USA:Gegenwind für die stählerne Magnolie

Präsident George W. Bush vertraut ihr wie keinem seiner Mitarbeiter. Heute ist für Condoleezza Rice der Tag der Abrechnung gekommen. Ihre Gegner haben alle falschen Versprechen aus den drei Jahren Amtszeit von George Bush zusammengetragen. Ab 15 Uhr muss sie vor dem Ausschuss zur Untersuchung der Terroranschläge des 11. September 2001 aussagen.

Von Marc Hujer

Jedes Detail, jedes Indiz der Nähe zur Macht ist jetzt wichtig, weil es die Lust derer erhöht, die Condoleezza Rice stürzen wollen. Fünf Mal, heißt es, sieht die Sicherheitsberaterin den Präsidenten pro Tag, öfter als jedes andere Mitglied der Regierung, öfter als der Verteidigungs- und der Außenminister zusammen und öfter als der mächtige Vizepräsident Dick Cheney. Sie joggt mit ihm, sie hebt Gewichte, spielt Puzzle und trifft sich mit ihm zum Gebet.

USA: Condoleezza Rice muss zum 11.September 2001 aussagen

Condoleezza Rice muss zum 11.September 2001 aussagen

(Foto: Foto: dpa)

Sie weicht ihm nicht von der Seite, nicht in Washington, nicht im präsidialen Wochenendsitz Camp David, nicht im Ostküstenbad Kennebunkport, wo die Bushs ihren Familiensitz haben. Selbst in der Air Force One ist die oberste außenpolitische Beraterin seine stete Begleitung.

Als sie in der Präsidenten-Maschine vor zwei Jahren an einem Palmsonntag von El Salvador nach Washington zurückflogen, stimmte sie für Bush ein Kirchenlied an. Und bald sangen sie beide, der Präsident und die Frau, die man vor kurzem noch die mächtigste der Welt nannte.

Tag der Abrechnung

Doch nun ist der Tag der Abrechnung gekommen. Ihre Gegner raffen alles Belastbare gegen sie zusammen, alle falschen Versprechen aus den drei Jahren Amtszeit von George W. Bush. Sie erinnern an die Lüge vom Uranium aus Afrika, an die fehlenden Pläne für ein Nachkriegsirak, an die angebliche Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein und an die Fahrlässigkeit im Anti-Terrorkampf.

Und sie verdichten dies alles zu einem großen Schlag gegen die Frau, die für Bush die Außenpolitik koordiniert. Sie, die für den Präsidenten im Hintergrund einen Ausgleich finden soll zwischen den widerstrebenden Mächten der Regierung, zwischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell, zwischen den gemäßigten Kräften und Vizepräsident Cheney, wird nun auf die offene Bühne gezerrt.

An diesem Donnerstag wird sie vor der so genannten 9-11-Kommission aussagen, dem unabhängigen Ausschuss zur Untersuchung der Terroranschläge des 11. September 2001. Und es wird nicht nur um die Außenpolitik der Ära Bush gehen, sondern auch um ihre Karriere als Sicherheitsberaterin des Präsidenten.

In diesen Tagen wird wieder häufiger das Interview bemüht, in dem Condoleezza Rice einmal scherzhaft sagte, ihr Traumjob wäre Präsident der Nationalen Football-Liga zu werden. Doch Rice, die den Spitznamen "stählerne Magnolie" trägt, lässt sich nicht so einfach abschieben.

Sie hat sich bewusst für eine Karriere in der Politik entschieden, als sie erkannte, dass ihr Mädchentraum, Konzertpianistin zu werden, ihr keinen Weltruhm bescheren würde. Eine Familie hat sie nicht, ihre Eltern sind tot, einen Mann gibt es nicht nach allem, was öffentlich bekannt ist. Der Bush-Clan ist ihre Ersatzfamilie geworden.

Wohnsitz Watergate

Im schmucklosen Watergatekomplex in Washington hat sie ein Appartement angemietet, von dem aus es noch nicht einmal eine Meile zu ihrem Arbeitsplatz im Westflügel des Weißen Hauses ist. Ein "personal shopper" wählt für sie die richtigen Kleidungsstücke aus. Nur einmal im Monat gönnt sich Rice einen Ausflug. Dann kommt ihre Lieblingstante aus Norfolk in Virginia und geht mit ihr einkaufen im Stadtteil Georgetown.

"Ist Condi das Problem?"

Immer mehr Aufgaben hat Bush seiner Sicherheitsberaterin zuletzt zugeteilt, diesem "Handtuch von einem Mädchen", wie Brent Scowcroft, der Sicherheitsberater von George Bush senior sie einmal nannte. "Sie erklärt mir Außenpolitik so, dass ich sie verstehe", lobte sie Bush junior. Er hat sie nicht nur den Antiterrorkampf vom Weißen Haus aus koordinieren lassen, sondern ihr im vergangenen Herbst auch die Verantwortung für den Wiederaufbau im Irak zugeteilt.

Doch je mehr Bush wegen seiner Außenpolitik in Bedrängnis kommt, desto mehr Finger deuten auf sie. "Früher oder später ist es unvermeidlich gewesen, dass die Leistungen von Condoleezza Rice hinterfragt werden", kommentiert das Time-Magazin. Zu groß seien die Zweifel am Erfolg des Wiederaufbaus im Irak, an der Ergreifung Osama bin Ladens und der Verlässlichkeit der US-Bündnispolitik.

