USA:Die vielen Tränen des Präsidenten

Diesen Dienstag kommt in den USA ein neues Buch über George W. Bush auf den Markt. In "Dead Certain" ("Todsicher") erzählt der Journalist Robert Draper vor allem Anekdoten über den US-Präsidenten - eine klare Analyse seiner Politik fehlt.

Nicht jeder, der ein Buch verfasst, schreibt gleich Geschichte. Das muss dieser Tage auch Robert Draper erfahren. Der Journalist, im schnöden Tagesgeschäft für das Männer- und Mode-Magazin GQ als Korrespondent in Washington tätig, hatte sich vorgenommen, sein Werk solle Historikern zumindest "das Rohmaterial" liefern für ihr Urteil über Amerikas 43. Präsidenten. Mit genau diesem Argument gelang es Draper sogar, George W. Bush, das Objekt seiner Biographie, zu immerhin sechs einstündigen Interviews zu überreden.

neues Buch "Dead Certain", US-Präsident

George W. Bush: Für das neue Buch "Dead Certain" gab der US-Präsident sechs Interviews.

(Foto: Foto: AP)

An diesem Dienstag kommt "Dead Certain" ("Todsicher") nun auf den Markt, der Untertitel erhebt 16 Monate vor dem Ende einer Amtszeit den Anspruch einer umfassenden Bilanz: "Die Präsidentschaft des George W. Bush". Doch die ersten, sehr flinken Rezensionen dämpfen die Erwartungen: Die Welt wird wohl noch länger warten müssen, um diesen Präsidenten und sein Tun wirklich zu begreifen.

"Dead Certain" wartet mit lebhaften Anekdoten auf, nicht mit klarer oder klärender Analyse. Leichtes Aufsehen in Washington erregt etwa das Bekenntnis des Präsidenten, dass er "sehr viel weine" unter dem Druck der Verantwortung und angesichts des beinahe täglichen Sterbens von US-Soldaten im Irak. Halt und Trost sucht Bush dann bei seinem Schöpfer: "Ich habe Gottes Schulter, um zu weinen."

Einblicke in Bushs Taktik im Irak

Immerhin, Drapers Buch hilft, Bushs aktuelle Taktik im Irak besser zu verstehen. Bereits im Mai dieses Jahres räumte der Präsident offen ein, er spiele auf Zeit: Wenigstens "bis Oktober oder November" 2007 will der Präsident mehr als 160 000 amerikanische Soldaten in der Wüste belassen - bis dahin sollen Armee und Marinekorps gegen al-Qaida und sonstige Aufständische so viele Erfolge erzielen, dass sämtliche Bewerber um seine Nachfolge nicht anders können als "länger zu bleiben" und den Kampf der Freiheit gegen das Böse auch nach dem Januar 2009 fortzusetzen.

Sein Ziel, so Bush, sei es, "uns in eine Lage zu versetzen, dass die Präsidentschaftskandidaten sich wohl dabei fühlen, eine Präsenz (von Truppen) aufrechtzuhalten." Ob dieses Kalkül aufgeht, entscheidet sich in den nächsten Wochen - wenn die Demokraten im Kongress erneut versuchen werden, Bushs Krieg ein Ende zu setzen.

Kritik an Cheney-Bestellung

Draper enthüllt, dass Bushs engster Berater Karl Rove sich anno 2000 vehement dagegen aussprach, ausgerechnet Dick Cheney als Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft zu nominieren. Es sei doch "erbärmlich", wenn Bush Jr. nichts Besseres einfalle, als "Daddys höchsten außenpolitischen Guru" zu seinem Stellvertreter zu küren, wird Rove zitiert.

Für Historiker interessanter ist da schon, dass Bush selbst nie so recht begriffen hat, wieso im Mai 2003 plötzlich Paul Bremer, Washingtons Statthalter in Bagdad, die irakische Armee auflöste (uns so dazu beitrug, dass überall im Land das Chaos eskalierte). Geplant war eigentlich, dass Saddams ehemalige Sicherheitskräfte für Ordnung sorgen sollten: "Ich kann mich nicht erinnern. Ich bin sicher, dass ich gesagt habe: 'Dies ist die Politik, was ist denn da passiert?'." Aber für solche Details solle sich der Reporter an seinen Sicherheitsberater Stephen Hadley wenden - "Hadley hat die Notizen über all das Zeug."

Ansonsten offenbart Bush noch, was er nach seinem letzten Tag im Weißen Haus vorhat. "Ich werde ein paar Reden halten, um das Säckel zu füllen." Und er will ein Institut gründen - um seinen globalen Kampf für die Freiheit fortzusetzen.

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