solange sie ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich machen.

Barack Obama hatte im Wahlkampf versprochen, die Richtlinie abzuschaffen. Inzwischen heißt es auf der Website des Weißen Hauses, "Don't ask, don't tell" soll lediglich verändert werden.

Kein harter Bruch mit der Politik von George W. Bush also - sondern nur Drehungen und Wendungen auf vorgetrampelten Pfaden.

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