USA:Ein Getroffener schlägt um sich

Präsident Donald Trump attackiert seinen Justizminister auf Pressekonferenzen und in sozialen Medien. Nun erhält Jeff Sessions allerdings Unterstützung aus konservativen Kreisen.

Von Sacha Batthyany, Washington

Es ist wieder einmal so eine Woche im politischen Washington, in der viele Kommentatoren ungläubig den Kopf schütteln, weil die "breaking news" über den Präsidenten im Fernsehen einfach nicht abreißen. Sie sei fassungslos und mache sich Sorgen, flüsterte die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine einem ihrer Senatskollegen am Rande einer Sitzung zu. Die Unterhaltung der beiden wurde zufällig aufgenommen, Collins' Kollege antwortete: "Er ist verrückt".

Er, das ist Donald Trump, mächtigster Mann der Welt - und wer sich die vergangenen 72 Stunden im Zeitraffer ansieht, muss sich tatsächlich Sorgen machen. Bei einer Rede vor 40 000 Pfadfindern dankte Trump allen dafür, dass sie für ihn gestimmt haben (die meisten waren Jugendliche und nicht stimmberechtigt), und verglich Washington mit einer Jauchegrube. Einen Tag später hielt Trump in Ohio eine Rede und hetzte gegen seine einstige Konkurrentin Hillary Clinton, als befände er sich noch im Wahlkampf. Trump sprach davon, wie illegale Immigranten mit Messern unschuldige amerikanische Mädchen aufschlitzten, "weil sie wollen, dass sie leiden", und sagte, er könne "präsidialer" sein als jeder andere Präsident vor ihm, abgesehen von Abraham Lincoln.

Rex Tillerson, Jeff Sessions

Von Frieden im US-Kabinett kann keine Rede sein: Justizminister Jeff Sessions (links) wird offen von Präsident Trump demontiert. Erste Rücktrittsgerüchte gibt es außerdem zu Außenminister Rex Tillerson (rechts).

(Foto: Walsh/AP)

Vor und nach diesen Aussagen und Twitter-Botschaften war der Präsident vor allem damit beschäftigt, seinen Justizminister Jeff Sessions öffentlich zu demontieren. Im Rosengarten des Weißen Hauses sagte Trump, er sei "sehr enttäuscht" von Sessions. Auf die Frage nach Sessions' Zukunft sagte er lediglich: "Die Zeit wird es zeigen." Bereits Stunden zuvor hatte er auf Twitter geschrieben, der Justizminister habe eine "sehr schwache Haltung" zu den "Verbrechen von Hillary Clinton" eingenommen.

Trump kritisiert, dass sich Sessions wegen Befangenheit aus den Russland-Ermittlungen des FBI herausgezogen habe. Mit diesem Entscheid verlor der Präsident die Kontrolle über die Ermittlungen. Sessions' Stellvertreter Rod Rosenstein berief im Mai einen Sonderermittler in der Russland-Affäre, der mit einem Team aus Finanzspezialisten seitdem jeden Stein im Trump-Universum umdreht. Sessions ist nicht nur einer von Trumps frühesten Verbündeten, der Senator aus Alabama ist auch in konservativen Kreisen beliebt, die prompt auf die Kritik Trumps reagierten. Orrin Hatch, republikanischer Senator aus Utah, verteidigte den Minister und sagte, Sessions sei ein "ehrenhafter Mann mit festen Prinzipien". Auf der rechtsnationalen Webseite Breitbart, dem Präsidenten sonst zugetan, stand, der Angriff Trumps auf Sessions zeige "die ganze Scheinheiligkeit" des Präsidenten. Breitbart warnte vor "heftigen Reaktionen" der Basis, sollte Trump seine Demontage weiterziehen.

Auch Trumps Berater, Chefstratege Stephen Bannon und Stabschef Reince Priebus, sollen sich für Sessions ausgesprochen und den Präsidenten daran erinnert haben, dass der Justizminister ein leidenschaftlicher Befürworter von Trumps Agenda sei, insbesondere seiner restriktiven Einwanderungspolitik und der Pläne zum Bau einer Mauer. Doch ob der US-Präsident auf seine Berater hört, ist fraglich. Hinzu kommt, dass auch Priebus seit Wochen nicht mehr in der Gunst des Präsidenten zu stehen scheint, wie amerikanische Medien vermelden.

Trumps Rundumschlag gegen sein Kabinett zeige, unter welch enormem Druck der Präsident stehe und wie sehr ihn die Ermittlungen in der Russland-Affäre zusetzen würden, denn anders sei die Attacke auf Sessions nicht zu erklären, schrieb das Wall Street Journal.

Sessions ist nicht der einzige Minister, der mit einem Rücktritt in Verbindung gebracht wird. Gemäß einem Bericht von CNN ist Außenminister Rex Tillerson bereits "amtsmüde" und zunehmend "frustriert", weil sich das Weiße Haus in die Besetzung ranghoher Posten in seinem Ministerium einmische. Zahlreiche Staatssekretärs- und Botschafterposten sind bis heute nicht besetzt. Tillerson wies den Medienbericht zurück: Er sei nicht müde, sondern habe noch "viel vor".

Bei seinem Besuch in Moskau im April hatte Tillerson seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow mit Sanktionen gedroht. Die russische Einmischung in die US-Wahl sei eine ernsthafte Angelegenheit, "ernst genug, um zusätzliche Sanktionen zu verhängen", sagte Tillerson damals. Am Dienstag wurden im US-Repräsentantenhaus diese Sanktionen nun beschlossen.

Für Trump ist das ein Schlag ins Gesicht. Der Präsident war mit dem erklärten Ziel angetreten, die Sanktionen zu lockern und das Verhältnis zu Russland zu verbessern. Außerdem bedeutet es für Trump auch einen Machtverlust, weil in dem Gesetz verankert wurde, dass er ohne Zustimmung des Kongresses die Sanktionen nicht aufheben darf. Trump könnte sein Veto gegen die Sanktionen einlegen, was ihm aber die Kritik einbringen würde, er verfolge eine zu Russland-freundliche Politik und sei Putin ergeben. Ein Veto des Präsidenten könnte außerdem durch eine Zweidrittelmehrheit im Kongress überstimmt werden.

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