USA:Es fehlt nur das Wort Lüge

FBI Director Comey and NSA Director Rogers House attend Intelligence Committee hearing in Washington

FBI-Chef James Comey (links) und Mike Rogers, Direktor des militärischen Geheimdienstes NSA, gaben am Montag dem Geheimdienst-Ausschuss im Washingtoner Kongress Auskunft. Sie stützten Trumps Tweets nicht.

(Foto: Joshua Roberts/Reuters)
  • Die amerikanischen Geheimdienste sind überzeugt, dass Russland durch eine konzertierte Sabotageaktion versuchte, die Wahl 2016 zu beeinflussen und Donald Trump zum US-Präsidenten zu machen.
  • Präsident Trump kümmert das wenig - er tut weiterhin alle Hinweise auf Moskaus Sabotage als Versuche der Demokraten ab, seinen angeblich so überwältigenden Wahlsieg zu delegitimieren.
  • Während der Anhörung mussten sich die Abgeordneten und Senatoren aber auch mit der absurden Behauptung Trumps beschäftigen, wonach er auf Weisung Obamas abgehört worden sei.

Von Hubert Wetzel, Washington

Ursprünglich sollten die Geheimdienstausschüsse im Kongress die Machenschaften des russischen Präsidenten Wladimir Putin aufklären: Hat der Kreml versucht, die US-Präsidentschaftswahl voriges Jahr zu beeinflussen? Doch inzwischen beschäftigen sich die Abgeordneten und Senatoren vor allem mit einer Lüge des amerikanischen Präsidenten. Anstatt die von Russland in Auftrag gegebenen Hackerattacken auf die Demokraten zu untersuchen, gehen sie dem von Donald Trump auf Twitter erhobenen Vorwurf nach, der ehemalige Präsident Barack Obama habe voriges Jahr die Telefone im Trump Tower - darunter Trumps persönliche Leitungen - abhören lassen.

James Comey, Chef der Bundespolizei FBI, widersprach dem Präsidenten am Montag vor dem Kongress öffentlich und deutlich: "Ich habe keine Informationen, die nahelegen, dass diese Tweets richtig sind", sagte er. Ebenso wenig habe das Justizministerium Informationen, welche die Behauptungen Trumps untermauern könnten. Das war eine klare Aussage - genauso gut hätte Comey sagen können: Präsident Trump lügt.

Die Russland-Geschichte? Nur Fake-News, beharrt der Mann im Weißen Haus

Dass Trumps Abhörvorwurf, den sein Sprecher am Montag noch einmal bestätigt hat, absurd ist, wusste man freilich schon vor Comeys Aussage. Sämtliche US-Behörden, die etwas Derartiges hätten tun können, haben vehement bestritten, etwas Derartiges getan zu haben. Auch Parlamentarier beider Parteien haben festgestellt, dass es keine Belege für die Behauptung gibt, Obama habe Trump abhören lassen.

Das Weiße Haus hatte darauf mit einer originellen Doppelstrategie reagiert. Erstens: Mitarbeiter des Präsidenten ließen wissen, Trump habe das mit dem Abhören nicht so wörtlich gemeint. Er habe sagen wollen, dass Leute, die mit ihm tun hatten, während des Wahlkampfes auf irgendeine Art überwacht wurden. Zweitens: Der Sprecher des Weißen Hauses deutete an, dass Obama für die Abhöraktion den britischen Geheimdienst GCHQ eingespannt habe. Die Regierung in London schäumte, eine Entschuldigung gab es bisher nicht.

Die Tatsache, dass Trump persönlich nicht abgehört wurde, bedeutet allerdings nicht, dass niemand aus seinem Umfeld überwacht wurde. Das ist der zweite Komplex, mit dem die Geheimdienstausschüsse sich befassen: Haben Mitarbeiter oder Vertraute von Trump während des Wahlkampfes unangemessene Kontakte zur russischen Regierung gehabt? Haben sie - um den juristischen Fachausdruck zu benutzen - mit dem Kreml kolludiert, um die Wahl zugunsten Trumps zu beeinflussen. Haben sie also geheime, illegale Absprachen mit Moskau getroffen, etwa über die künftige Russland-Politik Trumps?