"Ist Condi das Problem?", fragt das Time-Magazin auf seinem Titel. Und man frischt hämisch die alten Geschichten auf, von den zwei Spiegeln, die sie im Büro hat, um den Halt ihrer Frisur auch am Hinterkopf überprüfen zu können.

Der Satz, den sie einst als Vizechefin der Eliteuniversität Stanford ihren Studenten sagte, hat für sie eine neue Bedeutung bekommen: "Wenn ihr euch mit Leuten umgebt, die eurer Meinung sind, dann umgebt ihr euch mit den falschen Leuten", sagte sie.

Nun greift sie ihr eigener Berater an, der ehemalige Anti-Terrorexperte Richard Clarke, der auf ihr Drängen von der Vorgängerregierung übernommen wurde. Er sagt, dass Rice die Gefahr des Terrorismus unterschätzt habe, dass sie von al-Qaida eigentlich nichts wissen wollte, bevor der 11. September kam, dass er sie vor Terroristen in Flugzeugen gewarnt habe, dass sie aber nur abgewunken habe. "Als ich Rice über al-Qaida informierte", sagte Clarke, "hinterließ ihr Gesichtsausdruck bei mir den Eindruck, dass sie niemals zuvor die Bezeichnung al-Qaida gehört hatte."

Bis zuletzt hat sich Rice geweigert, öffentlich vor die 9-11-Kommission zu treten, doch die Ereignisse haben ihr keine Wahl mehr gelassen. Erst hat sie nur in geschlossenen Sitzungen Fragen der Kommission beantwortet, dann aber ist sie, als Clarke die Vorwürfe gegen sie erhob, im Fernsehen aufgetreten, um ihren Ruf zu retten.

Verstrickt in die eigene Rhetorik

Immer wieder hat sie dabei versucht, die Vorwürfe zurückzuweisen, sie sei eine Außenpolitikerin der alten Schule, aufgewachsen im Kalten Krieg und nicht in der Lage, die neuen Formen der Bedrohung durch al-Qaida einzuschätzen und zu verstehen.

Doch je mehr sie redete, je häufiger sie sich den Fragen der Reporter stellte, desto mehr verstrickte sich Rice. Einmal sagte sie, die Regierung Bush habe die meisten Vorschläge Clarkes umgesetzt, dann wieder, die Vorschläge seien schon unter Clinton abgelehnt worden.

Und sie stellte sich offen in Widerspruch zu Vizepräsident Dick Cheney, der behauptete, Clarke habe keine Ahnung von dem gehabt, was in der Regierung vor sich ging. Sicherheitsberater, hatte ihr Vorgänger Scowcroft einmal erklärt, sollten sich nur gelegentlich zeigen und zu Wort melden.

Nun aber hat sie den Kampf aufnehmen müssen, einen Kampf, bei dem sie auf sich alleine gestellt ist. Sie gilt als schlagfertig, entschlossen und hoch intelligent. Als Kind übersprang sie zwei Klassen, machte mit 15 Abitur, schloss mit 19 ihr Politikstudium mit Auszeichnung ab, promovierte und war mit 32 Jahren Professorin der Stanford-Universität. Sie spricht Russisch und Französisch.

In der Regierung ist sie gleichwohl nur bedingt vernetzt, ihre Macht verdankt sie vor allem ihrer Nähe zum Präsidenten.

Gelegentlich haben das die anderen sie auch spüren lassen, im letzten Herbst zum Beispiel, als sie die Koordination des Wiederaufbaus im Irak übernahm. Rice hatte ein neues Organigramm erstellen lassen, das die neuen Zuständigkeiten darstellen sollte.

Ganz oben hatte sie NSA, die Abkürzung für ihr Amt hinschreiben lassen: National Security Adviser, Berater für nationale Sicherheit. "Was ist denn NSA?", fragte sie Rumsfeld. "Das wäre dann ich", gab Rice schnippisch zurück. Vizepräsident Cheney lobte sie jüngst: "Sie ist knallhart und entschlossen, wenn sie knallhart und entschlossen sein muss".

Mit den Visionen ist es vorbei

Vor ein paar Monaten, als es noch so aussah, als sei Rice nicht zu stoppen, wurde noch spekuliert, die 49-Jährige könnte die nächste Außenministerin werden oder gar die nächste Vizepräsidentin Bushs. Amerikanische Zeitungen jubelten damals noch, sie sei berühmt wie ein Rockstar.

Einige malten sich sogar schon den ersten rein weiblichen Präsidentschaftswahlkampf 2008 aus: Hillary Clinton gegen Condoleezza Rice. Nun muss Rice hoffen, dass sie die nächsten Monate als Sicherheitsberaterin überlebt.

"Wenn ich mir über etwas Sorgen mache, denke ich mir einen Aktionsplan aus und gebe ihn dem lieben Gott", hat Rice einmal gesagt. "Ich bitte ihn dann, dass er mich führt. Und bis jetzt hat der liebe Gott mich noch nie im Stich gelassen."

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