USA:Die Macht der Zornigen

Donald Trump

Nirgends tritt der Populismus so nackt auf wie in den USA: Donald Trump

(Foto: AP)

In Amerika zeigt sich gerade, wie gefährlich Populismus ist. Die Logik, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden, gilt nicht mehr.

Kommentar von Stefan Kornelius

Amerikas Vorwahl funktioniert nach einem skurrilen Rhythmus. Zuerst wird in den wenig aussagekräftigen, aber viel zu sehr beachteten Bundesstaaten Iowa und New Hampshire gewählt, dann in Nevada und South Carolina. Erst der Super Tuesday am 1. März liefert mit seinen 13 Wahlentscheidungen ein halbwegs verlässliches Bild der Stimmung in den Parteienlagern.

Dieser Rhythmus sorgte schon immer für Spannung, weil Außenseiter und Radikale einen Moment der Aufmerksamkeit genießen, ehe das Pendel einschwingt. Denn auch in diesen gewaltigen Vereinigten Staaten mit ihren 320 Millionen Menschen gilt: Wahlen werden in der Mitte gewonnen, von Kandidaten, die für und nicht gegen eine Sache stehen.

Gleich mehrere Kandidaten beugen sich nicht der Logik der Mitte

So weit, so beruhigend. Allerdings lässt sich die Vorwahl 2016 alles andere als beruhigend an, weil sich gleich mehrere Kandidaten der Logik der Mitte nicht beugen. Diese Kandidaten - vor allem Donald Trump, Ted Cruz und Bernie Sanders - erfüllen die zweite Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf: Sie kommen (tatsächlich oder stilisiert) von außerhalb des politischen Betriebs, stellen sich damit gegen das politische Establishment und versprechen, die Antithese der herrschenden Klasse zu sein.

Wer in Amerika Präsident werden möchte, kämpft zwar gegen einen anderen Kandidaten, aber er tritt auch als Gegenentwurf zum amtierenden Präsidenten an. Barack Obama nutzte diese Mischung aus Außenseitertum und Radikal-Alternative zu George W. Bush, als ihm vor acht Jahren unerwartet der Durchmarsch gegen Hillary Clinton gelang.

Die Trumps, Sanders und Cruz wollen das Washingtoner System zerstören

Für 2016 reichen Außenseiter und Anti-Präsident offenbar nicht mehr aus. In diesem Jahr bilden die Kandidaten eine größere Verwerfung in der amerikanischen Gesellschaft ab. Diesmal geht es nicht um die Mitte allein und ihre eher konservative oder eher linksliberale Ausprägung. 2016 entwickelt sich als Entscheidung zwischen zwei fundamentalen Weltanschauungen.

Plötzlich steht zur Wahl: der Charakter der amerikanischen Demokratie und ihr Platz in der Welt. Die Nervosität vor diesen Primaries ist deshalb so groß, weil die Trumps, Sanders und Cruz nicht weniger als das Washingtoner System zerstören wollen. So radikal und erfolgreich hat das bisher noch niemand formuliert, und so eindrücklich wurde die Botschaft noch nie beklatscht. Die USA stehen im Bann der Populisten.

Nirgendwo kommt der Populismus so nackt daher wie in den USA

Dieser Populismus ist die vielleicht größte Gefahr für westliche Demokratien. Überall in Westeuropa nagt er an den Systemen - in Frankreich durch eine Marine Le Pen, in Deutschland durch eine AfD. Nirgendwo aber kommt er so nackt und brutal daher wie in den USA, wo das demokratische System allemal härter austeilt und einsteckt, wo der politische Lebenszyklus schneller, aber das Land dank seiner Größe auch gnädiger ist.

2016 wird diese Toleranz auf die Probe gestellt. Polarisierung, Skandalisierung und Wut beherrschen den Wahlkampf. Die Populisten spielen mit der Angst und dem Zorn, was einen wichtigen Wesenszug vieler Amerikaner trifft: Angst schweißt das Land zusammen, verschafft ihm einen gemeinsamen Feind, verleitet zu Höchstleistungen. Angst treibt die Menschen zu Hamsterkäufen in die Supermärkte, wenn 70 Zentimeter Schnee fallen, Angst macht aus dem Land ein gewaltiges Waffenlager. Die Angst vor Immigranten, Terroristen, der Welt da draußen und dem wirtschaftlichen Absturz führt sie nun zu Donald Trump.

Die Republikaner wurden in die Radikalität getrieben

Am amerikanischen System lässt sich gut studieren, warum Populisten in einem post-ideologischen Zeitalter so leicht zur Alternative werden. Es war Bill Clinton, der den Demokraten mit seinem System der Triangulation die Ideologie austrieb und die Partei solide in der Mitte verankerte. Triangulation in der Clinton'schen Logik ist die Suche nach der Balance zwischen links und rechts - und klingt nicht zufällig in den Ohren der Gegner nach Strangulation. Die Republikaner jedenfalls trieb die Strategie in die Radikalität. Den Rest erledigten George W. Bushs Neokonservative und 9/11. Jetzt hat die Partei kapituliert, ihre Hülle wurde von den Populisten übergestreift.

Donald Trump verspricht, dass er "Amerika wieder großartig" machen werde. Seine Vorstellung von Größe hat mit Härte, Abschottung und hämischer Arroganz gegenüber Andersdenkenden zu tun - allesamt Eigenschaften, die Amerika gerade nicht groß gemacht haben. Wer auch immer diesem populistischen Furor gegenübertritt: Er kann nicht mehr auf die selbstheilende Kraft des Systems vertrauen, nicht mehr auf die Kraft der Mitte. Amerika wird in diesem Jahr zu klären haben, was seine Größe ausmacht.

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