Für Barack Obama führten die Spuren deutlich genug nach Moskau

Unstrittig ist, dass es Kontakte zwischen Vertretern Trumps und Russlands gab. Das prominenteste Beispiel ist Michael Flynn, ein Trump-Vertrauter und dessen erster Sicherheitsberater. Der frühere General musste zurücktreten, weil er vor Trumps Amtsantritt mehrmals mit dem russischen Botschafter in Washington, Sergej Kisljak, telefoniert, dies aber zunächst bestritten hatte. Flynn flog jedoch nicht auf, weil er selbst überwacht wurde, sondern Botschafter Kisljak. Das ist in Washington Routine, Flynn hätte das als Ex- Chef des Militärgeheimdienstes DIA wissen können.

Auch Trumps Vertraute Jeff Sessions, einst Senator und nun Justizminister, sowie Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten, trafen Sergej Kisljak. Ob dabei nur Höflichkeiten ausgetauscht wurden oder über eine neue Russlandpolitik gesprochen wurde, als die alte US-Regierung noch im Amt war, ist offen.

Allerdings waren die Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland so verdächtig, dass die Bundespolizei FBI Ermittlungen aufgenommen hat. Das bestätigte FBI-Chef Comey am Montag. Gegen wen ermittelt wird, wollte er nicht sagen. Doch die Ermittlungen bedeuten: Es ist durchaus möglich, dass die Polizei Leute aus Trumps überwacht oder abgehört hat, auch als diese sich im Trump Tower aufgehalten haben. Dazu wäre eine richterliche Genehmigung notwendig gewesen.

Die "Russland-Geschichte"? Laut Trump nur "fake news"

Die all dieses überwölbende Frage, auf welche die Geheimdienstausschüsse ursprünglich einmal eine Antwort finden sollten, ist aber diese: Hat Russland durch eine konzertierte Sabotageaktion versucht, die Wahl 2016 zu beeinflussen und Donald Trump zum US-Präsidenten zu machen? Die amerikanischen Geheimdienste sind überzeugt, dass dies der Fall war. Nach ihren Erkenntnissen hat Moskau die E-Mail-Konten prominenter Demokraten hacken lassen und all jenes Material an die Internetseite Wikileaks weitergereicht, das peinlich für Trumps demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton war. Eine Aktion mit solch hohem politischen Risiko und von solcher Tragweite könne eigentlich nur von Präsident Putin angeordnet worden sein, so das Fazit der US-Dienste.

Die Beweislage dafür ist nicht wasserdicht. Auch die Wirksamkeit der russischen Sabotage ist nicht belegt. Allerdings ist es bei derartigen Attacken auf E-Mail-Server auch fast unmöglich, den Täter zweifelsfrei zu überführen. Für Präsident Barack Obama waren die Spuren, die nach Moskau führten, allerdings deutlich genug, um kurz vor dem Ende seiner Amtszeit noch harte diplomatische Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

NSA-Direktor Rogers bekräftigte am Montag, dass sich an der Einschätzung der Dienste, Russland habe sich in die US-Wahl eingemischt, nichts geändert habe. Präsident Trump kümmert das freilich wenig - er tut weiterhin alle Hinweise auf Moskaus Sabotage als Lügen der Demokraten ab, als Versuche, seinen angeblich so überwältigenden Wahlsieg zu delegitimieren. Am Montagmorgen, kurz vor Beginn der Anhörung von Comey und Rogers, äußerte der Präsident sich auf Twitter wieder einmal entsprechend. Die "Russland-Geschichte"? Laut Trump nur "fake news", verbreitet von schlechten Verlierern und heimtückischen Geheimdiensten.

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